Glykopeptide


Eine aktuelle Bewertung

Tanja Flaig und Ralf Stahlmann, Berlin

Mit den „neuen“ Glykopeptiden Telavancin, Dalbavancin und Oritavancin werden die therapeutischen Optionen bei Infektionen mit grampositiven Bakterien erweitert. Die neuen Wirkstoffe zeigen eine hohe antibakterielle Aktivität, die sich zum Teil auch auf Vancomycin-resistente Erreger erstreckt. Die lange Halbwertszeit von Dalba- und Oritavancin ermöglicht es, Haut- und Weichgewebeinfektionen mit einer einmal wöchentlichen beziehungsweise einmaligen Infusion zu behandeln. Als wesentliche Limitationen bei der Therapie können die Nephro- und Ototoxizität von Vancomycin, Teicoplanin und Telavancin betrachtet werden, die insbesondere bei bereits vorbelasteten Patienten ein erhebliches Risiko darstellen. Deshalb bleibt zu hoffen, dass mit zunehmender klinischer Anwendung und Erfahrung mit Dalba- und Oritavancin die bislang dokumentierten Verträglichkeitsvorteile dieser neuen Glykopeptide bestätigt werden können. Insgesamt lässt sich feststellen, dass die Reaktivierung dieser älteren Wirkstoffe aufgrund fortschreitender Resistenzentwicklungen und mangelnder Innovationen stattfindet. Folglich sind sie ein weiterer Hinweis für die „Antibiotikalücke“, welche durch die nachlassenden Anstrengungen der pharmazeutischen Industrie in diesem Bereich der Arzneimitteltherapie entstanden ist.
Arzneimitteltherapie 2015;33:233–41.

Entwicklung der Glykopeptide

Das erste Glykopeptid-Antibiotikum, Vancomycin, wurde bereits in den 1950er-Jahren als Stoffwechselprodukt eines Actinomyceten entdeckt und 1958, bei zunächst fehlenden Alternativen, rasch von der US Food and Drug Administration (FDA) als Arzneimittel zugelassen [15, 20]. Wegen Bedenken hinsichtlich der Verträglichkeit und Sicherheit des Wirkstoffs, aber auch aufgrund besser verträglicher Alternativen wie Methicillin, war der Gebrauch von Vancomycin zunächst eingeschränkt [15]. Dies änderte sich jedoch rasch mit der Erstbeschreibung Methicillin-resistenter Staphylococcus-aureus(MRSA)-Stämme nach 1961 [19]. Seit vielen Jahren gilt Vancomycin nun als Goldstandard bei der Behandlung insbesondere lebensbedrohlicher bakterieller Erkrankungen, verursacht durch MRSA und andere grampositive Bakterien [20]. Auch die orale Behandlung von Clostridium-difficile-assoziierten Diarrhöen ist seit Jahrzehnten eine wichtige Indikation von Vancomycin. Trotz der sich weltweit häufenden Beschreibungen zunehmender Vancomycin-Resistenzen [18] ist es nach wie vor ein Mittel der Wahl in diesen Situationen. Die Möglichkeit, der abnehmenden Empfindlichkeit der Erreger mit Dosissteigerungen zu begegnen, ist durch die Nephro- und Ototoxizität des Wirkstoffs limitiert, weshalb ein Bedarf an neuen, verträglicheren und wirksameren Alternativen besteht.

Teicoplanin, ebenfalls ein Glykopeptid-Antibiotikum, hat ein dem Vancomycin ähnliches Indikationsspektrum (Tab. 1) [25]. Es wurde 1988 in Europa zugelassen und wird heute in vielen anderen Ländern, ausgenommen den USA, als Alternative zu Vancomycin verwendet. Auch Teicoplanin wird von einem Mikroorganismus gebildet, unterscheidet sich jedoch in seiner chemischen Struktur von Vancomycin. Mithilfe lipophiler Seitenketten (C10-Acylrest) kann sich Teicoplanin in der bakteriellen Zellmembran verankern, wodurch auch einige Unterschiede im Resistenzmuster erklärt werden können. Außerdem scheint der Wirkstoff gleich effektiv zu sein bei besserer Verträglichkeit [26]. Wie die Ergebnisse einer großen Metaanalyse zeigen, treten unerwünschte Arzneimittelwirkungen unter Teicoplanin allgemein seltener auf als unter Vancomycin [26]. Insbesondere die Nephrotoxizität und das sogenannte „Red-Man-Syndrom“ sind weniger häufig zu beobachten.

Tab. 1. Übersicht über die wichtigsten Indikationen der Glykopeptide [7, 12, 17, 25, 27]

Indikation

Vancomycin

Teicoplanin

Telavancin

Dalbavancin

Oritavancin

Endokarditis

x

x

Komplizierte Haut- und Weichgewebeinfektionen

x

x

x

x

Osteomyelitis

x

x

Perioperative Prophylaxe in der Orthopädie/Gefäßchirurgie

x

Peritonitis

x

Pneumonie, nosokomial

x

x

x

Pneumonie, beatmungsassoziiert

x

Pseudomembranöse Enterokolitis

x

x

Sepsis

x

X = Hierfür zugelassen laut jeweiliger Fachinformation

Die „neuen“ Glykopeptide Telavancin, Oritavancin und Dalbavancin

Telavancin, Oritavancin und Dalbavancin sind halbsynthetische Glykopeptide, die sich von den ursprünglichen Wirkstoffen Vancomycin (Telavancin, Oritavancin) und Teicoplanin (Dalbavancin) ableiten. Aufgrund ihres lipophilen Substituenten, der ihnen hilft, sich besser in der Zellmembran der Bakterien zu verankern, werden sie auch als Lipoglykopeptide bezeichnet [6]. Telavancin wurde im September 2011 für die Behandlung nosokomialer Pneumonien, einschließlich beatmungsassoziierter Pneumonien, die bekanntlich oder vermutlich durch MRSA verursacht werden und nicht durch andere Antibiotika behandelbar sind, von der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) zugelassen [13]. Als eine der Zulassungsvoraussetzungen des Wirkstoffs in Europa wurde ein „Leitfaden für medizinisches Personal“ erstellt, der dazu dient, die mit dem Wirkstoff verbundenen Risiken Nephrotoxizität, QTc-Verlängerung und Reproduktionstoxizität zu minimieren. Auch vor dem Off-Label-Use von Telavancin wird in diesem Leitfaden gewarnt [5]. In einem Rote-Hand-Brief Anfang 2015 machte das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) die Angehörigen medizinischer Heilberufe auf Telavancin-assoziierte Risiken aufmerksam und verwies erneut auf den Leitfaden [4, 5]. Die europäischen Zulassungen von Dalbavancin und Oritavancin wurden im Dezember 2014 (Dalbavancin) und Januar 2015 (Oritavancin) durch den Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP=Committee for medicinal products for human use) der EMA für die Behandlung komplizierter Haut- und Weichgewebeinfektionen mit grampositiven Erregern empfohlen [8, 9]. In den USA sind Telavancin seit 2009, Dalba- und Oritavancin seit 2014 zugelassen [28]. Obwohl die Zulassung dieser Wirkstoffe sowohl in den USA als auch in Europa erst kürzlich erfolgte, liegt deren Erstbeschreibung einige Jahre zurück. Telavancin (TD-6424) wurde erstmals 2003 bekannt, der Entwicklungsbeginn von Dalbavancin (BI-397) und Oritavancin (LY333328) geht in die 90er-Jahre zurück. Die Zulassung eines Oritavancin-haltigen Präparats wurde allerdings 2009 aufgrund nicht ausreichender Daten zur therapeutischen Wirksamkeit und Reinheit des Produkts durch die EMA gestoppt.

Antibakterielle Wirkung und Resistenz

Allen Glykopeptiden gemein ist die Hemmung der Zellwandsynthese [22, 29]. Dies geschieht, anders als bei den Beta-Lactam-Antibiotika, nicht durch die direkte Hemmung von Enzymen, sondern durch Substratbindung. Mithilfe ihrer Heptapeptid-Grundstruktur binden Glykopeptide an die C-terminale Peptidstruktur D-Ala-D-Ala der Peptidoglykan-Vorstufen (Lipid II). Die daraus entstehenden Komplexe verhindern die durch die Enzyme Transglycosylase und Transpeptidase vermittelte Polymerisation und Quervernetzung der Peptidoglykanstränge, wodurch es zur Destabilisierung der bakteriellen Zellwand kommt [29]. Wie bereits erwähnt, verleiht die veränderte chemische Struktur den Lipoglykopeptiden zusätzliche Wirkungsmechanismen, die zu den Wirksamkeitsunterschieden bei Vancomycin-resistenten Stämmen beitragen können [29] (Abb. 1 und 2).

Abb. 1. Strukturformeln der Glykopeptid-Antibiotika [6]. Vancomycin und Teicoplanin sind natürlich vorkommende, strukturverwandte Glykopeptide. Es sind Heptapeptide mit einer relativ starren Raumstruktur durch kovalente Verbrückung der der phenolischen Seitenketten. Die Unterschiede zwischen Teicoplanin und Vancomycin sind durch rote Pfeile markiert. Bemerkenswert ist die lipophile Substitution im oberen Teil des Moleküls. Telavancin leitet sich direkt vom Vancomycin ab. Durch einen lipophilen Decylaminoethyl- und einen hydrophilen Phosphomethylaminomethyl-Substituenten bekommt das Molekül andere pharmakologische Eigenschaften. Auch Oritavancin besitzt große Ähnlichkeit mit Vancomycin. Ausgangspunkt der Entwicklung war jedoch das natürlich vorkommende Chloreremomycin, das anstelle des Aminozuckers Vancosamin zweimal ein 4-Epi-Vancosamin enthält, das an einer Stelle – ähnlich wie bei Telavancin – durch einen lipophilen Substituenten (Chlorbiphenylmethyl-Rest) substituiert ist. Dalbavancin weist Strukturähnlichkeit mit Teicoplanin auf, es leitet sich von dem natürlich vorkommenden Antibiotikum A40926 ab. Ebenso wie Teicoplanin ist es ein Komplex aus fünf nah verwandten Homologen, wobei die B0-Komponente den größten Anteil hat. Die Unterschiede zwischen Teicoplanin und Dalbavancin betreffen eine zusätzliche Carboxylgruppe und eine terminale Methylaminogruppe. Ein Chloratom ist an einer anderen Stelle positioniert, die lipophile Seitenkette ist länger und ein Acetylglukosaminrest fehlt.

Abb. 2. Wirkungsmechanismen der Glykopeptide nach [6] Vancomycin: schwache Dimerisierung, Blockade des Substrats (Lipid II); Teicoplanin: keine Dimerisierung, Verankerung in der Membran (C10-Acylrest); Dalbavancin: schwache Dimerisierung, Verankerung in der Membran (C12-Acylrest), auch bei VISA (Vancomycin-intermediär-resistente S. aureus-Stämme). Oritavancin: starke Dimerisierung, Verankerung in der Membran (4-Chlorbiphenylrest), auch bei VRSA mit verändertem Lipid II.

Es gibt verschiedene Mechanismen, durch die Bakterien Vancomycin-resistent werden können. Einer dieser Mechanismen ist die Verdickung der Zellwand, die dazu führt, dass das Antibiotikum seinen Wirkort nicht mehr erreichen kann. Beobachtet wird dieser Resistenzmechanismus beispielsweise bei den Vancomycin-intermediär-resistenten S. aureus-Stämmen (VISA), bei welchen Dalbavancin noch wirksam sein kann. Die lipophile Seitenkette führt durch Dimerisierung und bessere Membranverankerung zu einer erhöhten Bindungsaffinität an Lipid II, wodurch die Aktivität der Zellwand-synthetisierenden Enzyme gehemmt wird [29]. Auch die Aktivität von Telavancin in der Hemmung der Zellwandsynthese ist größer als die von Vancomycin [16, 30]. Neben Lipid II bindet es auch an die bakterielle Zellmembran und verändert wie Oritavancin die Permeabilität und das Potenzial der Membran. Hieraus resultiert eine schnelle bakterizide Wirkung [16, 30].

Neben der Verdickung der Zellwand stellt die Veränderung der bakteriellen Zielstruktur einen weiteren Resistenzmechanismus dar. Das Lipid II mit dem terminalen D-Ala-D-Ala-Rest wird hierbei so verändert, dass den meisten Glykopeptiden eine Bindung an diese Zellwandvorstufe nicht mehr möglich ist. Erreicht wird dies durch Veränderungen der endständigen Aminosäure in Lipid II. Das D-Alanin in Lipid II wird beispielsweise in D-Lactat (VanA-, VanB-, VanD-Stämme), oder in D-Serin (VanC, VanE, VanL) umgewandelt, mit dem Resultat der bekannten, hochresistenten Stämme VRE (Vancomycin-resistente Enterokokken) und VRSA (Vancomycin-resistente S. aureus). Vermittelt werden diese Resistenzen durch Gene (vanA), die primär in Enterokokken nachgewiesen werden und bei S. aureus zurzeit noch selten sind.

Anders als die restlichen Glykopeptide ist Oritavancin auch bei diesen hochresistenten Stämmen noch wirksam, da es auch in der Lage ist, an Depsipeptide wie D-Ala-D-Lac zu binden [29]. Durch die Bildung von Homodimeren vor der Bindung an die jeweilige Zielstruktur wird die Bindungsaffinität von Oritavancin erhöht, woraus eine erleichterte Hemmung der Zellwandsynthese resultiert [1, 21]. Auch die Störung der Membranfunktion spielt eine Rolle für die Bakterizidie des Wirkstoffs [2, 21].

Zwischenfazit

Glykopeptide hemmen die Zellwandsynthese, indem sie an deren Substrate (Lipid II) binden. Abhängig von ihrer Lipophilie und ihren Bindungseigenschaften können einzelne Glykopeptide auch bei einer Vancomycin-Resistenz noch wirksam sein.

Pharmakokinetische Eigenschaften

Glykopeptid-Antibiotika werden nach oraler Gabe schlecht resorbiert und deshalb meist parenteral verabreicht. Eine Ausnahme bilden intestinale Infektionen mit Clostridium difficile, bei denen die orale Gabe von Vancomycin und Teicoplanin sinnvoll ist, um hohe Konzentrationen am Ort der Infektion zu erreichen. Die Plasmaproteinbindung ist bei allen „neueren“ Glykopeptiden höher als bei Vancomycin (55%) (Tab. 2), und reicht von 85% (Oritavancin) bis 93% (Dalbavancin). Ein wesentlicher Unterschied besteht in der Eliminationsgeschwindigkeit der Wirkstoffe, die zu der Empfehlung unterschiedlicher Dosierintervalle führen (Tab. 2). Während Vancomycin aufgrund der kurzen Halbwertszeit von sechs Stunden zweimal täglich verabreicht werden muss, genügen bei den anderen Wirkstoffen eine einmal tägliche (Teicoplanin, Telavancin) bzw. eine einmal wöchentliche (Dalbavancin) Infusion. Für Oritavancin ist aufgrund der sehr langen Halbwertszeit eine einmalige Infusion ausreichend, wie die klinischen Studien bei Haut- und Weichgewebeinfektionen gezeigt haben [7, 12, 17, 25, 27]. Die Standarddosierungen sind in Tabelle 2 dargestellt.

Tab. 2. Übersicht über ausgewählte pharmakokinetische Eigenschaften der Glykopeptide [7, 12, 14, 17, 23, 25, 27]

Antibiotikum

Handelsname

Europa

(Erstzulassung)

Handelsname

USA

(Erstzulassung)

Elimination

Eliminationshalbwertszeit [h]

Protein-bindung [%]

Dosierung

Vancomycin

Diverse Generika

Diverse Generika

(FDA: 1958)

Überwiegend unverändert renal (95%)

4–6 (–11)

55

Infusion (mindestens 60 min):

2×tgl. 1,0 g

Teicoplanin

Targocid

(1988)

(In den USA nicht im Handel)

Überwiegend unverändert renal (70%)

100–170

88–91

Infusion (30 min):

initial: 2 x tgl. 6–12 mg/kg, dann 1×tgl. (auch i.m. möglich)

Telavancin

Vibativ

(EMA: 9/2011)

Vibativ

(FDA: 11/2009)

Überwiegend unverändert renal (76%)

8

90

Infusion (60 min):

1×tgl. 10 mg/kg

Dalbavancin

Xydalba

(EMA: 12/2014)

Dalvance

(FDA: 5/2014)

Überwiegend unverändert renal (33%; 20% biliär)

346

93

Infusion (30 min):
1×1,0 g i.v., nach einer Woche
1×0,5 g i.v.

Oritavancin

Orbactiv

(EMA: 1/2015)

Orbactiv

(FDA: 6/2014)

Überwiegend unverändert renal

245

85

Infusion (180 min):

1×1,2 g

Anders als bei Dalbavancin findet der Abbau von Telavancin über zahlreiche Cytochrom-P450(CYP)-Enzyme, darunter auch CYP3A4, statt [7]. Während für Telavancin bisher jedoch keine Interaktionen mit Inhibitoren oder Induktoren dieser Enzyme gezeigt wurden, scheint Oritavancin ein schwacher Inhibitor und Induktor einiger CYP-Enzyme zu sein (Tab. 3) [27]. Trotz abzuwartender klinischer Relevanz potenzieller pharmakokinetischer Interaktionen sollten die Plasmaspiegel von Arzneimitteln mit geringer therapeutischer Breite bei gleichzeitiger Verabreichung mit Oritavancin im Auge behalten werden, da klinisch relevante Veränderungen der Plasmaspiegel nicht auszuschließen sind [27]. Weitere Wechselwirkungen der Glykopeptide (auch pharmakodynamischer Art) sind in Tabelle 3 zusammengefasst.

Tab. 3. Übersicht über mögliche pharmakodynamische und pharmakokinetische Interaktionen der Glykopeptide [7, 12, 17, 25, 27]

Antibiotikum

Cytochrom-P450 (CYP)

Interaktionen

Vancomycin

  • Bisher kein Anhaltspunkt für Beeinflussung der CYP-Enzyme
  • Gleichzeitige Anwendung mit anderen nephro-/ototoxischen Arzneimitteln verstärkt die Nephro-/Ototoxizität
  • Gleichzeitige Verabreichung von Vancomycin und Narkotika kann zu häufigeren Infusionsreaktionen durch Vancomycin führen
  • Bei gleichzeitiger Verabreichung mit Muskelrelaxanzien kann die neuromuskuläre Blockade verstärkt werden

Teicoplanin

  • Bisher kein Anhaltspunkt für Beeinflussung der CYP-Enzyme
  • Teicoplanin- und Aminoglykosid-Lösungen sind inkompatibel und dürfen für eine Injektionslösung nicht miteinander gemischt werden
  • Nur unter Vorsicht gleichzeitig mit nephro-/ototoxischen Arzneimitteln anwenden, auch wenn kein synergistischer Effekt nachgewiesen werden konnte

Telavancin

  • Bisher kein Anhaltspunkt für Beeinflussung der CYP-Enzyme
  • Abbau über zahlreiche CYP-Enzyme (CYP1A1, 1A2, 2B6, 2C18, 2C19, 2D6, 2E1, 2J2, 3A4, 3A5 und 4F12) à Interaktionen mit Inhibitoren oder Induktoren des CYP450-Systems werden nicht erwartet
  • Kann das Ergebnis von INR, aPTT, ACT und Faktor-Xa-aktivierte ACT beeinflussen (à Blutproben möglichst vor der Verabreichung der nächsten Telavancin-Dosis abnehmen)
  • Beeinflussung der qualitativen Eiweißbestimmung im Harn mittels Teststreifen sowie quantitativer Farbtests

Dalbavancin

  • In-vitro-Studien weisen darauf hin, dass Dalbavancin weder ein Substrat, noch ein Inhibitor oder Induktor von CYP-Enzymen ist
  • Ergebnisse bisheriger In-vitro-Studien: kein Hinweis auf CYP-Enzym-bedingte Interaktionen
  • Keine bekannt

Oritavancin

  • Schwacher Inhibitor von CYP2C9 und CYP2C19 (in vivo getestet) sowie von CYP1A2, 2B6, 2D6 und CYP3A4 (in vitro getestet)
  • Schwacher Induktor von CYP3A4 und CYP2D6 (Ergebnis einer In-vivo-Studie)

à Anwendung von Arzneimitteln mit geringer therapeutischer Breite (z.B. Phenprocoumon), die Substrate dieser Enzyme sind, nur unter Vorsicht, da sich deren Plasmaspiegel durch die gleichzeitige Verabreichung von Oritavancin möglicherweise verändern können

  • Durch Oritavancin kann das Ergebnis von Gerinnungstests verfälscht werden (Verlängerung der aPTT für 48 h, der INR für 24 h)

CYP: Cytochrom-P450; INR: International normalized ratio; aPTT: aktivierte partielle Thromboplastinzeit; ACT: aktivierte Gerinnungszeit

Aktivität in vitro

Tabelle 4 zeigt die In-vitro-Aktivitäten von Vancomycin, Tela-, Dalba- und Oritavancin gegen grampositive Erreger, wobei alle aufgeführten minimalen Hemmkonzentrationen (MHK) nach den Laborstandards des Clinical and Laboratory Standards Institute ermittelt wurden [29].

Tab. 4. MHK90-Werte von Vancomycin, Telavancin, Dalbavancin und Oritavancin gegen grampositive Erreger [mod. nach 29]

Bakterium

Vancomycin

Telavancin

Dalbavancin

Oritavancin

MHK90 [mg/l]

MHK90 [mg/l]

MHK90 [mg/l]

MHK90 [mg/l]

S. aureus (MS)

1

0,5

0,06

0,12

S. aureus (MR)

2

0,5

0,06

0,25

S. epidermidis (MS)

2

1

0,06

0,5

S. epidermidis (MR)

4

1

0,06

0,5

S. pyogenes (Gruppe A)

1

0,06

0,03

0,25

S. agalactiae (Gruppe B)

0,5

0,06

0,12

0,12

Andere β-hämolytische
Streptokokken

0,5

0,06

0,06

0,5

S. pneumoniae (PS)

0,5

0,03

0,03

0,004

S. pneumoniae (PI)

1

0,03

0,03

0,008

S. pneumoniae (PR)

0,5

0,03

0,03

0,008

E. faecalis (VS)

2

0,5

0,06

0,06

E. faecalis (VR)

512

8

32

1

E. faecium (VS)

1

0,25

0,12

0,015

E. faecium (VR)

512

4

32

0,25

E. faecium (VanA)

512

8

32

0,25

E. faecium (VanB)

64

2

0,12

0,03

Clostridium spp.

1

0,25

2

1

MHK: minimale Hemmkonzentration; MR: Methicillin-resistent; MS: Methicillin-sensibel; PI: Penicillin-intermediär; PR: Penicillin-resistent; PS: Penicillin-sensibel; VR: Vancomycin-resistent; VS: Vancomycin-sensibel

Wie Tabelle 4 zu entnehmen ist, besitzen Tela-, Dalba- und Oritavancin eine hohe In-vitro-Aktivität gegen S. aureus und S. epidermidis. Alle drei semisynthetischen Lipoglykopeptide sind außerdem wirksam gegen Streptococcus spp. und Vancomycin-sensible Enterokokken. Wie auch bei Vancomycin und Teicoplanin ist ihr Wirkspektrum jedoch weiterhin auf grampositive Erreger beschränkt [29].

Telavancin zeigt eine gute Aktivität gegen MSSA (Methicillin-sensibler S. aureus), MRSA, MSSE (Methicillin-sensible S. epidermidis) und MRSE (Methicillin-resistente S. epidermidis) (Tab. 4). Bei erhaltener Wirksamkeit gegen VISA (MHK90=1 mg/l), ist die Wirkung des Telavancins auf VRSA (MHK90=4 mg/l) eingeschränkt [29]. Wie auch Oritavancin und Dalbavancin zeigt der Wirkstoff durchweg niedrige MHK für S. pneumoniae, ohne Unterschiede in den MHK für Penicillin-sensible, intermediär-resistente und resistente Stämme. Während Telavancin gegen Enterokokken im Allgemeinen wirksam ist, zeigt es nur geringe (VanA) bzw. moderate (VanB) Aktivitäten gegen VRE [29]. Für Clostridium spp. hat es die niedrigsten MHK aller Lipoglykopeptide [29].

Dalbavancin ist bei klinisch bedeutsamen Erregern wie MSSA, MRSA, MSSE, MRSE und Enterokokken gut wirksam, zeigt jedoch keine Aktivität gegen VanA-Enterokokken [29]. Die MHK von Dalbavancin für Staphylococcus spp. sind wesentlich niedriger als die von Vancomycin. Dalbavancin zeigt gegen VISA (MHK90=2 mg/l) eine mäßige, gegen VRSA eine schlechte Aktivität. Gut wirksam ist es jedoch gegen S. pneumoniae (MHK90=0,03 mg/l) [29]. Gegen Clostridium spp. zeigt es eine mit Vancomycin vergleichbare In-vitro-Aktivität (MHK90=2 mg/l) [29].

Oritavancin. Ähnlich wie Dalbavancin ist auch Oritavancin gut wirksam gegen MSSA, MRSA, MSSE, MRSE und VISA, anders als dieses jedoch auch gegen VRSA [29]. Im Vergleich mit anderen Lipoglykopeptiden hat es die geringste MHK für S. pneumoniae, inklusive der Penicillin-resistenten Stämme. Im Gegensatz zu Dalba- und Telavancin ist es noch wirksam gegen VanA-VRE. Oritavancin hat eine mit Vancomycin vergleichbare In-vitro-Aktivität gegen Clostridium spp., aber eine ansonsten niedrigere MHK für alle klinisch relevanten grampositiven Erreger (Tab. 4) [29].

Verträglichkeit

Zu den therapeutischen Risiken einer Behandlung mit Vancomycin und Teicoplanin gehören vor allem die Nephro- und Ototoxizität, die besonders bei der Verwendung höherer Dosierungen sowie bei gleichzeitiger Behandlung mit anderen nephro- und ototoxischen Wirkstoffen auftreten [17, 25] (Tab. 5). Auch Telavancin ist nephrotoxisch. In klinischen Studien hatten Patienten mit bereits bestehendem akutem Nierenversagen, die Telavancin erhielten, sogar ein höheres Mortalitätsrisiko als Patienten mit Vancomycin-Therapie [5]. Auch die Gesamtsterblichkeit war unter Telavancin (44%) deutlich höher als unter Vancomycin-Therapie (25%). Renale unerwünschte Arzneimittelwirkungen traten in den zusammengefasst ausgewerteten klinischen Studien (nosokomiale Pneumonien und komplizierte Haut- und Weichgewebeinfektionen) unter Telavancin mit 3,8% insgesamt häufiger auf als unter Vancomycin (2,2%) [5]. Auch Ototoxizität wurde beobachtet [7]. Aufgrund der gelegentlich unter Telavancin festgestellten Verlängerung der QTc-Zeit sollte von einer Therapie mit weiteren, potenziell die QTc-Zeit verlängernden Arzneimitteln (wie Amiodaron, Makrolide, Chinolone, einige Psychopharmaka) abgesehen werden. Dies gilt ebenso für Patientengruppen mit bereits erhöhtem Risiko für QTc-Zeit-Verlängerungen [5], wie Patienten mit Herzerkrankungen (primäres Long-QT-Syndrom, Herzinsuffizienz) und Elektrolytstörungen (Hypokali-/kalzi-/magnesiämie). Um die Risiken einer Therapie mit diesem Antibiotikum zu minimieren, sollten die eingangs erwähnten Hinweise in dem „Rote Hand Brief“ und dem „Leitfaden für medizinisches Personal“ konsequent beachtet werden.

Tab. 5. Typische unerwünschte Arzneimittelwirkungen (UAW) der Glykopeptide [7, 12, 17, 25, 27]

UAW

Vancomycin

Teicoplanin

Telavancin

Dalbavancin

Oritavancin

Überempfindlichkeit/

Anaphylaktische Reaktionen

x

x

x

x

x

Gastrointestinal

(Übelkeit, Erbrechen, Diarrhö)

x

x

x

x

x

Schwere Hautreaktionen (z.B. Stevens-Johnson-Syndrom)

x

x

x

Juckreiz

x

x

x

x

x

Lokale Reaktionen an der Einstichstelle

x

x

x

x

x

Red-Neck-/Red-Man-Syndrom

x

x

x

x

Nephrotoxizität

x

x

x

Ototoxizität

x

x

x

Pseudomembranöse Kolitis

x

x

x

x

x

QTc-Zeit-Verlängerung

x

X: Unerwünschte Arzneimittelwirkung laut jeweiliger Fachinformation

Das Spektrum der unerwünschten Arzneimittelwirkungen der beiden anderen halbsynthetischen Wirkstoffe Dalbavancin und Oritavancin unterscheidet sich von dem des Telavancins. Die für diese beiden Wirkstoffe in klinischen Studien am häufigsten beobachteten Nebenwirkungen waren leichte gastrointestinale Reaktionen (Übelkeit, Erbrechen, Diarrhö) sowie unspezifische ZNS-Symptome (Kopfschmerzen und Schwindel). Nephrotoxizität, Ototoxizität oder QTc-Zeit Verlängerungen wurden für Dalba- und Oritavancin bisher nicht beschrieben [12, 27]. Allerdings muss bedacht werden, dass die Anzahl der Patienten im Rahmen der klinischen Prüfung nicht ausreicht, um eine Aussage zu sehr selten auftretenden Nebenwirkungen machen zu können. Deshalb wird erst die zunehmende klinische Erfahrung mit den Wirkstoffen zeigen können, wie verträglich sie in dieser Hinsicht sind. Weitere Details zu den bisher bekannten unerwünschten Arzneimittelwirkungen sind in Tabelle 5 zusammengefasst.

Schwangerschaft und Stillzeit

Für keinen der hier vorgestellten Wirkstoffe liegen ausreichende Untersuchungen am Menschen vor, um zuverlässige Aussagen über die Anwendung in der Schwangerschaft und Stillzeit zu treffen. Während es bei Vancomycin und Oritavancin laut Hersteller in Tierexperimenten keine Hinweise auf fetale Schäden gab, wurden unter Teicoplanin, Telavancin und Dalbavancin insbesondere in höheren Dosen reproduktionstoxische Wirkungen beobachtet. Nach Angaben in den jeweiligen Fachinformationen ist die Anwendung von Telavancin in der Schwangerschaft kontraindiziert – Vancomycin, Teicoplanin und Dalbavancin sollten nur nach sorgfältiger Nutzen-Risiko-Abwägung und bei Fehlen verträglicherer Alternativen eingesetzt werden [12, 17, 25]. Die orale Gabe von Vancomycin bei pseudomembranöser Enterokolitis erscheint wegen der minimalen enteralen Resorption akzeptabel. Weder für Teicoplanin noch für Telavancin wurden vor der Zulassung Experimente zur Muttermilchgängigkeit durchgeführt. In Tierexperimenten waren Vancomycin, Dalbavancin und Oritavancin muttermilchgängig. Aus den Erfahrungen mit Vancomyin ist bekannt, dass es bei Übertritt des Wirkstoffs in die Muttermilch zu Schädigungen der Darmflora des Säuglings sowie zu einer möglichen Sensibilisierung kommen kann [17], weshalb auch die Einnahme der anderen Glykopeptide während der Stillzeit nur bei Fehlen verträglicherer Alternativen und nach sorgfältiger Nutzen-Risiko-Abwägung erfolgen sollte.

Zwischenfazit

Vancomycin, Telavancin und Teicoplanin besitzen nephro- und ototoxisches Potenzial. Die Verlängerung der QTc-Zeit unter Telavancin muss beachtet werden. Nephrotoxizität, Ototoxizität oder QTc-Zeit-Verlängerung wurden bisher weder für Dalba- noch für Oritavancin beschrieben.

Telavancin ist in der Schwangerschaft kontraindiziert; Vancomycin, Teicoplanin und Dalbavancin sollten nur nach sorgfältiger Nutzen-Risiko-Abwägung eingesetzt werden.

Klinische Studien

Telavancin

In zwei doppelblinden Studien (ATTAIN, Assessment of telavancin for treatment of hospital-acquired pneumonia) wurden die Effektivität und Verträglichkeit von Telavancin mit Vancomycin bei der Behandlung durch grampositive Erreger (insbesondere MRSA) verursachter nosokomialer Pneumonien verglichen [24].

Für 7 bis 21 Tage erhielten die 1503 in die Studie aufgenommenen Patienten alle 24 Stunden eine intravenöse Infusion mit 10 mg/kg Telavancin oder Vancomycin (1 g alle 12 Stunden i.v.).

Der primäre Endpunkt der Studien, das klinische Ansprechen 7 bis 14 Tage nach Therapieende, stellte sich als vergleichbar für die mit Telavancin und Vancomycin behandelten Patienten (58,9% und 59,5%; 95%-KI –5,6 bis 4,3) heraus. Während Telavancin höhere Heilungsraten bei monomikrobiellen Infektionen durch S. aureus zeigte (84,2% vs. 74,3%; 95%-KI 0,7 bis 19,1), schnitt Vancomyin, wenn auch statistisch nicht signifikant, besser bei der Behandlung von Infektionen mit gemischter Ätiologie ab (66,2% vs. 79,4%; 95%-KI –26,9 bis 3,2) [24].

Die Inzidenz unerwünschter Ereignisse war insgesamt vergleichbar zwischen den beiden Gruppen, jedoch wurden unter Telavancin häufiger schwere unerwünschte Ereignisse und therapiebedingte Nebenwirkungen, die zum Absetzen der Studienmedikation führten, beobachtet (31% vs. 26% und 8% vs. 5%). Auch der Anstieg des Serumcreatinins war unter Telavancin-Therapie häufiger (16% vs. 10%). Die insgesamt häufigsten Gründe für das Absetzen der Studienmedikation waren akutes Nierenversagen in der Telavancin- (1,2%) und septischer Schock in der Vancomycin-Gruppe (0,7%).

Die Mortalität im Telavancin-Arm betrug in den beiden Vergleichsstudien jeweils 21,5% und 18,5%, im Vancomycin-Arm 16,6% und 20,6% (95%-KI –0,7 bis 10,6 sowie –7,8 bis 3,5) und war somit insgesamt vergleichbar [24].

Dalbavancin

In zwei multizentrischen doppelblinden Studien wurden die Wirksamkeit und Verträglichkeit von Dalbavancin und Vancomycin bei der Behandlung schwerer Haut- und Weichgewebeinfektionen verglichen (DISCOVER1 und DISCOVER2, Dalbavancin for infections of the skin compared to vancomycin at an early response) [3].

Hierfür erhielten 659 Patienten Dalbavancin in einer Dosierung von 1 g als eine 30-minütige Infusion an Tag 1 und 500 mg als weitere Infusion an Tag 8. Vancomycin wurde in der üblichen Dosis von 1 g zweimal täglich über zwei Stunden infundiert, wobei die Möglichkeit bestand, zu einer oralen Weiterbehandlung mit Linezolid (600 mg zweimal täglich) zu wechseln.

Der primäre Endpunkt war das frühe klinische Ansprechen auf die Therapie (Rückgang des Infektions-assoziierten Erythems und Körpertemperatur unter 37,6°C zu drei aufeinanderfolgenden Messzeitpunkten), gemessen 48 bis 72 Stunden nach Therapiebeginn.

79,7% der Patienten im Dalbavancin-Arm wiesen einen frühen Therapieerfolg auf im Vergleich zu 79,8% in der Vancomycin-Linezolid-Gruppe (95%-KI –4,5 bis 4,2). Bei Patienten, die aufgrund einer S.-aureus-Infektion, einschließlich MRSA, behandelt wurden, waren die Erfolgsraten in beiden Gruppen deutlich höher (93,8% vs. 90,6%) [3].

Insgesamt wurden unerwünschte Arzneimittelwirkungen häufiger im Vancomycin-Linezolid-Arm beobachtet. Bei 2,6% der Patienten in der Dalbavancin- und 4% der Patienten in der Vergleichsgruppe wurden ernsthafte Unverträglichkeitsreaktionen registriert (p=0,16). Es verstarben ein Patient im Dalbavancin-Arm und sieben Patienten in der Vancomycin-Gruppe (p=0,03) [3].

Oritavancin

In einer doppelblinden Studie (SOLO I) wurde Oritavancin mit Vancomycin für die Behandlung schwerer bakterieller Haut- und Weichgewebeinfektionen verglichen [11]. Hierfür erhielten jeweils fast 500 Patienten eine einmalige intravenöse Kurzinfusion von 1200 mg Oritavancin oder zweimal täglich 1 g bzw. 15 mg/kg Körpergewicht Vancomycin alle 12 Stunden für 7 bis 10 Tage.

Der kombinierte primäre Endpunkt in dieser Studie wurde definiert als Stopp der Läsionsausbreitung oder Reduktion der Wundgröße, Abwesenheit von Fieber und fehlende Notwendigkeit einer Notfallmedikation innerhalb von 48 bis 72 Stunden nach Oritavancin-Verabreichung.

Eine erfolgreiche Therapie wurde bei 82,3% der Patienten im Oritavancin-Arm gegenüber 78,9% im Vancomycin-Arm verzeichnet (95%-KI –1,6 bis 8,4). Die Ergebnisse des sekundären Endpunkts Heilung nach Urteil eines Studienarztes 7 bis 14 Tage nach Abschluss der Vancomycin-Behandlung waren ebenfalls günstig mit 79,6% im Oritavancin-Arm und 80% unter Vancomycin (95%-KI –5,5 bis 4,7). Es wurden in beiden Behandlungsgruppen vergleichbare therapeutische Effekte bei Infektionen durch MRSA, Streptokokken und Enterokokken registriert.

Schwere unerwünschte Ereignisse traten bei 7,4% der Behandelten im Oritavancin-Arm auf, verglichen mit 7,3% im Vancomycin-Arm. Ein Patient in der Oritavancin- und zwei Patienten in der Vancomycin-Gruppe verstarben [11].

Die Ergebnisse der analog zur SOLO-I- konzipierten SOLO-II-Studie waren hinsichtlich der Effektivität und Verträglichkeit von Oritavancin vergleichbar mit den Resultaten von SOLO I [10]. Unterschiede zwischen den beiden Studien waren die insgesamt größere Anzahl an Probanden in SOLO II sowie der höhere Anteil osteuropäischer (2,9% in SOLO I vs. 18,2% in SOLO II) und die niedrigeren Anteile nordamerikanischer (56%) und indischer (23%) Patienten. Anders als in SOLO I zeigten weniger Patienten mit Streptokokken-Infektion, Diabetes mellitus oder subkutanen Abszessen unter Oritavancin (im Vergleich zu Vancomycin) ein frühes klinisches Ansprechen [10].

Zwischenfazit

Aus den Ergebnissen dieser großen klinischen Studien lässt sich ableiten, dass Tela-, Dalba- und Oritavancin wirksame Alternativen zu Vancomycin für die jeweils zugelassenen Indikationen (Tab. 1) darstellen. Größere Vergleichsstudien mit Teicoplanin fehlen, was vergleichende Aussagen zwischen diesem und den neuen Glykopeptiden leider erschwert.

Fazit

Die Entwicklung der Glykopeptide stellte über Jahrzehnte einen Balanceakt zwischen verbesserter Wirksamkeit und reduzierter Toxizität dar. Sie verlief keineswegs immer gradlinig. Mit den drei „neuen“ Präparaten stehen nun aber für den Kliniker interessante Alternativen zum Vancomycin und Teicoplanin zur Verfügung. Die unterschiedlichen Indikationen müssen beachtet werden. Während die „Klassiker“ breit anwendbar sind, bestehen für die neuen Wirkstoffe enge Zulassungsgrenzen. Dies ist zum Teil durch die im Laufe der Jahrzehnte veränderten Gegebenheiten für die Zulassung von Arzneimitteln bedingt. Weitere klinische Erfahrungen sind notwendig, um klare Aussagen zum Stellenwert der neuen Antibiotika im Vergleich zu den bereits seit langem bekannten Wirkstoffen zu treffen. Zum Beispiel stellt sich die Frage nach dem Risiko für seltene Hypersensitivitätsreaktionen bei Anwendung der lang wirksamen Glykopeptide. Da bisher entsprechende Fallberichte aber nicht bekannt geworden sind, ermöglichen die langwirksamen Antibiotika Dalbavancin und Oritavancin attraktive Möglichkeiten der einmal wöchentlichen oder sogar einmaligen Verabreichung bei komplizierten Haut- und Weichgewebeinfektionen. Telavancin stellt eine der wenigen verfügbaren Alternativen bei schweren, nosokomial erworbenen Pneumonien dar, die toxischen Risiken schränken die Möglichkeiten allerdings ein.

Interessenkonflikterklärung

TF und RS geben an, dass in Zusammenhang mit diesem Artikel keine Interessenkonflikte vorliegen.

Abkürzungsverzeichnis

BfArM

Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte

CHMP

Committee for Medicinal Products for Human Use

CYP

Cytochrom P450

EMA

European Medicines Agency

FDA

Food and Drug Administration

MRSA

Methicillin-resistente Staphylococcus aureus

MRSE

Methicillin-resistente Staphylococcus epidermidis

MSSA

Methicillin-sensible Staphylococcus aureus

VISA

Vancomycin-intermediär-resistente Staphylococcus aureus

VRE

Vancomycin-resistente Enterokokken

VRSA

Vancomycin-resistente Staphylococcus aureus

Literatur

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Dr. med. Tanja Flaig ist Assistenzärztin und wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Klinische Pharmakologie und Toxikologie der Charité- Universitätsmedizin Berlin.

Prof. Dr. med. Ralf Stahlmann ist Arzt für Pharmakologie und Toxikologie und Professor für Toxikologie am Institut für Klinische Pharmakologie und Toxikologie der Charité – Universitätsmedizin Berlin. Zu den Schwerpunkten seiner wissenschaftlichen Arbeiten zählen reproduktionstoxikologische und immuntoxikologische Fragestellungen. Im Fokus stehen dabei die toxischen, unerwünschten Wirkungen von Antiinfektiva. Er leitet den weiterbildenden Masterstudiengang Toxikologie der Charité und ist Mitherausgeber der Zeitschrift für Chemotherapie.

Dr. med. Tanja Flaig, Prof. Dr. med. Ralf Stahlmann, Institut für Klinische Pharmakologie und Toxikologie, Charité – Universitätsmedizin Berlin, Luisenstraße 7, 10117 Berlin, E-Mail: tanja-maria.flaig@charite.de

Glykopeptides: an up-to-date assessment

The “novel” glycopeptides telavancin, dalbavancin and oritavancin broaden the therapeutic options for infections by Gram-positive bacteria. The new drugs exhibit enhanced antimicrobial activity including activity against some vancomycin-resistent bacteria. The long elimination half-life of dalba- and oritavancin make a once weekly or single dose treatment of complicated skin and soft tissue infections possible. Major limitations of a therapy with vancomycin, teicoplanin and telavancin derive from their nephro- and ototoxicity. This has to be considered in particular in patients with underlying diseases or other risk factors. Hopefully, the reduced toxicity of dalbavancin and oritavancin can be confirmed when they will be more widely used. Reactivation of these older antibiotics obviously takes place against the background of increasing resistance and a lack of truly innovative antimicrobial agents. They are a further sign of the “antibiotic gap”, which evolved as a consequence of the reduced engagement of pharmaceutical companies in this area of pharmacotherapy.

Key words: glycopeptides, vancomycin, teicoplanin, telavancin, dalbavancin, oritavancin, Gram-positive infections

Arzneimitteltherapie 2015; 33(07)