Quo vadis Onkologie?


Krebsbehandlung ohne Chemotherapie?

Prof. Dr. Martin Griesshammer, Minden

Unsere Patienten haben es schon immer gewusst: Bei Krebs muss natürlich das Immunsystem gestärkt werden, das offensichtlich nicht wirkungsvoll genug war, die Erkrankung zu verhindern. Also müssen nun Vitamine, gesunde Ernährung, Selen und andere alternative Strategien das Immunsystem wieder ins Lot bringen. Die von uns Onkologen angebotene Chemotherapie scheint aus Sicht der Betroffenen in eine falsche Richtung zu gehen, da diese den Körper schwächt und die Krebserkrankung nur bedingt bekämpft.

Nun hat sich aber gerade die Onkologie in den letzten 20 Jahren zu einem der innovativsten Gebiete der Medizin entwickelt, die basierend auf grundlegenden Erkenntnissen der Krebsentstehung erfolgreiche zielgerichtete Therapien jenseits der Chemotherapie entwickelt hat. In diesem Zusammenhang ist auch das von unseren Patienten so geschätzte Immunsystem von großer Bedeutung. Auf dem diesjährigen Kongress der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie (DGHO) in Basel sind die Immuntherapien, die sogenannte Immun-Checkpoints hemmen, das Top-Thema. Diese Kontrollpunkte oder Checkpoints des Immunsystems wie PD1, PDL1 und andere verhindern eine überschießende Abwehrreaktion der T-Lymphozyten. Tumorzellen exprimieren diese „Immunbremsen“ auf ihrer Oberfläche, um das Immunsystem außer Kraft zu setzen. Hier greifen nun die neuen Checkpoint-Inhibitoren an, die als Antikörper gegen diese Strukturen auf den T-Lymphozyten oder Krebszellen diese „Bremsen“ lösen und damit der Körperabwehr ermöglichen, den Tumor zu attackieren. Für die zwei Anti-PD1-Antikörper Nivolumab und Pembrolizumab besteht aufgrund überzeugender Daten für das nicht resezierbare oder metastasierte maligne Melanom eine Zulassung für die Monotherapie. Auch für das lokal fortgeschrittene oder metastasierte nicht-kleinzellige Lungenkarzinom mit plattenepithelialer Histologie nach vorheriger Chemotherapie liegt eine Zulassung vor. Bei Kopf-Hals-Tumoren, Urothelkarzinomen und anderen sind in aktuellen Studien vielversprechende Ansprechraten zu beobachten.

Nun ist die Behandlung onkologischer Erkrankungen mit Antikörpern nichts Neues, seit fast 20 Jahren behandeln wir erfolgreich CD20-positive maligne Lymphome mit dem Antikörper Rituximab. Mittlerweile gibt es bei fast allen hämato-onkologischen Erkrankungen erfolgreiche Antikörpertherapien. Darüber hinaus haben sich auch andere zielgerichtete Therapien mit sogenannten small molecules erfolgreich in der Onkologie durchgesetzt. Die Modellerkrankung ist hier die chronische myeloische Leukämie (CML) und deren bahnbrechende Therapie mit dem Tyrosinkinaseinhibitor Imatinib.

Noch ist die Chemotherapie ein wichtiger Bestandteil vieler onkologischer Therapien. Mit den genannten Entwicklungen ist jedoch ein stetiger Rückgang derselben zu beobachten. Neue Chemotherapeutika werden kaum noch entwickelt und finden sich immer mehr in Kombination mit Antikörpern. Es besteht kein Zweifel, dass zukünftige Therapiestrategien zielgerichteter und effektiver sein werden als die alleinige Chemotherapie. Die Behandlung onkologischer Erkrankungen mit Checkpoint-Inhibitoren ist in diesem Sinne ein Durchbruch in eine neue Ära, nicht nur weil diese das dem Patienten so wichtige Immunsystem adressiert. In vielen Jahren mag daher die alleinige chemotherapeutische Behandlung von Krebserkrankungen vielleicht eher wie eine der Methoden des sagenumwobenen Dr Eisenbarth anmuten.

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