Onkologie

Umgang mit immer kleineren Patientengruppen


Dr. Susanne Heinzl, Reutlingen

Fortschritte in der Erkennung von Genmutationen und in der zielgerichteten Therapie führen zu immer kleineren Patientengruppen in der Onkologie. Zur Untersuchung neuer therapeutischer Ansätze sind daher innovative Studienansätze und eine verstärkte Kooperation in der Klinik und zwischen Zentren erforderlich, wie beim 25. Deutschen Hautkrebskongress in München festgestellt wurde.

Die Onkologie hat sich mit immer kleiner werdenden Patientengruppen zu befassen. Dies lässt sich am Beispiel Lungenkrebs gut zeigen. Ein Lungenkarzinom war im Jahr 2010 häufigster Tumor bei Männern in Deutschland. Aber es gibt viele Formen der Erkrankung. So wird zunächst in die kleinzellige (SCLC) und in die nichtkleinzellige Form (NSCLC) differenziert. Die NSCLC können histologisch weiter in die Adenokarzinome, die Plattenepithelkarzinome und die großzelligen Karzinome unterteilt werden.

Die Entwicklung der personalisierten Therapie hat zu einer weiteren Unterteilung je nach vorliegender Mutation geführt. Nur bei etwa 35% der Lungentumoren liegt keine bislang nachweisbare Mutation vor. Seltener vorkommende Mutationen sind beispielsweise:

  • NSCLC mit positivem Nachweis von anaplastischer Lymphomkinase (ALK), die auf Crizotinib, einen ALK-Rezeptor-Tyrosinkinasehemmer, gut ansprechen
  • Plattenepithelkarzinom der Lunge mit einer Mutation in der Discoid-Rezeptor-2(DDR2)-Kinasedomäne mit Ansprechen auf Dasatinib
  • NSCLC mit Mutation des ROS1-Gens, das in einem Fall auf Crizotinib ansprach

Von 55000 Patienten mit einem Lungenkarzinom befinden sich 60%, also 33000 im Stadium IV. 1% (n=330) weisen eine ROS-Mutation auf, wobei ein ROS-Test nur in etwa 10% der Fälle durchgeführt wird (n=33). Weil die Patienten für die Zuweisung in eine Studie zustimmen müssen, verblieben somit vermutlich etwa zehn Patienten mit dieser Erkrankung, die in eine Studie eingeschlossen werden könnten.

Studien mit kleinen Patientengruppen

Diese immer kleiner werdenden Patientengruppen führen zu zahlreichen Fragen. So ist zum Beispiel offen, ob Leitlinien und die TNM-Klassifikation für molekulare Subgruppen weiterhin gelten. Weiterhin stellt sich die Frage, wie man mit kleinen Patientengruppen aussagekräftige Studien durchführen kann, um Substanzen zur Zulassung zu bringen. Goldstandard ist nach wie vor die randomisierte klinische Studie, die jedoch relativ große Patientenzahlen erfordert. Sie ist damit nur in Netzwerken für seltene Erkrankungen und bei exzellenter Zuweisungskultur möglich.

Ein positives Beispiel hierfür ist die EXIST-2-Studie, die zur Zulassung von Everolimus für die Behandlung von Angiomyolipomen bei Patienten mit tuberöser Sklerose oder sporadischer Lymphangioleiomyomatose geführt hat. In der doppelblinden, Placebo-kontrollierten Phase-III-Studie waren 118 Patienten aus 24 Zentren in 11 Ländern 2:1 randomisiert mit Everolimus oder Placebo behandelt worden.

Einarmige Studien, Basket-Studien und n=1-Studien

Denkbar sind auch einarmige Studien. Ein Beispiel hierfür ist die Studie ASCEND-1, die zur Zulassung von Ceritinib für die Behandlung von ALK-positivem NSCLC geführt hat. Einarmige Studien sind bei Fehlen jeglicher therapeutischen Alternative, bei Tumoren mit hohem Krankheitsdruck und bei sehr kleinen Patientenzahlen sinnvoll und bei sehr guter biologischer Rationale gerechtfertigt.

Eine weitere Möglichkeit zur Untersuchung der Wirksamkeit einzelner Substanzen bei sehr seltenen Erkrankungen sind Biomarker-gesteuerte Basket-Studien, in denen unterschiedlich lokalisierte Krebserkrankungen mit der gleichen Mutation behandelt werden.

n=1-Studien mit nur einem Patienten könnten zur Bestätigung von Kausalitäten sinnvoll sein.

Bei kleinen Patientengruppen müssen möglichst viele Informationen zum einzelnen Patienten gesammelt und die Patienten möglichst lange nachbeobachtet werden. Für kleine Studienpopulationen sind adaptive Designs erforderlich. Insgesamt gilt, dass molekulare Kleinstpopulationen mehr Kooperation und innovative Studienkonzepte erfordern.

Quelle

Prof. Dr. med. Sebastian Bauer, Essen, 25. Deutscher Hautkrebskongress, München, 11. September 2015.

Arzneimitteltherapie 2015; 33(11)