Chemotherapie

Supportive Behandlungsoptionen zur Reduktion von Nebenwirkungen


Veröffentlicht am: 28.11.2019

Dr. Stefan Fischer, Stuttgart

Übelkeit und Erbrechen induziert durch Zytostatika beeinflussen maßgeblich die Lebensqualität onkologischer Patienten. Das Auftreten einer febrilen Neutropenie kann bei Vorliegen von Komorbiditäten mit einer hohen Mortalität verbunden sein. Trotzdem wird beides oft nicht ausreichend in die Therapieentscheidungen eingebunden. Was die leitliniengerechten Optionen sind, wurde auf einem von Amgen und MSD veranstalteten Satellitensymposium im Rahmen der Jahrestagung 2015 der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP) im März erörtert.

Harte Endpunkte, wie das Gesamtüberleben, sind sicherlich die primären Parameter zur Beurteilung von Arzneimitteln in der Tumortherapie. Allerdings muss immer berücksichtigt werden, mit welchen unerwünschten Arzneimittelwirkungen (UAW) eine höhere Wirksamkeit eventuell erkauft wird.

In einer Befragung mit 202 Patienten mit fortgeschrittenem Ovarialkarzinom war für 57% die Kombination aus Lebensqualität und -verlängerung wichtiger als die Lebensqualität (33%) oder die Lebensverlängerung (9%) allein [4].

Übelkeit und Erbrechen

Insbesondere Übelkeit und Erbrechen induziert durch Zytostatika (CINV) beeinflussen erheblich die Lebensqualität von Patienten mit Krebserkrankungen [3]. Dabei lassen sich drei Phasen unterscheiden:

  • Akut auftretend (in den ersten 24 h; durch Serotonin-Ausschüttung)
  • Verzögert auftretend (24 h bis 5 Tage; durch Substanz P)
  • Antizipatorisch (Konditionierung)

Junges Alter, weibliches Geschlecht, Reise- und Schwangerschaftsübelkeit sowie negative Erfahrungen durch Vortherapien in der Anamnese sind Risikofaktoren für Chemotherapie-induziertes Erbrechen.

Nach den Leitlinien der MASCC (Multinational association of supportive care in cancer) sollte im akuten Fall bei Therapien mit hohem emetogenem Risiko (z.B. Cisplatin) oder bei der Kombination Anthracyclin plus Cyclophosphamid eine Dreifachtherapie aus Serotoninrezeptor-Antagonist, Dexamethason und Aprepitant (Emend®) beziehungsweise Fosaprepitant (Ivimend®) eingesetzt werden [1].

Bei der verzögerten Symptomatik wird Aprepitant mit Dexamethason bei hohem Risiko und Aprepitant allein bei Anthracyclin plus Cyclophosphamid empfohlen. Wurde Fosaprepitant bereits an Tag 1 gegeben, wird nur Dexamethason beziehungsweise keine weitere Therapie gegeben.

In einer Metaanalyse aus drei randomisierten Studien verbesserte die 3-fache Antiemese mit Aprepitant gegenüber Odansetron und Dexamethason allein die Lebensqualität bei Patienten mit CINV (Tab. 1) [7].

Tab. 1. Vergleich Dreifach- versus Zweifach-Antiemese [6]

Anteil der Patienten mit keiner oder nur minimaler Beeinflussung der Lebensqualität durch CINV (FLIE-Score)

Aprepitant, Ondansetron, Dexamethason

Ondansetron, Dexamethason

Hoch emetogene Chemotherapie (n=1014, p<0,01)

74,4%

63,9%

Moderat emetogene Chemotherapie (n=848, p<0,05)

73,4%

66,3%

FLIE: Functional Living Index – Emesis

Febrile Neutropenie

Dabei handelt es sich um eine charakteristische Komplikation zytostatischer Therapie. Kriterien sind eine Neutrophilenzahl unter 1000 pro Mikroliter und ein Anstieg der Temperatur (einmalig 38,3°C oral oder 38,0°C über eine Stunde bzw. 2-mal im Abstand bis 12 h).

Kurzfristig wird dadurch das Risiko für Infektionen erhöht; langfristig können Dosisreduktionen und Zyklusverschiebungen der Therapie notwendig werden. Bei zwei oder mehr ernsten Komorbiditäten liegt die Mortalität nach Krankenhauseinweisung wegen febriler Neutropenie bereits bei 21,4% [5].

Eine Metaanalyse von 56 randomisierten kontrollierten Studien ergab für die Gesamtsterblichkeit bei einer Prophylaxe mit G-CSF (Granulocyte-colony stimulating factor, z.B. Pegfilgrastim) ein relatives Risiko von 0,93 (95%-Konfidenzintervall [KI] 0,90–0,96; p<0,001) [6].

Ein Risiko von 20% für das Auftreten einer febrilen Neutropenie bei einer bestimmten Chemotherapie spricht eindeutig für den Einsatz von G-CSF [2]. Darunter müssen die patientenbezogenen Risikofaktoren betrachtet werden. Dies sind zum Beispiel eine fortgeschrittene Erkrankung, bereits aufgetretene Episoden febriler Neutropenie, schlechter Zustand des Patienten, weibliches Geschlecht, Hämoglobin <12 g/dl sowie Leber-, Nieren-, oder kardiovaskuläre Erkrankungen.

Leitliniengerechte Supportivtherapie

Der Vortragende Prof. Dr. Link, Kaiserslautern, erläuterte, dass z.B. in der akuten Phase von Übelkeit und Erbrechen beim Lungenkarzinom mit hoch emetogener Chemotherapie nur 76,2% der Patienten den leitliniengerechten Standard aus Serotoninrezeptor-Antagonist, Dexamethason und Aprepitant bzw. Fosaprepitant erhalten.

Nur 13,4% der Patienten mit Lungenkarzinom bekommen die Prophylaxe mit G-CSF, obwohl ein hohes Risiko für eine febrile Neutropenie vorliegt. Die Ergebnisse basieren auf eigenen, noch nicht publizierten Untersuchungen.

Fazit

Eine adäquate Supportivtherapie ist essenziell für die Lebensqualität onkologischer Patienten. Die Kenntnis der Leitlinien ist dafür unverzichtbar. Bei hoch emetogener Chemotherapie bedeutet dies eine Dreifachtherapie mit Serotoninrezeptor-Antagonist, Dexamethason und Aprepitant bzw. Fosaprepitant. Sollte ein Risiko 20% für eine febrile Neutropenie vorliegen, muss eine Primärprophylaxe mit G-CSF begonnen werden.

Quelle

Prof. Dr. C. Witt, Berlin, Prof. Dr. D. Lüftner, Berlin, Prof. Dr. H. Link, Kaiserslautern; Satellitensymposium „Supportive Therapie: Den Therapieerfolg erleben?“, veranstaltet von Amgen Onkologie und MSD Oncology im Rahmen der Jahrestagung 2015 der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP), Berlin, 20. März 2015.

Literatur

1. Antiemetic Subcommittee of the multinational association of supportive care in cancer. www.mascc.org/antiemetic-guidelines.

2. Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und medizinische Onkologie. Onkopedia-Leitlinien. www.onkopedia.com/de/onkopedia/archive/guidelines/haematopoetische-wachstumsfaktoren/haematopoetische-wachstumsfaktoren-stand-aug-2009.

3. Drisya PM, et al. Recent updates in the management of chemotherapy induced nausea and vomiting. Asian Journal of Pharmaceutical and Clinical Research 2013;6(Suppl 4):5–10.

4. Jenkins V, et al. Patients’ and oncologists’ views on the treatment and care of advanced ovarian cancer in the U.K.: results from the ADVOCATE study. Br J Cancer 2013;108:2264–71.

5. Kuderer NM. Mortality, morbidity, and cost associated with febrile neutropenia in adult cancer patients. Cancer 2006;106:2258–66.

6. Lyman GH, et al. The impact of the granulocyte colony-stimulating factor on chemotherapy dose intensity and cancer survival: a systematic review and meta-analysis of randomized controlled trials. Ann Oncol 2013;24:2475-84.

7. Molassiotis A, et al. Analysis of aprepitant for prevention of chemotherapy-induced nausea and vomiting with moderately and highly emetogenic chemotherapy. Future Oncol 2013;9:1443–50.

Arzneimitteltherapie 2015; 33(05)