Dr. Petra Jungmayr, Esslingen
Das Mantelzelllymphom wird den nicht heilbaren, aggressiven Lymphomen mit schlechter Prognose zugerechnet. Das mediane Überleben liegt zwischen vier und fünf Jahren. Die Erkrankung ist vergleichsweise selten und macht rund 5 bis 6% aller Non-Hodgkin-Lymphome aus. In Deutschland rechnet man mit rund 2000 Neuerkrankungen pro Jahr [2]. Für bislang unbehandelte Patienten, die für eine Stammzelltransplantation nicht geeignet sind, gilt eine Chemotherapie mit Rituximab, Cyclophosphamid, Doxorubicin, Vincristin und Prednison (R-CHOP) als Standardregime. Mit diesem Vorgehen werden Responseraten von bis zu 48% erzielt, das progressionsfreie Überleben liegt jedoch lediglich bei median 16,6 Monaten. Daher sind weitere Therapieoptionen erforderlich. Ein neuer Ansatz ist die Gabe des Proteasominhibitors Bortezomib (Velcade®). In einer Phase-III-Studie wurde untersucht, ob der Austausch von Vincristin durch Bortezomib im Rahmen eines modifizierten R-CHOP-Regimes (VR-CAP) zu einem besseren Outcome therapienaiver Patienten führt.
Die LYM-3002-Studie
An der internationalen, multizentrischen, randomisierten, prospektiven Open-Label-Phase-III-Studie nahmen zwischen Mai 2008 und Dezember 2011 487 Patienten aus 128 Institutionen und 28 Ländern (medianes Alter 66 Jahre) teil, bei denen erstmals ein Mantelzelllymphom im Stadium II, III oder IV diagnostiziert worden war und die nicht für eine Stammzelltransplantation geeignet waren (hohes Alter, schlechter Allgemeinzustand). Sie wurden 1:1 in zwei Gruppen randomisiert und erhielten eines der folgenden Therapieregime:
- 244 Probanden der R-CHOP-Gruppe (Vergleichs-Gruppe) erhielten über sechs bis acht Zyklen hinweg alle drei Wochen Rituximab 375 mg/m² i.v. an Tag 1, Cyclophosphamid 750 mg/m2 i.v. an Tag 1, Doxorubicin 50 mg/m² i.v. an Tag 1, Vincristin 1,4 mg/m2 (maximal 2 mg) i.v. an Tag 1, Prednison 100 mg/m² p.o. an den Tagen 1 bis 5.
- 243 Patienten der VR-CAP-Gruppe (Interventions-Gruppe) erhielten über sechs bis acht Zyklen hinweg alle drei Wochen dieselbe Chemotherapie ohne Vincristin, dafür zusätzlich 1,3 mg/m² Bortezomib i.v. an den Tagen 1, 4, 8 und 11, das als erstes – also vor den anderen Substanzen – appliziert wurde.
Der primäre Studienendpunkt war das progressionsfreie Überleben. Sekundäre Endpunkte umfassten unter anderem die Response- und die Gesamtüberlebensrate. Ferner wurden unerwünschte Wirkungen festgehalten. Therapieansprechen und Krankheitsprogress wurden gemessen anhand regelmäßiger CT-Untersuchungen und immunohistochemischer Expressionsbestimmung von Ki-67, einem zellulären Wachstumsmarker.
Studienergebnisse
Nach einem medianen Follow-up von 40 Monaten lag der Einschätzung eines unabhängigen radiologischen Komites zufolge das mediane progressionsfreie Überleben in der R-CHOP-Gruppe bei 14,4 Monaten, in der VR-CAP-Gruppe bei 24,7 Monaten, was einer relativen Verbesserung von 59% entspricht (Hazard-Ratio [HR] 0,63; p<0,001). Diese Verlängerung des progressionsfreien Überlebens war weitgehend in allen Subgruppen zu verzeichnen. Nach Einschätzung der Studienprüfer lag das mediane progressionsfreie Überleben in der R-CHOP-Gruppe bei 16,1 Monaten vs. 30,7 Monaten in der VR-CAP-Gruppe, was einer Verbesserung um 96% (HR 0,51; p<0,001) entspricht.
Auch bei den sekundären Endpunkten waren die Ergebnisse der Probanden in der VR-CAP-Gruppe besser. So lag die komplette Responserate unter dem VR-CAP-Regime bei 53% vs. 42% unter dem R-CHOP-Regime. Die mediane Dauer der kompletten Response lag in der VR-CAP-Gruppe bei 42,1 Monaten vs. 18 Monaten unter R-CHOP. Das mediane behandlungsfreie Intervall betrug in der VR-CAP-Gruppe 40,6 Monate im Vergleich zu 20,5 Monaten in der R-CHOP-Gruppe. Zudem war die 4-Jahres-Gesamtüberlebensrate unter der VR-CAP-Therapie erhöht, mit 64% vs. 54% in der R-CHOP-Gruppe.
Sicherheit
In der VR-CAP-Gruppe traten mehr schwerwiegende unerwünschte Ereignisse (Grad ≥3) auf als in der R-CHOP-Gruppe (93% vs. 85%), wobei hämatotoxische Effekte im Vordergrund standen. Diese zeigten sich vor allem im Auftreten schwerer Thrombozytopenien (Grad ≥3), die bei 6% unter dem R-CHOP-Regime und bei 57% unter dem VR-CAP-Regime auftraten. Die Raten klinisch signifikanter Blutungen waren vergleichbar in beiden Studiengruppen (Blutungsraten Grad ≥3 unter R-CHOP 1,3%, unter VR-CAP 1,6%). Unterschiede zeigten sich jedoch auch in der Häufigkeit schwerer Neutropenien (67% unter R-CHOP vs. 85% unter VR-CAP), schwerer Leukopenien (29% vs. 44%) und schwerer Lymphozytopenien (9% vs. 28%). Ebenfalls vermehrt traten Infektionen oder Parasitenbefall auf (14% vs. 21%). Die Raten peripherer Neuropathien waren unter VR-CAP ebenfalls leicht erhöht. Diese waren aber in beiden Therapieregime bei 75% bis 81% der Patienten reversibel.
EMA-Zulassungserweiterung
Aufgrund dieser Studienergebnisse erfolgte im Februar 2015 durch die EMA eine Zulassungserweiterung für Bortezomib. Es soll nun auch bei zuvor unbehandelten Erwachsenen, die keine Blutstammzelltransplantation erhalten können, zur Behandlung des Mantelzelllymphoms in Kombination mit Rituximab, Cyclophosphamid, Doxorubicin und Prednison eingesetzt werden können [1].
Fazit
Das Bortezomib-haltige VR-CAP-Protokoll führte bei Patienten mit neu diagnostiziertem Mantelzelllymphom, die nicht für eine Stammzelltransplantation in Frage kamen, zu eindeutig besseren Behandlungsergebnissen als das Standard-Regime R-CHOP. Diese Vorteile wurden allerdings mit einer erhöhten Rate hämatotoxischer Nebenwirkungen erkauft. Die Studienautoren vermuten, dass unerwünschte Wirkungen unter dem VR-CAP-Regime verringert werden können, wenn Bortezomib subkutan – und nicht wie im Studienprotokoll vorgeschrieben intravenös – appliziert wird.
Quellen
Robak T, et al. Bortezomib-based therapy for newly diagnosed mantle-cell lymphoma. N Engl J Med 2015;372:944–53.
Literatur
1. EMA-Zulassungsinformation. Online auf: www.ema.europa.eu/docs/en_GB/document_library/EPAR_-_Assessment_Report_-_Variation/human/000539/WC500184919.pdf (Zugriff am 20.07.2015).
2. Kompetenznetz Maligne Lymphome. Online auf www.lymphome.de (Zugriff am 12.05.2015).
Arzneimitteltherapie 2015; 33(09)