Familiäre Hypercholesterolämie

Evolocumab senkt Cholesterolspiegel signifikant


Dr. Barbara Ecker-Schlipf, Holzgerlingen

Der monoklonale Antikörper Evolocumab konnte bei Patienten mit familiärer Hypercholesterolämie die LDL-Cholesterolkonzentration deutlich reduzieren, und zwar sowohl bei der häufig vorkommenden heterozygoten Krankheitsform als auch bei der selten auftretenden homozygoten Form. Dabei lag das Nebenwirkungsprofil von Evolocumab auf Placebo-Niveau.

Die familiäre Hypercholesterolämie wird durch Mutationen in Genen verursacht, die für Schlüsselproteine kodieren, die in den Metabolismus von LDL-Cholesterol involviert sind. Infolgedessen kommt es zu einer reduzierten zellulären Aufnahme von LDL-Cholesterol, erhöhten Plasma-LDL-Cholesterolkonzentrationen, früh einsetzender Atherosklerose sowie kardiovaskulären Erkrankungen, die wiederum mit einer verkürzten Lebenserwartung verknüpft sind. Betroffene Personen haben ein oder beide defekte Allele des LDL-Rezeptor-Gens geerbt. Inzwischen sind mehr als 1700 solcher Mutationen beschrieben. Besonders häufig kommt die heterozygote familiäre Hypercholesterolämie vor. Man schätzt, dass weltweit einer von 250 bis 300 Menschen von der heterozygoten Form betroffen ist. Das entspricht mehr als drei Millionen Menschen in Europa und den USA. Dagegen tritt die homozygote Form der familiären Hypercholesterolämie mit zwei mutierten Kopien mit schätzungsweise einem von 500000 Menschen nur sehr selten auf.

Obwohl heute insbesondere durch die HMG-CoA-Reductasehemmer ein größeres Spektrum an medikamentösen Behandlungsoptionen sowie die Lipidapherese zur Verfügung stehen, bleiben die Therapieerfolge bei der familiären Hypercholesterolämie häufig unbefriedigend. Große Hoffnungen richten sich derzeit auf die Inhibitoren des Enzyms Proproteinkonvertase Subtilisin/Kexin Typ 9 (PCSK9), das im Lipidstoffwechsel eine wichtige Rolle spielt.

Zu diesen PCSK9-Hemmern gehört der humane monoklonale Antikörper Evolocumab. Die Bindung von Evolocumab an PCSK9 wirkt dem Abbau von LDL-Rezeptoren entgegen, wodurch mehr LDL-Rezeptoren an der Zelloberfläche verfügbar sind und die LDL-Cholesterolkonzentration im Blut effektiv gesenkt wird.

Neue Erkenntnisse liefern zwei randomisierte, doppelblinde, Placebo-kontrollierte Multicenterstudien, die Rutherford-2- und die TESLA-Studie, in denen die Wirksamkeit und Sicherheit von Evolocumab bei der familiären Hypercholesterolämie untersucht wurden.

RUTHERFORD-2-Studie

Die Studie wurde zwischen Februar und Dezember 2013 in 39 auf Lipiderkrankungen spezialisierten klinischen Zentren in Australien, Asien, Europa, Neuseeland, Nordamerika und Südafrika durchgeführt. Rekrutiert wurden 331 Patienten zwischen 18 und 80 Jahren, die alle die klinischen Kriterien für eine heterozygote familiäre Hypercholesterolämie erfüllten. Sie waren seit mindestens vier Wochen mit einer stabilen Lipid-senkenden Therapie (darunter HMG-CoA-Reductasehemmer und teilweise zusätzlich Ezetimib) eingestellt und hatten eine LDL-Cholesterolkonzentration im Nüchternzustand von 2,6 mmol/l oder höher. Zur bestehenden Therapie erhielten die Patienten Evolocumab oder Placebo subkutan injiziert. Dafür wurden sie randomisiert im Verhältnis 2:2:1:1 in folgende vier Studienarme aufgeteilt:

  • Evolocumab, alle zwei Wochen 140 mg (n=111)
  • Evolocumab, monatlich 420 mg (n=110)
  • Placebo, alle zwei Wochen (n=55)
  • Placebo, monatlich (n=55)

Als primärer Studienendpunkt war die prozentuale Veränderung des LDL-Cholesterolwerts in Woche 12 gegenüber dem Ausgangswert definiert.

Studienergebnis

Im Vergleich zu Placebo konnte Evolocumab in beiden gewählten Studiendosierungen den mittleren LDL-Cholesterolspiegel zu Woche 12 signifikant senken: Mit der zweiwöchentlichen Verabreichung um 59,2% (95%-Konfidenzintervall [KI] 53,4–65,1) und der monatlichen um 61,3% (95%-KI 53,6–69,0; beide p<0,0001).

Das Mittel aus dem Wert zu Woche 10 und 12 ergab für die zweiwöchige Dosierung eine Reduktion um 60,2% (95%-KI 54,5–65,8) und 65,6% (95%-KI 59,8–71,3; ) bei der monatlichen Gabe (beide p<0,0001).

Evolocumab war gut verträglich, die Nebenwirkungsrate lag auf Placebo-Niveau. Zu den häufigsten unerwünschten Wirkungen unter Evolocumab zählten Nasopharyngitis (bei 19 Patienten gegenüber fünf unter Placebo) sowie Muskel-bezogene Nebenwirkungen (zehn Patienten versus einem).

TESLA-Studie

Die Studie wurde zwischen Februar 2013 und Januar 2014 an 17 Kliniken in zehn Ländern in Nordamerika, Europa, dem mittleren Osten und Südafrika mit 49 Patienten mit homozygoter familiärer Hypercholesterolämie mit einem mittleren Alter von 31 Jahren durchgeführt. Die Teilnehmer waren seit mindestens vier Wochen mit einer medikamentösen Lipid-regulierenden Therapie ohne Lipidapherese stabil eingestellt. Zusätzlich erhielten sie im Verhältnis 2:1 subkutan:

  • Evolocumab 420 mg (n=33) oder
  • Placebo (n=16)

Die Studienmedikationen wurden über zwölf Wochen alle vier Wochen verabreicht.

Primärer Endpunkt war die prozentuale Veränderung im LDL-Cholesterolwert nach zwölf Wochen im Vergleich zum Ausgangswert. Im Mittel lag der Ausgangs-LDL-Cholesterolwert der Teilnehmer bei 9 mmol/l.

92% der Patienten wiesen LDL-Rezeptormutationen auf. Erstmals wurden in dieser Studie auch Subgruppen mit unterschiedlichem LDL-Rezeptormutationsstatus untersucht.

Studienergebnis

Im Vergleich zu Placebo konnte Evolocumab im Gesamtkollektiv der mit dem PCSK9-Hemmer behandelten Patienten den LDL-Cholesterolwert um 30,9% senken (95%-KI 43,9%–18,0%; p<0,0001).

In der Gruppe der Patienten mit einem oder zwei defekten Allelen belief sich die LDL-Reduktion auf 40,8% (95%-KI 53,4–28,3; p<0,0001). Die Subgruppe mit zwei defekten Allelen profitierte deutlich stärker von der Evolocumab-Therapie als die Subgruppe mit nur einem defekten Allel (–46,9% versus –24,5%). In der Subgruppe der Rezeptor-negativen Patienten wurde erwartungsgemäß keine Wirkung des PCSK9-Hemmers auf das LDL-Cholesterol beobachtet.

Therapiebezogene Nebenwirkungen wurden bei zehn (63%) der 16 Patienten aus der Placebo-Gruppe und bei zwölf (36%) der 33 Patienten aus dem Evolocumab-Arm registriert. Allerdings traten keine schwerwiegenden Nebenwirkungen auf. Unter Evolocumab wurde am häufigsten über Infektionen der oberen Atemwege (drei Patienten, 9%) und grippeähnliche Symptome (drei Patienten, 9%) berichtet, in der Placebo-Gruppe am häufigsten über Erbrechen (zwei Patienten, 13%).

Fazit

Die beiden vorliegenden Studien, RUTHERFORD-2 und TESLA, durchgeführt sowohl mit Patienten mit heterozygoter als auch homozygoter familiärer Hypercholesterolämie, belegen eindrucksvoll die Wirksamkeit und Sicherheit des monoklonalen humanen Antikörpers Evolocumab bei der Reduktion der LDL-Cholesterolspiegel. Der PCSK9-Hemmer scheint den beiden zur homozygoten familiären Hypercholesterolämie zugelassenen Orphan-Drugs Mipomersen (inhibiert die Apolipoprotein-Synthese, nur in den USA zugelassen) und Lomitapid (inhibiert das mikrosomale Triglyceridtransferprotein) überlegen zu sein. Allerdings sollten für eine abschließende Bewertung des Nutzen/Risiko-Verhältnisses von Evolocumab noch die Ergebnisse von Langzeitstudien abgewartet werden.

Quellen

Raal FJ, et al. PCSK9 inhibition with evolocumab (AMG 145) in heterozygous familial hypercholesterolaemia (RUTHERFORD-2): a randomised, double-blind, placebo-controlled trial. Lancet published online October 2, 2014, doi: 10.1016/S0140-6736(14)61399-4 [Epub ahead of print].

Raal FJ, et al. Inhibition of PCSK9 with evolocumab in homozygous familial hypercholesterolaemia (TESLA Part B): a randomised, double blind, placebo-controlled trial. Lancet published online October 2, 2014, doi: 10.1016/S0140-6736(14)61374-X [Epub ahead of print].

Arzneimitteltherapie 2015; 33(07)