Familiäre Hypercholesterolämie

CETP-Hemmer senkt LDL-Cholesterol, klinischer Nutzen bleibt abzuwarten


Dr. med. Marianne Schoppmeyer, Nordhorn

Die medikamentöse CETP-Hemmung ist eine vielversprechende Therapieoption bei Hyperlipidämie. Der CETP-Hemmer Anacetrapib senkt das LDL- und erhöht das HDL-Cholesterol. Dies konnte jetzt in einer Phase-III-Studie bei Patienten mit heterozygoter familiärer Hypercholesterolämie (FH) bestätigt werden. Ob auch die Rate kardiovaskulärer Ereignisse durch diese Therapie gesenkt werden kann, bleibt fraglich.

Anacetrapib hemmt das Cholesteryl-Ester-Transfer-Protein (CETP). Dieses Protein transferiert Cholesterylester von den High-Density-Lipoproteinen (HDL) zu den Very-Low-Density-Lipoproteinen (VLDL) oder den Low-Density-Lipoproteinen (LDL). Wird CETP gehemmt, führt dies folglich zu einem Anstieg des HDL-Cholesterols bei gleichzeitiger Verminderung des LDL-Cholesterols.

Eine Therapie mit Anacetrapib scheint besonders sinnvoll bei Patienten mit familiärer Hypercholesterolämie (FH), da es bei diesen Patienten häufig schwierig ist, befriedigende LDL-Zielwerte zu erreichen. Dieser sollte <2,59 mmol/l (<100 mg/dl) betragen, bei klinisch manifester Arteriosklerose sogar <1,81 mmol/l (<70 mg/dl). Die Therapie der Wahl sind HMG-CoA-Reductasehemmer (Statine) kombiniert mit einer gesunden Lebensstilführung.

Studiendesign

In die vorliegende doppelblinde Phase-III-Studie REALIZE wurden 305 Patienten mit einer mindestens sechs Wochen bestmöglich therapierten heterozygoten FH eingeschlossen. Die Patienten mussten – trotz Therapie – ein LDL-Cholesterol >2,59 mmol/l ohne kardiovaskuläres Risiko in der Vorgeschichte haben oder ein LDL-Cholesterol >1,81 mmol/l mit positiver kardiovaskulärer Anamnese. Die meisten Patienten erhielten als Basismedikation ein Statin kombiniert mit Ezetimib. Randomisiert erhielten sie zusätzlich über 52 Wochen

  • Anacetrapib 100 mg (n=203) oder
  • ein Placebo (n=102).

Der primäre Endpunkt der Studie war die prozentuale Veränderung des LDL-Cholesterols.

LDL-Cholesterol konnte deutlich gesenkt werden

Nach 52 Wochen mit Anacetrapib 100 mg war das mittlere LDL-Cholesterol von 3,3 mmol/l auf 2,1 mmol/l gesunken. Dies entspricht einer relativen Verringerung von 36% (95%-Konfidenzintervall [KI] –39,5 bis –32,5). In der Placebo-Gruppe war das Cholesterol dagegen um 3,7% (95%-KI –1,2 bis 8,6) von 3,4 mmol/l auf 3,5 mmol/l gestiegen. Damit betragen die relativen, Placebo-adjustierten Verringerungen durch Anacetrapib 39,7% (95%-KI –45,7 bis –33,7; p<0,0001).

Kardiovaskuläre Ereignisrate erhöht?

Unter Anacetrapib erlitt ein Patient einen akuten Myokardinfarkt und drei Patienten je eine Episode einer instabilen Angina pectoris. In der Placebo-Gruppe traten keine kardiovaskulären Ereignisse auf. Dieser Unterschied war allerdings aufgrund der geringen Patientenzahl natürlich nicht signifikant (4/203 vs. 0/102; p=0,1544). Ebenfalls keine signifikanten Unterschiede gab es bezüglich des Blutdrucks, der Elektrolyte, Leberenzyme oder Creatinkinase. Jedoch zeigten sich bei 9% (19/203) der Patienten unter Anacetrapib Hautveränderungen gegenüber 2% (2/102) unter Placebo (p=0,0162).

Vermindert Anacetrapib kardiovaskuläre Ereignisse?

Unter Anacetrapib kommt es bei Patienten mit einer heterozygoten FH zu einer substanziellen Reduktion des LDL-Cholesterols. Signifikant mehr Patienten erreichen ihren LDL-Zielwert im Vergleich zu Placebo. Dieses Ergebnis sollte jedoch aufgrund der kardiovaskulären Ereignisse mit Vorsicht bewertet werden. Die Entwicklung des CETP-Hemmers Torcetrapib wurde aufgrund der erhöhten kardiovaskulären Sterblichkeit in der ILLUMINATE-Studie bereits eingestellt. Verantwortlich wurde dafür eine Aktivierung des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems (RAAS) gemacht, was Blutdruck und Elektrolythaushalt der Patienten negativ beeinflusste. Diese Parameter waren in der vorliegenden Studie unter Anacetrapib und auch in der DEFINE-Studie zwar nicht erhöht, sodass die Aktivierung des RAAS ein Torcetrapib-spezifischer Effekt sein könnte. Ob Anacetrapib kardiovaskuläre Ereignisse vermindert, bleibt jedoch offen.

REVEAL: Große Phase-III-Studie bei Hochrisikopatienten

Große Erwartungen liegen nun auf den Ergebnissen der REVEAL-Studie, in der bei 30000 Patienten mit nachgewiesener arteriosklerotischer Gefäßkrankheit die klinische Wirksamkeit einer Therapie mit Anacetrapib untersucht wird. Endpunkt dieser Studie sind Myokardinfarkt, koronare Revaskularisation oder Tod durch Koronarereignis. Erste Ergebnisse werden allerdings erst Anfang 2017 erwartet.

Quelle

Kastelein JJP, et al. Anacetrapib as lipid-modifying therapy in patients with heterozygous familial hypercholesterolaemia (REALIZE): a randomised, double-blind, placebo-controlled, phase 3 study. Lancet 2015;385:2153–161.

Arzneimitteltherapie 2015; 33(10)