HIV-Präexpositionsprophylaxe mit Tenofovir

Keine toxischen Niereneffekte bei Nichtinfizierten


Dr. Barbara Ecker-Schlipf, Holzgerlingen

Bei heterosexuellen, nicht HIV-infizierten Personen führte eine auf Tenofovir gestützte Präexpositionsprophylaxe innerhalb einer medianen Beobachtungszeit von 18 Monaten zu einer geringfügigen, nicht progredienten Abnahme der geschätzten glomerulären Filtrationsrate (eGFR). Sie war jedoch nicht mit einem substanziellen Risikoanstieg für eine klinisch relevante eGFR-Abnahme (≥25%) verbunden.

Eine antiretrovirale Präexpositionsprophylaxe mit dem nukleotidischen Reverse-Transcriptase-Hemmer Tenofovirdisoproxilfumarat (TDF, Viread®) allein oder in Kombination mit dem nukleosidischen Reverse-Transcriptase-Inhibitor Emtricitabin (FTC, Emtriva®; Kombination FTC-TDF: Truvada®) hat in verschiedenen geographischen und Risikopopulationen Schutz gegen eine Ansteckung mit HIV geboten. Dabei konnte in randomisierten, Placebo-kontrollierten Studien eine Wirksamkeit von 44% bis 75% erzielt werden, in Subgruppenanalysen mit therapietreuen Probanden bis zu 90%.

Bei HIV-Infizierten unter antiretroviraler Therapie wurden übereinstimmend signifikant häufiger Nierenschäden beobachtet, einschließlich einer Abnahme der geschätzten glomerulären Filtrationsrate (eGFR) bei Patienten, die mit Tenofovir behandelt wurden, verglichen mit Probanden, die ein Therapieschema ohne Tenofovir erhielten. Inwieweit diese Ergebnisse auch für die antiretrovirale Präexpositionsprophylaxe (PrEP) gelten, war bislang nicht untersucht worden. Möglicherweise sind diese Nebenwirkungen durch die HIV-Infektion und den Einsatz anderer antiretroviraler Medikationen begünstigt worden. In vorliegenden klinischen PrEP-Studien konnten keine substanziellen toxischen Niereneffekte nachgewiesen werden.

Inzwischen wird von den US Centers for Disease Control and Prevention sowie der World Health Organization die Kombination aus Tenofovir und Emtricitabin zur PrEP (Truvada®) empfohlen. Daher kommt dem Sicherheitsprofil dieser Kombination bei Nicht-HIV-Infizierten eine größere Bedeutung zu.

Studienziel und -design

Ziel einer randomisierten, Placebo-kontrollierten Phase-III-Studie war es, zu untersuchen, ob eine auf Tenofovir gestützte Präexpositionsprophylaxe bei nicht HIV-infizierten Erwachsenen eine Abnahme der eGFR zur Folge hat.

Durchgeführt wurde die Studie zwischen 2008 und 2010 mit 4640 heterosexuellen serodiskordanten Partnern von HIV-Infizierten in Kenia und Uganda. Die Probanden, darunter 63% Männer, waren mindestens 18 Jahre alt, ohne Hepatitis-B-Infektion, sexuell aktiv, weder schwanger noch in der Stillzeit und wiesen eine normale Nierenfunktion auf. Die Studienteilnehmer wurden randomisiert im Verhältnis 1:1:1 auf folgende drei Studienarme aufgeteilt:

  • Tenofovir (TDF), einmal täglich (n=1548)
  • Emtricitabin-Tenofovir (FTC-TDF), einmal täglich (n=1545)
  • Placebo, einmal täglich (n=1547).

Die eingesetzten Dosen von Tenofovir und Emtricitabin beliefen sich auf täglich 300 mg beziehungsweise 200 mg. Dies entspricht der Dosierung, die auch als Standard in der HIV-Therapie verwendet wird.

Vordefiniertes Studienergebnis war die mittlere Veränderung der geschätzten glomerulären Filtrationsrate und eine Abnahme der eGFR um 25% oder mehr bezogen auf den Ausgangswert. Die nicht HIV-infizierten Probanden wurden monatlich bis zu einem Zeitraum von 36 Monaten überwacht.

Studienergebnis

Die mittlere eGFR der Studienteilnehmer zu Studienbeginn belief sich auf 130 ml/min/1,73 m2. Während einer mittleren Nachbeobachtungszeit von 18 Monaten (interquartiler Bereich 12 bis 27 Monate) ergaben sich in den drei Studiengruppen folgende mittleren Veränderungen in der geschätzten glomerulären Filtrationsrate gegenüber dem Ausgangswert:

  • +0,14 ml/min/1,73 m2 für TDF
  • –0,22 ml/min/1,73 m2 für FTC-TDF
  • +1,37 ml/min/1,73 m2 für Placebo

Übertragen auf durchschnittliche Abnahmen in der eGFR, die sich auf die Präexpositionsprophylaxe versus Placebo zurückführen ließen, kam es zu folgenden Ergebnissen:

  • –1,23 ml/min/1,73 m2 (95%-Konfidenzintervall [KI] –2,06 bis –0,40; p=0,004) für TDF
  • –1,59 ml/min/1,73 m2 (95%-KI –2,44 bis –0,74; p<0,001) für FTC-TDF

Der Unterschied in den mittleren Werten für die eGFR zwischen der Präexpositionsprophylaxe und Placebo machte sich einen Monat nach der Randomisierung bemerkbar, war über 12 Monate stabil und verschwand danach fast vollständig. Diese Effekte der PrEP ließen sich unabhängig von Alter und Geschlecht in allen Sensitivitätsanalysen beobachten.

Eine Abnahme der eGFR um 25% oder mehr trat selten auf: Ausgehend vom Basiswert nach 12 und 24 Monaten, wurde sie bei 1,3% und 1,8% der Probanden unter TDF sowie bei 1,2% und 2,5% mit FTC-TDF beobachtet. Diese Häufigkeiten unterschieden sich nicht statistisch signifikant von den Werten in der Placebo-Gruppe (0,9% und 1,3% nach 12 und 24 Monaten).

Fazit

Obwohl in der Behandlung von HIV-Infizierten große Fortschritte gemacht wurden, bleiben unerwünschte Nebenwirkungen oder ein Nichtansprechen der Therapie problematisch. Große Bedeutung kommt deshalb nach wie vor der Prophylaxe zu, insbesondere bei serodiskordanten, sexuell aktiven Paaren. Dabei spielt neben dem Einsatz von Kondomen eine antivirale Medikation des nicht HIV-infizierten Partners eine immer größere Rolle. Ermutigende Ergebnisse wurden bereits mit der Kombination aus Tenofovir und Emtricitabin erzielt.

Die Resultate der vorliegenden Studie belegen die Sicherheit einer auf Tenofovir gestützten Präexpositionsprophylaxe bei nicht HIV-infizierten afrikanischen Männern und Frauen über eine maximale Nachbeobachtungszeit von 36 Monaten. Die kleine, aber signifikante Abnahme in der geschätzten glomerulären Filtrationsrate aufgrund der antiviralen Therapie stabilisierte sich nach einem Jahr und verschwand dann ganz.

Quelle

Mugwanya KK, et al. Changes in glomerular kidney function among HIV-1-uninfected men and women receiving emtricitabine-tenofovir disoproxil fumarate preexposure prophylaxis. JAMA Intern Med 2015;175:246–54.

Arzneimitteltherapie 2015; 33(07)