Hepatitis-B-Reaktivierung bei großzelligem B-Zell-Lymphom

Bessere Schutzwirkung mit Entecavir als mit Lamivudin


Dr. Barbara Ecker-Schlipf, Holzgerlingen

Eine Hepatitis-B-Virus(HBV)-Reaktivierung kann als schwerwiegende Komplikation unter einer Chemotherapie auftreten, insbesondere wenn Rituximab beteiligt ist. Prophylaktisch können Nukleosidanaloga wie Lamivudin oder Entecavir eingesetzt werden. Bei Patienten mit großzelligem B-Zell-Lymphom zeigte sich Entecavir hierfür signifikant besser geeignet als Lamivudin.

Die Komplikationen einer Hepatitis-B-Virus(HBV)-Reaktivierung nach einer Chemotherapie können von einer asymptomatischen Erhöhung der Aminotransferase bis hin zu einem fulminanten, lebensbedrohlichen Leberversagen reichen. Bei seropositiven Patienten für das Hepatitis-B-Oberflächenantigen, die sich einer Chemotherapie unterziehen, liegt die Häufigkeit für eine HBV-Reaktivierung zwischen 26% und 53%.

In den letzten Jahren wurde ein hoher Prozentsatz (8,5% bis 30,2%) an seropositiven Patienten für das Hepatitis-B-Oberflächenantigen und B-Zell-Non-Hodgkin-Lymphom (NHL) identifiziert. Häufigster NHL-Subtyp ist das großzellige B-Zell-Lymphom. Seit mehr als 25 Jahren wird es standardmäßig mit einer kombinierten Chemotherapie aus Cyclophosphamid, Doxorubicin, Vincristin und Prednison (CHOP) behandelt. Das klinische Ergebnis hat sich seit der Einführung von Rituximab deutlich verbessert. Als neue First-Line-Therapie wird heute überwiegend Rituximab plus CHOP (R-CHOP) eingesetzt. Dadurch ist aber auch das Risiko für eine HBV-Reaktivierung stark gestiegen.

Lamivudin, ein nukleosidischer Reverse-Transcriptase-Inhibitor (NRTI), wird am häufigsten zur Prävention einer durch Chemotherapie-induzierten HBV-Reaktivierung verwendet. Allerdings schränkt die große Häufigkeit Lamivudin-resistenter Mutationen die Langzeitwirksamkeit des Nukleosidanalogons stark ein. Eine Alternative könnte Entecavir (Baraclude®) sein, ein weiterer Vertreter aus der Gruppe der NRT-Inhibitoren.

Studienziel und -design

Ziel einer Phase-III-Studie war es, die Wirksamkeit einer prophylaktischen Gabe von Entecavir gegenüber Lamivudin bei unbehandelten, seropositiven Patienten für das Hepatitis-B-Oberflächenantigen mit diffusem B-Zell-Lymphom zu untersuchen, die sich einer R-CHOP-Chemotherapie unterzogen.

Durchgeführt wurde die multizentrische Studie zwischen Februar 2008 und Dezember 2012 an 121 Patienten über 18 Jahren aus zehn klinischen Zentren in China.

Die vorliegende Studie war eine Substudie einer größeren Studie, welche die Wirksamkeit einer dreiwöchigen R-CHOP-Chemotherapie mit einer zweiwöchigen bei unbehandeltem, diffusem großzelligem B-Zell-Lymphom verglich.

Die rekrutierten Probanden waren seropositiv für das HBV-Oberflächenantigen, hatten eine normale Leberfunktion, eine Serum-HBV-DNA-Viruslast von weniger als 103 Kopien/ml und waren zuvor nicht antiviral behandelt worden.

Sie wurden randomisiert in folgende zwei Studienarme eingeteilt:

  • Entecavir – täglich 0,5 mg (n=61)
  • Lamivudin – täglich 100 mg (n=60)

Die Medikation mit den NRT-Inhibitoren wurde eine Woche vor Beginn der R-CHOP-Chemotherapie gestartet und bis zu sechs Monate nach Abschluss der Chemotherapie fortgesetzt. Im Durchschnitt betrug das Follow-up 41 Monate.

Primärer Studienendpunkt war die Häufigkeit einer HBV-bezogenen Hepatitis. Zu den sekundären Endpunkten gehörten die HBV-Reaktivierung, eine Unterbrechung der Chemotherapie aufgrund von Hepatitis sowie therapiebedingte unerwünschte Ereignisse.

Studienergebnis

Eine laborchemische Hepatitis entwickelten 14 (23,3%) der Patienten in der Lamivudin-Gruppe, bei acht davon wurde eine HBV-bezogene Hepatitis diagnostiziert. Einer dieser Probanden starb an akutem Leberversagen. Bei sechs anderen Studienteilnehmern handelte es sich um eine Hepatitis, die sich auf die Wirkstoffe der Chemotherapie zurückführen ließ. Unter Entecavir trat bei fünf (8,2%) Patienten eine Hepatitis auf. Eine HBV-bezogene Hepatitis wurde im Entecavir-Arm jedoch nicht beobachtet. Alle fünf Fälle waren durch die Wirkstoffe der Chemotherapie bedingt.

Eine HBV-Reaktivierung erlitten 18 (30%) der Probanden unter Lamivudin gegenüber vier Patienten (6,6%) mit Entecavir. Bei den 18 mit Lamivudin behandelten Patienten trat die HBV-Reaktivierung durchschnittlich 5,7 Monate nach Beginn der Therapie auf. Alle zehn Probanden, bei denen sich eine HBV-Reaktivierung während der Chemotherapie zeigte, wurden auf eine modifizierte antivirale Therapie umgestellt. Unter Entecavir trat eine HBV-Reaktivierung im Schnitt 3,2 Monate nach Beginn der Chemotherapie auf.

Die therapiebezogenen unerwünschten Ereignisse fielen in beiden Studienarmen vergleichbar aus, besonders häufig kam es zu Übelkeit, Schwindel, Kopfschmerzen oder Ermüdung. Alle beobachteten Nebenwirkungen waren vom Schweregrad 1 oder 2, Nebenwirkungen vom Schweregrad 3 oder 4 kamen nicht vor.

Diskussion

In der vorliegenden Studie, durchgeführt an Patienten mit großzelligem B-Zell-Lymphom, war die Prophylaxe mit Entecavir im Vergleich zu Lamivudin mit einer signifikant niedrigeren HBV-Reaktivierung, HBV-bezogenen Hepatitis und einem selteneren Abbruch der Chemotherapie verknüpft. Die bessere Wirksamkeit von Entecavir lässt sich möglicherweise durch die hohe antivirale Aktivität des Wirkstoffs sowie die hohe genetische Barriere für eine Resistenzentwicklung erklären.

Die optimale Dauer der antiviralen Prophylaxe wurde in der vorliegenden Studie nicht untersucht. In vorhergehenden Studien wurde Lamivudin über ein bis zwölf Monate nach Beendigung der Chemotherapie verabreicht. Dabei zeigte sich, dass eine Hepatitis häufiger wieder „aufflackerte“, wenn die antivirale Therapie nach weniger als drei Monaten nach der Chemotherapie abgesetzt worden war. Richtlinien empfehlen inzwischen eine sechs- bis zwölfmonatige antivirale Behandlung nach der letzten Rituximab-Dosis.

Ausblick

Ziel künftiger Studien muss es sein, herauszufinden, welche HBV-seropositiven Patienten, die eine auf Rituximab gestützte immunsuppressive Therapie erhalten, am stärksten von Entecavir profitieren. Dies gilt insbesondere auch wegen dem höheren Preis von Entecavir im Vergleich zu Lamivudin.

Quelle

Huang H, et al. Entecavir vs. lamivudine for prevention of hepatitis B virus reactivation among patients with untreated diffuse large B-cell lymphoma receiving R-CHOP chemotherapy. JAMA 2014;312:2521–30.

Arzneimitteltherapie 2015; 33(07)