Koronare Herzkrankheit

Für Patienten ist die Symptomfreiheit wichtig


Reimund Freye, Baden-Baden

Auf dem Internistenkongress (DGIM) in Mannheim diskutierten Experten über den Einsatz von Ivabradin in Kombination mit einem Betablocker bei Patienten mit stabiler, aber noch symptomatischer koronarer Herzkrankheit. Das Symposium wurde von der Firma Servier veranstaltet. Im Gegensatz zu Patienten mit Herzinsuffizienz, wo eine Verbesserung der Prognose als auch der Symptomatik mit diesem Therapieregime nachgewiesen werden konnte, ist für die Gabe von Ivabradin bei KHK-Patienten lediglich eine Verbesserung der anginösen Beschwerden sowie der Lebensqualität belegt. Erörtert wurden ebenfalls die überraschenden Ergebnisse der SIGNIFY-Studie. Es wurden Erklärungen für deren Resultate sowie praktische Schlussfolgerungen gegeben.

Die stabile koronare Herzkrankheit (KHK) ist ein Krankheitsbild mit relativ guter Prognose. Rund 1,5% erleiden innerhalb eines Jahres einen Myokardinfarkt oder versterben [5, 6]. Zahlreiche Patienten sind jedoch symptomatisch, und dies trotz einer Intervention mit Stent, Bypass oder einer medikamentösen Therapie. So berichten unter einer Medikation immer noch knapp 60% der Patienten Beschwerden im Sinne einer Angina pectoris (Abb. 1) [4]. Zur Verbesserung der Lebensqualität ist daher eine antianginöse – mithin symptomatische – Therapie indiziert.

Abb. 1. ACVB: Aorto-Coronarer-Venen-Bypass; OMT: orale medikamentöse Therapie, PCI: perkutane Koronarintervention [4]

Wenn nach PCI noch Beschwerden vorhanden sind

Wenn ein Betablocker nicht ausreicht, die Angina-pectoris-Symtomatik zu beherrschen, kann bei Patienten im Sinusrhythmus ab einer Herzfrequenz >70 Schläge/min Ivabradin hinzugegeben werden. Dies führt bei der Kombination Atenolol plus Ivabradin bereits nach zwei Monaten zu einer signifikant höheren Belastungsdauer im Vergleich zu der Kombination des Betablockers mit Placebo (+15,5 s vs. +6,8 s; p=0,017; Baseline bei ca. 450 s; ). Nach vier Monaten weitet sich die Differenz zwischen dem Add-on von Ivabradin und Placebo noch aus (+24,3 s vs. +7,7 s; p<0,001) [7].

Auch fortbestehende Beschwerden nach perkutaner Koronarintervention können durch die duale Medikation versus Monotherapie mit einem Betablocker drastisch reduziert werden: von zwei Anfällen pro Woche auf weniger als 0,5 Angina-pectoris-Anfälle pro Woche nach vier Monaten. Die Gabe von Ivabradin macht sich zudem in einem erheblich verringerten Nitratverbrauch bemerkbar [8].

Beim Vergleich verschiedener Antianginosa kommen neueste Untersuchungen zu dem Ergebnis, dass Ivabradin auch gegenüber Ranolazin besser abschneidet. Untersucht wurden dabei 135 Patienten nach PCI/Stent-Implantation. Gemessen wurde der Anteil der Patienten, bei dem wiederkehrende wöchentliche Angina-Beschwerden innerhalb von 30 Tagen zu verzeichnen waren. In der Basistherapiegruppe (BT) waren dies 24,4%, unter Ranolazin 8,8% (p=0,04 vs. BT) und bei Ivabradin-Gabe 4,5% (p=0,007 vs. BT) [2].

Bei der Wahl des Antianginosums ist zu beachten, in welcher Ausgangslage sich der Patient befindet. Sind der Blutdruck und die Herzfrequenz niedrig, so ist es nicht sinnvoll bei niedrigem Blutdruck Nitrate oder bei niedriger Herzfrequenz Ivabradin einzusetzen.

Betablocker verbessern die Angina pectoris und verbessern die Prognose bei begleitender Herzinsuffizienz sowie bei Patienten nach Myokardinfarkt. Die Bedeutung bei KHK ohne Angina pectoris, Herzinsuffizienz oder Myokardinfarkt ist unklar [1].

Auch eine Gabe von Ivabradin zu einem Betablocker hatte in der SIGNIFY-Studie keinen Vorteil beim Überleben zur Folge. Untersucht wurden Patienten mit stabiler KHK ohne Herzinsuffizienz. In der Subgruppenanalyse gemäß Angina-Klassifizierung nach CCS (Canadian cardiovascular society) wurde in der Klasse II und höher sogar ein Nachteil für die Ivabradin-Gruppe in Hinsicht auf den primären Endpunkt (kardiovaskulärer Tod oder nichttödlicher Herzinfarkt) gefunden [3]. Zu erklären ist dies eventuell mit der möglichen Aufdosierung bis zu 2-mal 10 mg/Tag von Ivabradin, die hierzulande nicht zugelassen ist. Zudem wurden gleichzeitig Arzneimittel wie Verapamil verabreicht, die mit Ivabradin hinsichtlich der Metabolisierung wechselwirken.

EMA-Beurteilung von Ivabradin bei KHK

Die europäische Arzneimittelagentur (EMA) sieht dennoch insgesamt für den Einsatz von Ivabradin bei der chronischen stabilen Angina pectoris ein positives Nutzen-Risiko-Verhältnis. Indiziert ist die Gabe ab einer Herzfrequenz von 70 Schlägen/Minute oder darüber. Kontraindiziert ist die gleichzeitige Applikation von Verapamil oder Diltiazem. Es sollten regelmäßige EKG-Kontrollen stattfinden, mit Fokus auf die Herzfrequenz sowie Vorhofflimmern, und es darf maximal bis zweimal 7,5 mg/Tag aufdosiert werden. Unter diesen Voraussetzungen ist bei den Patienten mit einer höheren Belastbarkeit, der Reduktion der Angina-Beschwerden und einer Verbesserung der Lebensqualität zu rechnen.

Die Leitlinie KHK der European Society of Cardiology (ESC) empfiehlt für die Prognoseverbesserung eine Änderung des Lebensstils sowie eine Kontrolle der Risikofaktoren; medikamentös den Einsatz von Acetylsalicylsäure und HMG-CoA-Reductasehemmern (Statinen) und eventuell von Substanzen, die auf das Renin-Angiotensin-Aldosteron-System wirken. Die Symptomverbesserung ist – je nach Ausgangsprofil des Patienten – mit Betablockern oder Calciumkanalblockern, eventuell auch in Kombination, anzugehen. Hier kann in Kombination zum Betablocker Ivabradin hilfreich sein; weiterhin werden langwirksame Nitrate, Ranolazin und Nicorandil empfohlen.

Quelle

Prof. Dr. med. Carsten Tschöpe, Berlin; Satellitensymposium „Management von Herzpatienten: Eine Herausforderung für Arzt und Patient“, veranstaltet von Servier Deutschland GmbH im Rahmen des 125. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM), Mannheim, 18. April 2015.

Literatur

1. Bangalore S, et al. β-Blocker use and clinical outcomes in stable outpatients with and without coronary artery disease. JAMA 2012;308:1340–9.

2. Calcagno S, et al. Complete coronary revascularization in some clinical settings is not enough: comparison of ivabradine, ranolazine and standard medical therapy in term of efficacy and tolerability. A1668, JACC 2015;65(10S).

3. Fox K, et al. Ivabradine in stable coronary artery disease without clinical heart failure. N Engl J Med 2014;371:1091–9.

4. Hueb W, et al. Ten-year follow-up survival of the Medicine, Angioplasty, or Surgery Study (MASS II): a randomized controlled clinical trial of 3 therapeutic strategies for multivessel coronary artery disease. Circulation 2010;122:949–57.

5. Poole-Wilson PA, et al. Effect of long-acting nifedipine on mortality and cardiovascular morbidity in patients with stable angina requiring treatment (ACTION trial): randomised controlled trial. Lancet 2004;364:849–57.

6. Shepherd J, et al. Prevention of coronary heart disease with pravastatin in men with hypercholesterolemia. West of Scotland Coronary Prevention Study Group. N Engl J Med 1995;333:1301–7.

7. Tardif JC, et al. Efficacy of the I(f) current inhibitor ivabradine in patients with chronic stable angina receiving beta-blocker therapy: a 4-month, randomized, placebo-controlled trial. Eur Heart J 2009;30:540-8.

8. Werdan K, et al. PP130 – Ivabradine in combination with beta-blocker treatment reduces persisting angina symptoms and improves quality of life in patients with chronic stable angina after PCI. Herbsttagung DGK 2013, Poster PP130(4).

Arzneimitteltherapie 2015; 33(07)