Dr. Marianne Schoppmeyer, Nordhorn
Cytisin ist ein pflanzliches Alkaloid aus dem Gemeinen Goldregen, das – wie Vareniclin (Champix®) – als partieller nicotinerger Acetylcholinrezeptor-Agonist am Rezeptor des Subtyps α4β2 wirkt. Dieser Rezeptor ist wahrscheinlich an der suchterzeugenden Wirkung des Nicotins beteiligt. In Osteuropa wird Cytisin bereits seit mehr als 50 Jahren zur Tabakentwöhnung eingesetzt, verschwand aber mit dem Beitritt vieler osteuropäischer Länder in die Europäische Union weitgehend vom Markt. Zurzeit wird es von einer polnischen Firma als Tabex® angeboten, ist in Deutschland allerdings nicht als Arzneimittel auf dem Markt.
Studien fehlen
Studien zur Wirksamkeit und Sicherheit von Cytisin entsprechen nicht den gängigen Standards klinischer Untersuchungen. Selbst präklinische Studien zur optimalen Dosierung der Substanz fehlen. Erst 2011 konnte in einer ersten großen Studie Cytisin eine im Vergleich zu Placebo gute Wirksamkeit nachgewiesen werden [1]. In einer weiteren Studie konnte diese gute Wirksamkeit nun bestätigt werden [2].
Studiendesign
1310 erwachsene Raucher, die bei einer neuseeländischen Raucher-Hotline den Wunsch geäußert hatten, das Rauchen aufzugeben, erhielten für 25 Tage Cytisin (n=655) oder für acht Wochen eine Nicotin-Ersatztherapie (n=655).
Die Teilnehmer der Cytisin-Gruppe wurden angewiesen, ihren Nicotin-Konsum so zu reduzieren, dass sie am Tag 5 nicht mehr rauchten. Parallel sollten sie Cytisin von 6 Tabletten/Tag auf 2 Tabletten/Tag nach einem festgelegten Schema innerhalb von 25 Tagen reduzieren.
Die Nicotin-Ersatztherapie wurde individuell von den Rauchstopp-Beratern festgelegt. Den Teilnehmern beider Gruppen wurde telefonische Unterstützung über die Raucher-Hotline angeboten (im Durchschnitt drei Telefonate von 10 bis 15 Minuten Dauer innerhalb von acht Wochen).
Primärer Endpunkt war die von den Studienteilnehmern mitgeteilte Abstinenz nach einem Monat.
Studienergebnisse
Nach einem Monat waren 40% der Teilnehmer der Cytisin-Gruppe (264 von 655) und 31% der Nicotin-Ersatztherapie-Gruppe (203 von 655) abstinent. Der Unterschied von 9,3 Prozentpunkten war statistisch signifikant (95%-Konfidenzintervall 4,2–14,5).
Auch nach zwei und sechs Monaten war die Abstinenz in der Cytisin-Gruppe signifikant höher als in der Nicotin-Ersatztherapie-Gruppe (31% vs. 22%, p<0,001 und 22% vs. 15%, p=0,002).
Allerdings zeigte eine Subgruppenanalyse, dass die Cytisin-Therapie nur bei Frauen erfolgreicher war. Bei den teilnehmenden Männern wurde keine Überlegenheit der Cytisin-Therapie zur Nicotin-Ersatztherapie festgestellt. In der Analyse weiterer Subgruppen wurden keine Unterschiede beobachtet.
Unerwünschte Ereignisse traten bei den Teilnehmern der Cytisin-Gruppe bei 31% (204 von 655) auf, bei den Teilnehmern der Nicotin-Ersatztherapie-Gruppe bei 20% (134 von 655). Häufigste unerwünschte Ereignisse waren Übelkeit, Erbrechen und Schlafstörungen. Abgebrochen wurde die Cytisin-Einnahme aufgrund unerwünschter Ereignisse von 5% der Teilnehmer [3].
Kommentar
Die Studie zeigt, dass Cytisin zu besseren Abstinenzraten als eine Nicotin-Ersatztherapie führen kann, bei wahrscheinlich höhere Nebenwirkungsrate.
In einem Kommentar [3] zur Studie weist Prof. Nancy Rigotti vom Tobacco Research and Treatment Center in Boston/USA darauf hin, dass in ihren Augen nicht die im Vergleich zu anderen Pharmakotherapien gute Wirksamkeit von Cytisin entscheidend für eine Markteinführung sei, sondern der niedrige Preis der Substanz. Unzählige Raucher weltweit würden von der vergleichsweise preisgünstigen Therapie profitieren. Sie fordert eine „kreative Zusammenarbeit“ aller Interessenvertreter, um einen Weg zu finden, diese Substanz mit ihrer unkonventionellen Geschichte für Patienten zugänglich zu machen.
Literatur
1. West R, et al. Placebo-controlled trial of cytisine for smoking cessation. N Engl J Med 2011;365:1193–200.
2. Walker N, et al. Cytisine versus nicotine for smoking cessation. N Engl J Med 2014;371:2353–62.
3. Rigotti NA. Cytisine – A tobacco treatment hiding in plain sight. N Engl J Med 2014;371:2429–30.
Arzneimitteltherapie 2015; 33(07)