Empfehlungen zur Arzneimitteltherapie in der S3-Leitlinie Palliativmedizin


Constanze Rémi, München, Steffen T. Simon, Raymond Voltz, Anne Pralong, Köln, Markus Follmann, Berlin, und Claudia Bausewein, München

Tumorerkrankungen zählen zu den häufigsten Todesursachen in Deutschland [9] und der Bedarf an palliativmedizinischer Versorgung wächst. Die Integration palliativmedizinischer Behandlungsansätze in die Versorgung onkologischer Patienten kann einen wichtigen Beitrag zum Erhalt der Lebensqualität leisten. Die 2015 publizierte S3-Leitlinie „Palliativmedizin für Patienten mit einer nicht heilbaren Krebserkrankung“, die durch das Leitlinienprogramm Onkologie gefördert wurde, stellt einen wichtigen Schritt in der Schaffung einheitlicher, evidenzbasierter Therapieempfehlungen dar. Diese können helfen, die Versorgung von Palliativpatienten in Deutschland zu verbessern. Die Leitlinie behandelt verschiedene Aspekte der Palliativversorgung von Tumorpatienten. Neben Bereichen wie Versorgungsstrukturen, Kommunikation und Betreuung in der Sterbephase finden sich auch Kapitel zu spezifischen Krankheitssymptomen und deren Behandlung. In dieser ersten Version der Leitlinie sind dies Atemnot, Tumorschmerz, Obstipation und Depression. In diesem Artikel sollen die Empfehlungen zur medikamentösen Therapie genauer betrachtet werden.
Arzneimitteltherapie 2016;34:155–62.

Für die Erstellung der Leitlinie wurden umfassende systematische Literaturrecherchen und -bewertungen durchgeführt. Auf dieser Basis wurden nach Nutzen-Schaden-Abwägung Empfehlungen formuliert, die dann in einem Konsensverfahren abgestimmt wurden. Die Klassifizierung der Evidenz erfolgte entsprechend den Vorgaben des Scottish Intercollegiate Guidelines Network (SIGN). Der Empfehlungsgrad wurde nach den Vorgaben der AWMF vergeben (Tab. 1). Die vollständige Leitlinie, inklusive Details zur Methodik der Erstellung, steht auf den Internetseiten des Leitlinienprogramms Onkologie (www.leitlinienprogramm-onkologie.de) und der Arbeitsgemeinschaft medizinisch-wissenschaftlicher Fachgesellschaften AWMF (www.awmf.org) zur Verfügung.

Tab. 1. Evidenzgraduierung (nach SIGN) und Empfehlungsgraduierung (nach AWMF-Regelwerk)

Evidenzgraduierung

Grad

Beschreibung

1++

Qualitativ hochwertige Metaanalysen, systematische Übersichten von RCTs oder RCTs mit sehr geringem Risiko systematischer Fehler (Bias)

1+

Gut durchgeführte Metaanalysen, systematische Übersichten von RCTs oder RCTs mit geringem Risiko systematischer Fehler (Bias)

1–

Metaanalysen, systematische Übersichten von RCTs oder RCTs mit hohem Risiko systematischer Fehler (Bias)

2++

Qualitativ hochwertige systematische Übersichten von Fall-Kontroll- oder Kohortenstudien oder

Qualitativ hochwertige Fall-Kontroll- oder Kohortenstudien mit sehr niedrigem Risiko systematischer Verzerrungen (Confounding, Bias, „Chance“) und hoher Wahrscheinlichkeit, dass die Beziehung ursächlich ist

2+

Gut durchgeführte Fall-Kontroll-Studien oder Kohortenstudien mit niedrigem Risiko systematischer Verzerrungen (Confounding, Bias, „Chance“) und moderater Wahrscheinlichkeit, dass die Beziehung ursächlich ist

2-

Fall-Kontroll-Studien oder Kohortenstudien mit einem hohen Risiko systematischer Verzerrungen (Confounding, Bias, „Chance“) und signifikantem Risiko, dass die Beziehung nicht ursächlich ist

3

Nichtanalytische Studien, z.B. Fallberichte, Fallserien

4

Expertenmeinung

Empfehlungsgrad

Beschreibung

Ausdrucksweise

A

Starke Empfehlung

Soll

B

Empfehlung

Sollte

0

Empfehlung offen

Kann

[www.sign.ac.uk/pdf/sign50.pdf und www.awmf.org/leitlinien/awmf-regelwerk/ll-entwicklung/awmf-regelwerk-03-leitlinienentwicklung/ll-entwicklung-graduierung-der-empfehlungen.html] AWMF: Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften; RCT: randomisierte kontrollierte Studie; SIGN: Scottish Intercollegiate Guidelines Network

Wenn nicht anders angegeben, stammen die in diesem Artikel präsentierten Informationen aus der Leitlinie, Abbildungen und Tabellen wurden ebenfalls übernommen. Schlüsselempfehlungen (SE) sind durch die Angabe der Nummer, des Empfehlungsgrads und des Level of Evidence in Klammern gekennzeichnet, zum Beispiel (SE 5.11., 0/1–).

Atemnot

Bei Patienten mit einer fortgeschrittenen Tumorerkrankung zählt Atemnot zu den häufigen Symptomen. Die Prävalenz liegt laut Daten einer Registerhebung in Deutschland bei 53,4%, bei Lungentumoren sogar bei 74,3% [2]. Sie kann anfallsartig in Form von Atemnotattacken und kontinuierlich auftreten und nur durch eine subjektive Beurteilung erfasst werden. Blutgasanalysen oder andere objektive Messverfahren haben nur eine begrenzte bis gar keine Aussagekraft. Die Empfehlungen der Leitlinie fokussieren sich auf die symptomatische Behandlung der Atemnot. Kausale Therapieoptionen wie Chemotherapie oder Bestrahlung können gleichzeitig indiziert sein. Entsprechend sollen potenziell behandelbare Ursachen der Atemnot ermittelt werden (SE 5.5., Expertenkonsens [EK]). Zudem sollen kausale Therapieoptionen unter Berücksichtigung des Nutzen-Risiko-Verhältnisses und des Patientenwillens vor oder parallel zur symptomatischen Therapie durchgeführt werden (SE 5.6., EK).

In der symptomatischen Therapie der Atemnot spielen nichtmedikamentöse Therapiestrategien eine entscheidende Rolle. Hierzu zählen Edukation, Information, Anleitung zu ökonomischer Mobilität, Anpassung des Tagesrhythmus an die schwankende Atemnotintensität, Kühlung des Gesichts durch offenes Fenster, Handfächer oder Ventilator sowie die Einbindung von Angehörigen insbesondere mit dem Ziel, bei starker Atemnot Hektik und Panik zu reduzieren und beruhigend auf den Patienten einzuwirken.

Opioide

Die Basis der symptomatischen, medikamentösen Therapie der Atemnot stellen Opioide dar und ihr Einsatz ist mittlerweile durch wissenschaftliche Evidenz belegbar. Eine Atemdepression durch die Opioid-Therapie muss bei einer lege artis durchgeführten Behandlung nicht befürchtet werden (SE 5.9., /1+).

Wie genau diese Substanzgruppe ihre Wirkung entfaltet, ist nicht vollständig geklärt. Allerdings ist mittlerweile bekannt, dass Opioid-Rezeptoren im gesamten kardio-respiratorischen System zu finden sind und an der Vermittlung des lindernden Effektes mitwirken [6]. Ebenso wie Schmerzen ist auch Atemnot eng mit Emotionen verbunden und im fMRT (functional magnetic resonance imaging) ist eine veränderte Aktivität in emotionsrelevanten Hirnarealen erkennbar [12, 13]. Opioide können diese Aktivität in den entsprechenden Hirnregionen reduzieren und möglicherweise auch auf diesem Weg zur Linderung von Atemnot beitragen.

Bislang existieren keine Hinweise auf Vorteile eines bestimmten Opioids. Die meiste wissenschaftliche Evidenz liegt allerdings für Morphin vor. Ob die Applikation oral oder parenteral erfolgt, kann vom Zustand des Patienten abhängig gemacht werden. Nicht ausreichend wirksam ist hingegen die inhalative Anwendung. Bei der Substanzauswahl sollte die Nierenfunktion Berücksichtigung finden (SE 5.8., B/3, siehe unten und Tabelle 2).

Tab. 2. Opioide bei Niereninsuffizienz [7, 10]

Grad der Niereninsuffizienz

Umgang mit Opioiden

Milde bis moderate Niereninsuffizienz
(GFR 30–89 ml/min)

  • Alle Opioide, die für die symptomatische Therapie der Atemnot verwendet werden, können nach Abwägung einer Reduktion der Dosis oder Frequenz eingesetzt werden.
  • Verstärkte Beobachtung von Veränderungen der Nierenfunktion oder vorzeitiger Opioid-Wechsel bei sich rasch verschlechternder Nierenfunktion
  • Abklärung möglicher reversibler Ursachen der Niereninsuffizienz
  • Beachte: Die errechnete GFR ist weniger genau bei gleichzeitigem Vorliegen einer Kachexie, geringem Serum-Protein, Ödemen oder einer akuten Niereninsuffizienz

Schwere Niereninsuffizienz bis Nierenversagen
(GFR <30 ml/min)

  • Opioid-Wechsel zu Fentanyl (s.c.) oder nicht-retardiertem Hydromorphon
  • Deutlich erhöhte Vorsicht, engmaschige Beobachtung und Evaluation, um ggf. rasch eine Dosisanpassung durchzuführen
    (Dosismenge oder Frequenz)
  • Transdermale Applikationen und retardierte Präparate sind nicht geeignet wegen der verzögerten Elimination und eingeschränkter Möglichkeit zur Dosisanpassung

Opioid

Aktive, nierenpflichtige
Metaboliten

Wird durch Dialyse entfernt?*

Sicher und effektiv bei dialysepflichtigen Patienten?**

Morphin

Ja

Ja

Vermeiden, wenn möglich

Hydromorphon

(Ja)

Ja

Ja, mit Vorsicht

Oxycodon

Ja

(Ja)

Unklar (limitierte Evidenz)

Fentanyl

Nein

Nein

Ja, mit Vorsicht

Buprenorphin

(Ja)

Nein

Ja, mit Vorsicht

*Ob ein Opioid dialysegängig ist oder nicht, ist ein sehr viel komplexeres Geschehen, als es die Ja/Nein-Einteilung ausdrückt, und muss u.a. zusätzlich berücksichtigen, ob auch Metaboliten entfernt werden. Die Einteilung Ja/Nein an dieser Stelle wird verwendet, um zu beschreiben, ob potenziell ein signifikanter Umfang des Arzneimittels oder seiner Metaboliten durch die Dialyse entfernt wird. **Bei dialysepflichtigen und niereninsuffizienten Patienten sollten alle Opioide mit erhöhter Vorsicht und zusätzlicher Evaluation und Beobachtung angewendet werden und ggf. eine Dosisadaption (Menge, Frequenz) erfolgen. Die hier genannte Einteilung, ob ein Opioid bei dialysepflichtigen Patienten angewendet werden kann, ist eine Verallgemeinerung und kann von Patient zu Patient variieren. Die Einteilung basiert überwiegend auf Fallberichten und klinischer Erfahrung.

Die zur Linderung der Atemnot benötigten Opioid-Dosierungen sind im Mittel niedriger als in der Schmerztherapie. In einer Titrationsstudie konnte nach der Dosistitration bei 63% der Opioid-naiven Patienten im Dosisbereich von 10 bis 30 mg Morphin p.o. eine wirksame Linderung der Atemnot erzielt werden [5]. Bei der überwiegenden Zahl der Patienten waren bereits 20 mg täglich ausreichend.

Für Opioid-naive Patienten wird eine Startdosis von Morphin 2,5 bis 5 mg alle 4 Stunden p.o. bzw. 1 bis 2,5 mg alle 4 Stunden s.c. empfohlen. Erhält ein Patient bereits Opioide, soll die bisherige Opioid-Dosis um 25% erhöht werden.

Bei Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion muss besonderes Augenmerk auf die Substanzauswahl und Dosierung gelegt werden, wobei vor allem Morphin mit großer Vorsicht einzusetzen ist (Tab. 2).

Benzodiazepine

Weitaus weniger eindeutig ist die Datenbasis für den Einsatz von Benzodiazepinen, obwohl diese in der Palliativmedizin häufig zum Einsatz kommen. Auch wenn die Studienevidenz zur Anwendung bei Atemnot weitestgehend fehlt, können die Benzodiazepine zur Linderung von Atemnot eingesetzt werden, wenn der Behandlungserfolg mit Opioiden unzureichend ist (SE 5.10., 0/1+). Besonders im fortgeschrittenen Krankheitsstadium oder in der Sterbephase kann der kombinierte Einsatz mit Opioiden erfolgen (SE 5.11., 0/1–).

Der verbreitete Einsatz und die guten klinischen Erfahrungen mit Benzodiazepinen als Zweit- oder Drittlinientherapie bei der Behandlung von Atemnot sind sicherlich zumindest teilweise mit der Wirkung auf eine Angst- oder Panikkomponente zurückzuführen, die die Atemnot häufig begleitet.

Als Dosierungen werden empfohlen:

  • Lorazepam 0,5 bis 1,0 mg alle 6 bis 8 Stunden. p.o./s.l.
  • Midazolam 2,5 bis 5 mg/4 Stunden s.c., 10 bis 30 mg/24 Stunden s.c.

Glucocorticoide

Der Einsatz von Glucocorticoiden zur Behandlung von Atemnot wird nicht empfohlen. Er kann allerdings in Erwägung gezogen werden, wenn eine Lymphangiosis carcinomatosa oder eine tumorbedingte Atemwegsobstruktion vorliegt (SE 5.14., B/1+ und SE 5.15., 0/4).

Auch Studien mit COPD-Patienten, die eine fortgeschrittene Tumorerkrankung hatten, konnten keinen Nutzen für die Anwendung von Glucocorticoiden zur symptomatischen Linderung der Atemnot zeigen.

Weitere Substanzen

Weitere Substanzen, deren Einsatz zur Behandlung einer Atemnot in der klinischen Praxis immer wieder beobachtet werden kann, sollen nicht angewendet werden. Hierzu gehören zum Beispiel die Phenothiazine (u.a. Levomepromazin), Buspiron oder Antidepressiva (SE 5.12., B/1– und SE 5.13., B/1–). Der Hintergrund ist ein ungünstiges Nutzen-Risiko-Verhältnis bei nur dünner wissenschaftlicher Evidenz.

Sauerstoff

Die Studienlage und entsprechend auch die Empfehlungen zum Einsatz von Sauerstoff sind eindeutig: Sauerstoff sollte nicht zur Linderung von Atemnot bei nicht-hypoxämischen Patienten mit einer nicht heilbaren Krebserkrankung eingesetzt werden (SE 5.19., B/1+).

Die Behandlung mit Sauerstoff ist aufwendig, teuer und mit Nebenwirkungen verbunden, die insbesondere im Kontext von Atemnot ungünstig sind, zum Beispiel Austrocknen der Schleimhäute oder Brandgefahr bei gleichzeitigem Rauchen. Im mehreren Studien konnte bei nichthypoxämischen Patienten kein Vorteil der Sauerstoffgabe gegenüber Raumluft beobachtet werden [4, 11]. Bei dieser Patientengruppe sollten daher bevorzugt (Hand-)Ventilatoren eingesetzt werden.

Zwischenfazit

Die Basis der symptomatischen, medikamentösen Therapie der Atemnot stellen Opioide dar. Besonders im fortgeschrittenen Krankheitsstadium oder in der Sterbephase kann der kombinierte Einsatz mit Benzodiazepinen erfolgen.

Schmerztherapie

Im fortgeschrittenen Erkrankungsstadium sind mittlere bis starke Tumorschmerzen häufig und treten bei 70 bis 80% der Patienten auf. Eine Linderung ist nach dem derzeitigen Kenntnisstand bei fast allen Patienten möglich, oft ist die Behandlung jedoch nach wie vor unzureichend. Vor der Therapieplanung soll eine Schmerzdiagnostik mit -anamnese und klinischer Untersuchung erfolgen (SE 6.1., EK). Die Therapie richtet sich nach der subjektiven Einschätzung der Schmerzstärke, idealerweise durch den Patienten selbst.

Analog zur Behandlung der Atemnot ist auch in der Tumorschmerztherapie zu prüfen, ob tumormodifizierende Maßnahmen wie eine Chemotherapie oder Bestrahlung, den Schmerz positiv beeinflussen können. Nichtmedikamentöse Maßnahmen sollten ebenfalls Berücksichtigung im Behandlungskonzept finden.

Die Empfehlungen der Leitlinie zur medikamentösem Behandlung von Tumorschmerzen wurden aus der europäischen Leitlinie der European Association of Palliative Care (EAPC) übernommen, die erst 2012 aktualisiert erschienen ist [3]; ergänzt wurde lediglich die Substanz Metamizol.

Die Empfehlungen sind größtenteils wenig überraschend und untermauern vielmehr die oft ohnehin schon gängige Praxis. Natürlich finden sich auch neue Erkenntnisse und Empfehlungen wieder, die neben der erweiterten Studienlage auch mit der verbesserten Verfügbarkeit verschiedener Opioide und Darreichungsformen zu tun haben.

Substanzauswahl

Auch wenn nur wenige Daten zur Behandlung von Tumorschmerzen mit Metamizol vorliegen, wird die Anwendung in der Schmerztherapie empfohlen. Bei Patienten, die unter leichten Schmerzen leiden, kann es als Monotherapeutikum eingesetzt werden. Mit zunehmender Schmerzstärke kann dann die Kombination mit Opioiden erfolgen (SE 6.34., 0/1–). Alternativ können auch NSAR (nichtsteroidale Antirheumatika) oder Paracetamol verwendet werden.

Aufgrund des Nebenwirkungsrisikos sollten NSAR vor allem bei älteren Patienten und solchen mit Nieren-, Leber- oder Herzinsuffizienz nur eingeschränkt zur Anwendung kommen (SE 6.36., B/1–).

Bei kolikartigen, viszeralen Schmerzen ist Metamizol durch seine spasmolytischen Effekte gegenüber den NSAR im Vorteil. Obwohl das Nebenwirkungsprofil von Metamizol im Vergleich zu den NSAR günstiger bewertet wird, muss das Risiko einer Agranulozytose mit berücksichtigt werden. Auch wenn es sich hierbei um eine sehr seltene Nebenwirkung handelt, sollten bei einer langfristigen Therapie mit dieser Substanz regelmäßige Blutbildkontrollen erfolgen, zum Beispiel alle drei Monate. Um eine hypotensive Reaktion zu vermeiden, sollten zu schnelle intravenöse Gaben vermieden werden.

Patienten mit unzureichend kontrollierten leichten bis moderaten Schmerzen unter Therapie mit einem Nicht-Opioid-Analgetikum sollten zusätzlich ein Stufe-II-Opioid p.o. erhalten (z.B. Tilidin/Naloxon oder Tramadol). Alternativ kann jedoch auch direkt mit einem Opioid der WHO-Stufe II in niedriger Dosierung begonnen werden (SE 6.4., B/1–).

Codein sollte nicht zum Einsatz kommen, da die Wirkung aufgrund genetischer Polymorphismen starken interindividuellen Schwankungen unterlegen ist. Bei Tramadol ist das Interaktionspotenzial mit anderen Arzneistoffen zu berücksichtigen. Hervorzuheben ist hier insbesondere das Risiko eines Serotonin-Syndroms mit anderen Substanzen, die einen Einfluss auf das Serotoninsystem habe, z.B. SSRI wie Citalopram oder Paroxetin.

Für Stufe-III-Opioide als Alternative zu den Stufe-II-Substanzen liegt der empfohlene Dosisbereich bei:

  • Morphin p.o. <30 mg/Tag
  • Oxycodon p.o. <20 mg/Tag
  • Hydromorphon p.o. <4 mg/Tag

Bei mittleren bis starken Tumorschmerzen sollen die Patienten ein Stufe-III-Opioid erhalten (SE 6.5., EK). Zwischen Morphin, Hydromorphon und Oxycodon bestehen keine wichtigen Unterschiede und jede dieser drei Substanzen ist als Opioid der ersten Wahl geeignet.

Levomethadon kann ebenfalls als Alternative zum Einsatz kommen. Aufgrund der komplexen Pharmakokinetik und dem damit verbundenen Risiko einer Überdosierung sollte es allerdings nur von erfahrenen Ärzten verwendet werden.

Die Empfehlungen zur Substanzauswahl bei eingeschränkter Nierenfunktion können der Tabelle 2 entnommen werden.

Anwendung

Zur Dosistitration können sowohl unretardierte als auch retardierte Darreichungsformen von Morphin, Hydromorphon und Oxycodon zur oralen Anwendung verwendet werden (SE 6.9., 0/1–). Unabhängig von der Darreichungsform sollte dem Patienten eine unretardierte Bedarfsmedikation zur Verfügung stehen.

Als Alternative zu den oralen Darreichungsformen können transdermale Darreichungsformen von Fentanyl und Buprenorphin für manche Patienten gute, nichtinvasive Alternativen darstellen (SE 6.11., 0/1–). Von Nachteil bei diesen Darreichungsformen ist die Latenzzeit von mehreren Tagen bis zum Erreichen eines konstanten Wirkstoffspiegels.

Für alle Darreichungsformen mit verzögerter Wirkstofffreisetzung, also sowohl für transdermale Pflaster als auch für orale Retardformen, sind die präparatespezifischen Unterschiede im Applikationsintervall zu beachten.

Kommt weder der orale noch der transdermale Applikationsweg infrage, soll die Anwendung von Morphin oder Hydromorphon subkutan erfolgen (SE 6.13., A/1+). Die intravenöse Applikation soll erst bei Kontraindikationen für die subkutane Gabe in Betracht gezogen werden (SE 6.14., A/1+) oder wenn eine schnelle Dosistitration zur Schmerzkontrolle erforderlich ist (SE 6.15., A/1+).

Opioid-Rotation

Patienten, die unter der Therapie mit einem WHO-Stufe-III-Opioid nur eine unzureichende Schmerzlinderung bei gleichzeitig schweren beziehungsweise nicht kontrollierbaren Nebenwirkungen erhalten, können von einem Substanzwechsel zu einem anderen Opioid profitieren. Die Erfolgsraten des Opioid-Wechsels liegen bei 40 bis 80%.

Der Wechsel auf ein anderes Opioid erfolgt durch die Berechnung der äquianalgetischen Dosierung mithilfe von Umrechnungsfaktoren. Die Grundlagen dieser Umrechnungsfaktoren sind neben Cross-over-Studien und klinischen Beobachtungen auch randomisierte kontrollierte Studien. Entsprechend können für den Wechsel von einer Substanz auf eine andere in der Literatur unterschiedlichste Umrechnungsfaktoren gefunden werden [8]. Sie sind demnach als Orientierungshilfe zu werten; patientenindividuell können nach dem Substanzwechsel weitere Dosisanpassungen notwendig werden.

Üblicherweise wird die Therapie bei einer Opioid-Rotation erst mit einer geringeren Dosierung als der errechneten weitergeführt.

In der Leitlinie werden die in Tabelle 3 genannten äquianalgetischen Verhältnisse für den Opioid-Wechsel empfohlen.

Tab. 3. Empfohlene äquianalgetische Verhältnisse für den Opioid-Wechsel

Relative
äquianalgetische Potenz

Einstufung
Empfehlung

Morphin p.o. zu Oxycodon p.o.

1:1,5

Stark

Oxycodon p.o. zu Hydromorphon p.o.

1:4

Stark

Morphin p.o. zu Hydromorphon p.o.

1:5

Schwach

Morphin p.o. zu Buprenorphin transdermal

75:1

Schwach

Morphin p.o. zu Fentanyl transdermal

100:1

Stark

Behandlung von Schmerzexazerbationen

Schmerzexazerbationen aufgrund unzureichend kontrolliertem Dauerschmerz sollen mit zusätzlichen Gaben unretardierter, oraler Opioide behandelt werden (SE 6.39., A/1+), zudem soll eine adäquate Dosistitration der Basisanalgesie erfolgen (SE 6.40., A/1+).

Im Unterschied zu diesen Schmerzexazerbationen werden vorübergehende Schmerzverstärkungen bei ansonsten angemessen kontrolliertem Dauerschmerz als Durchbruchschmerzen bezeichnet. Zur Behandlung dieser sollen unretardierte orale Opioide oder transmukosales Fentanyl verwendet werden (SE 6.41., A/1+), wobei die transmukosalen Fentanyl-Zubereitungen in manchen Fällen aufgrund des schnellen Wirkungseintritts und der kürzen Wirkdauer bevorzugt werden sollten (SE 6.42., B/1–).

Nebenwirkungen der Opioid-Therapie

Zu den häufigsten Nebenwirkungen einer Opioid-Therapie zählen die Opioid-bedingte Obstipation, Übelkeit und Erbrechen sowie zentralnervöse Effekte.

Da die Obstipation eine Nebenwirkung ist, die über die Dauer der Therapie anhält, sollen Laxanzien sowohl zur Behandlung als auch zur Prophylaxe routinemäßig eingesetzt werden (SE 6.25., A/1+), gegebenenfalls kann eine Kombinationstherapie aus Laxanzien mit unterschiedlichem Wirkungsmechanismus erfolgen (SE 6.27., 0/1+). Aufgrund der Datenlage lassen sich keine signifikanten Unterschiede zwischen den verschiedenen Laxanzien erkennen.

Ist die Therapie mit herkömmlichen Laxanzien unzureichend, kann der Einsatz von Methylnaltrexon s.c. in Betracht gezogen werden (SE 6.28., A/1+). Bei etwa 50% der Patienten ist mit einem Ansprechen zu rechnen. Das Risiko gastrointestinaler Nebenwirkungen durch die Substanz ist allerdings bei der Therapieplanung zu berücksichtigen.

Der Stellenwert von Naloxon zur Behandlung einer Opioid-bedingten Obstipation ist nicht vollständig geklärt. Die feste Kombination mit Oxycodon führte in einer randomisierten, kontrollierten Studie zu weniger Obstipation als Oxycodon allein [1].

Kommt es aufgrund der Opioid-Therapie zu Übelkeit und Erbrechen, sollten antidopaminerg wirkende Substanzen wie Haloperidol oder Metoclopramid zum Einsatz kommen (SE 6.24., B/1–). Insgesamt ist die Datenlage allerdings sehr dünn.

Neurotoxischen Nebenwirkungen einer Opioid-Therapie wie Delir, Halluzinationen oder Myoklonien kann mit einer Dosisreduktion oder einer Opioid-Rotation begegnet werden (SE 6.30., 0/1–).

Koanalgetika

Die Datenlage für die Behandlung neuropathischer Schmerzen ist insgesamt sehr heterogen. Belegt ist die Wirksamkeit von Amitriptylin, Gabapentin und Pregabalin. Eine Therapie mit einer dieser drei Substanzen soll daher bei Patienten mit neuropathischen Tumorschmerzen, die nur teilweise auf ein Opioid ansprechen, in Erwägung gezogen werden (SE 6.38., A/1+). In der Praxis kommen auch andere Substanzen zum Einsatz, zum Beispiel Citalopram aufgrund der geringeren Sedierung im Vergleich zu Amitriptylin.

Pharmakoökonomische Aspekte der medikamentösen Schmerztherapie werden in der Leitlinie bewusst nicht berücksichtigt, sind jedoch im klinischen Alltag abzuwägen.

Zwischenfazit

Metamizol kann als Monotherapeutikum bei Tumorschmerzen eingesetzt werden. Mit zunehmender Schmerzstärke kann dann die Kombination mit Opioiden erfolgen. Alternativ können auch NSAR oder Paracetamol verwendet werden. Die Behandlung kann auch direkt mit einem Opioid der WHO-Stufe II in niedriger Dosierung begonnen werden.

Bei mittleren bis starken Tumorschmerzen sollen die Patienten ein Stufe-III-Opioid erhalten.

Durchbruchschmerzen sollen mit unretardierten oralen Opioiden oder transmukosalem Fentanyl behandelt werden.

Obstipation

Obstipation ist – wie erwähnt – ein häufiges Symptom in palliativmedizinischen Behandlungssituationen. Genaue Zahlen sind jedoch schwer zu ermitteln, da in Untersuchungen verschiedene Definitionen verwendet wurden. So schwanken die Prävalenzangaben zwischen 32 und 82%, bei gleichzeitiger Opioid-Therapie erhöht sich diese Zahl sogar auf knapp 90%. Eine Obstipation im Rahmen einer fortgeschrittenen Tumorerkrankung ist anders zu bewerten als Verdauungsbeschwerden unter anderen Lebensumständen. Daher sollte auch nicht zwischen passagerer und chronischer Obstipation unterschieden werden. Von weit größerer Bedeutung ist die Symptombelastung des Patienten. Ausbleibender Stuhlgang bei beschwerdefreien Patienten spielt daher eine eher untergeordnete Rolle. Trotzdem sollte eine sorgfältige Anamnese und Diagnostik erfolgen, die allerdings immer die kritische Auseinandersetzung mit den möglichen therapeutischen Konsequenzen beinhalten müssen. Auch bei Patienten mit einer nicht heilbaren Tumorerkrankung liegt die normale Stuhlfrequenz bei dreimal/Tag bis dreimal/Woche.

Bei der Substanzauswahl sind langfristige Nebenwirkungen in Abhängigkeit von der Prognose des Patienten eher sekundär. Eine medikamentöse Obstipationsprophylaxe soll bei Patienten mit einer Opioid-Therapie erfolgen und individuell angepasst werden (SE 7.5., EK). Ergänzend zur Therapie können nichtmedikamentöse Maßnahmen wie Mobilisation oder Kolonmassage eingesetzt werden (SE 7.6, EK). Unabhängig von den Ursachen sollen osmotisch wirksame und/oder stimulierende Laxanzien (z.B. Lactulose), jeweils in Mono- oder Kombinationstherapie, zum Einsatz kommen (SE 7.7., A/1–). Von osmotisch wirksamen Salzen (z.B. Glaubersalz) und Paraffinöl sollte hingegen abgesehen werden. Bei Stuhlentleerungsstörungen sollten rektale Entleerungshilfen, zum Beispiel Klysmen, Einläufe oder Suppositorien, eingesetzt werden (SE 7.9., B/1–).

Prokinetika oder Sekretagoga können eine Therapieoption darstellen, wenn konventionelle Therapien nicht ausreichend wirksam waren (SE 7.10., 0/1–) Insgesamt sollte das therapeutische Vorgehen einem standardisierten Stufenplan folgen (Abb. 1).

Abb. 1. Stufenschema zur Therapie der Obstipation

Die Behandlung einer malignen intestinalen Obstruktion wird in dieser ersten Fassung der Leitlinie nicht diskutiert. Sie ist jedoch für die zweite Auflage vorgesehen.

Depression

Eine niedergeschlagene Stimmung ist im palliativmedizinischen Kontext ein wenig überraschendes Symptom. Die Herausforderung besteht in der Unterscheidung zwischen einer Anpassungsstörung, einer normalen Trauerreaktion, einer Dysthymie und einer Depression. Sowohl Diagnose als auch Behandlung einer Depression bei Tumorpatienten sind oft unzureichend. Zudem berichten Patienten aufgrund einer Denkhemmung, Hoffnungslosigkeit oder Antriebsminderung häufig nicht selbstständig von ihren Beschwerden. Einige Symptome einer Depression können zudem ebenso auf die Grunderkrankung oder deren Behandlung zurückgeführt werden und sind daher zur Diagnosestellung nur begrenzt verwendbar. Hierzu zählen beispielsweise Schlafstörungen, Appetitlosigkeit, Gewichtsverlust, Fatigue, psychomotorische Verlangsamung sowie Konzentrations- und Gedächtnisdefizite. Screening, Diagnose und Einschätzung des Schweregrades einer Depression werden in der Leitlinie ausführlich behandelt.

Die Behandlung einer Depression richtet sich nach dem Schweregrad und beinhaltet neben einer effektiven palliativmedizinischen Symptomkontrolle auch eine professionelle psychosoziale Betreuung. Antidepressiva sollten nicht generell zur Erstbehandlung bei leichten depressiven Episoden eingesetzt werden, sondern allenfalls unter besonders kritischer Abwägung des Nutzen-Risiko-Verhältnisses (SE 8.11., EK). Bei einer mittelgradigen oder schweren depressiven Episode soll eine Kombinationsbehandlung aus medikamentöser und Psychotherapie angeboten werden (SE 8.13, 8.14, EK). Die medikamentöse Therapie einer Depression bei Palliativpatienten sollte in ein therapeutisches Gesamtkonzept eingebettet sein, das auch nichtmedikamentöse Therapiestrategien beinhaltet. Wirksamkeit und Nebenwirkungen der Behandlung sollten engmaschig überprüft werden. Die Empfehlungen zur medikamentösen Therapie richten sich nach der S3-Leitlinie/NVL Unipolare Depression und werden daher an dieser Stelle nicht näher erläutert.

Auch bei Patienten mit kurzer Lebenserwartung sollte der Einsatz von Antidepressiva unter einer strengen Nutzen-Risiko-Abwägung in Betracht gezogen werden. Mit Übergang in die Sterbephase soll die antidepressive Therapie beendet werden (SE 8.16., EK). Soweit es die Zeit erlaubt, kann die Dosis ausgeschlichen werden, um Absetzphänomene zu vermeiden.

Psychostimulanzien sollten nicht zur Behandlung einer Depression eingesetzt werden (SE 8.24. B/1–).

Sterbephase

Die Sterbephase, also die letzten drei bis sieben Lebenstage, kann noch einmal große Herausforderungen für den Patienten und seine Angehörigen, aber auch für alle weiteren Beteiligten mit sich bringen. Diese betreffen neben körperlichen Symptomen natürlich auch psychische, soziale und spirituelle Aspekte. Den Beginn der Sterbephase im klinischen Alltag zu diagnostizieren, ist schwierig. Anzeichen können bei fortgeschrittener Erkrankung Veränderung von Atmung, Bewusstsein, Abnahme des Allgemeinzustands und ein veränderter Hautzustand sein. Allerdings können sich potenziell reversible Zustände ähnlich präsentieren. Ist die Kommunikation mit einem Patientin nicht mehr oder nur noch eingeschränkt möglich, soll besonders auf Mimik, Gestik, Atmung, Muskeltonus, Blickkontakt, Bewegungsmuster, Reaktionen und paraverbale Lautäußerungen geachtet werden (SE 10.9., EK).

Die höchste Symptomprävalenz haben in diesem letzten Lebensabschnitt Atemnot (56,7%), Schmerz (52,4%), Rasselatmung (51,4%) und Verwirrtheit (50,1%).

Die Empfehlungen zur Behandlung von Atemnot und Schmerzen in der Sterbephase entsprechen den zuvor genannten.

Delir in der Sterbephase

Ein Delir kann häufig in der Sterbephase auftreten. Die Ursachen sind multifaktoriell. Die große Herausforderung ist es, ein Delir frühzeitig zu erkennen, um entsprechend reagieren zu können. Dieses ist gekennzeichnet durch einen raschen Beginn und einen fluktuierenden Verlauf. Zu beobachten sind Bewusstseinsstörungen, Störungen von Aufmerksamkeit und Denken sowie ein gestörter Tag-Nacht-Rhythmus. Ein Hilfsmittel zur Diagnosestellung ist die Confusion Assessment Method (CAM, Tab. 4).

Tab. 4. Confusion Assessment Method (CAM) zu Diagnosestellung bei Delir

Akuter Beginn und fluktuierender Verlauf

Fremdenanamnestisch abklären:

Gibt es Hinweise für eine akute Veränderung des geistigen Zustands des Patienten gegenüber seinem Normalverhalten?

Gibt es Tagesschwankungen innerhalb der qualitativen oder quantitativen Bewusstseinsstörung?

=1*

Störung der Aufmerksamkeit

Hat der Patient Mühe, sich zu konzentrieren? Ist er leicht ablenkbar?

=1*

Denkstörungen

Hat der Patient Denkstörungen im Sinne von inkohärentem, paralogischem, sprunghaftem Denken?

=1

Quantitative Bewusstseinsstörung

Jeder Zustand außer „wach“ wie hyperalert, schläfrig, stuporös oder komatös

=1

Die mit einem *bezeichneten Punkte sind für die Diagnose obligatorisch; Beurteilung: Drei und mehr Punkte: wahrscheinlich Delirium. Sensitivität 94–100%, Spezifität 90–95%

Weder zur Prävention noch zur Behandlung eines Delirs in der Sterbephase liegen Daten vor, sodass sich die Behandlungsempfehlungen an Erfahrungen bei Patienten außerhalb der Sterbephase orientierten. Wichtig in der Behandlung sind in erster Linie nichtmedikamentöse Maßnahmen. Außerdem sollten nicht bei jedem Anzeichen von Unruhe Arzneimittel verabreicht werden. Zusätzlich ist die Symptomlast des Patienten durch ein mögliches Delir kritisch zu prüfen. Zu den nichtmedikamentösen Behandlungsoptionen zählen eine reizarme Umgebung, Sturzprophylaxe sowie eine ruhige Kommunikation und Kontinuität in der Betreuung. Wird die Notwendigkeit einer medikamentösen Behandlung gesehen, sollte Haloperidol eingesetzt werden (SE 10.15., B/1–). Als Dosierung werden 0,5 bis 2 mg alle 2 bis 12 Stunden empfohlen. Bei unzureichender Wirksamkeit, zum Beispiel aufgrund ausgeprägter hyperaktiver Symptomatik, kann auch eine Kombination aus einem niedrigpotenten Antipsychotikum wie Levomepromazin und einem Benzodiazepin wie Midazolam oder Lorazepam erfolgen. Eine Monotherapie mit Benzodiazepinen ist bei einem Delir nicht indiziert. Neuere Antipsychotika wie Olanzapin oder Aripiprazol könnten möglicherweise eine ähnliche Wirksamkeit wie Haloperidol haben.

Rasselatmung

Bei 23 bis 92% der Patienten kommt es in der Sterbephase, vor allem in den letzten 17 bis 57 Stunden vor dem Tod, zum Auftreten von Rasselatmung [14]. Die Ursache ist mutmaßlich die Ansammlung von Sekreten in den Atemwegen, die aufgrund abnehmender Schluckreaktion und eines mangelnden Hustenreflexes nicht mehr entfernt wird. Eine parenterale Flüssigkeitssubstitution sollte in der Sterbephase beendet werden, da diese die Symptomatik durch eine vermehrte Sekretproduktion verstärken kann.

Belastet sind durch dieses Symptom aufgrund der Geräuschentwicklung vor allem die Angehörigen. Diese sollten daher auch ausreichend über das Symptom informiert werden, insbesondere darüber, dass Rasselatmung nicht zwangsläufig mit Atemnot einhergeht. Von der Behandlung durch Absaugen ist Abstand zu nehmen, da es sich hierbei zum einen um eine belastende Prozedur für den Patienten handelt; zum anderen zeigt die Erfahrung auch, dass bereits kurze Zeit später das Rasseln erneut auftritt. Lagerungsmaßnahmen, die zur Sekretmobilisation und zum -ablauf geeignet sind, können angewendet werden (SE 10.18., 0/4). Ein Überstrecken des Kopfes sollte allerdings vermieden werden.

Ein medikamentöser Therapieversuch kann in manchen Fällen erwogen werden. Die medikamentöse Behandlungsstrategie besteht aus dem Einsatz von Anticholinergika, wie Butylscopolamin 20 mg s.c., oder Glycopyrrolat 0,2 mg s.c. Diese sollten möglichst frühzeitig eingesetzt werden, da sie nur die Bildung neuen Sekretes reduzieren können, jedoch keinen Einfluss auf bereits vorhandenes Sekret haben. Die stützende Datenbasis für die Anticholinergika ist insgesamt dünn, die klinischen Erfahrungen sind heterogen. Entsprechend lautet die Empfehlung der Leitlinie auch, dass bei Sterbenden mit belastender Rasselatmung Anticholinergika zur Reduktion der Rasselatmung eingesetzt werden können (SE 10.19., 0/1–).

In diesem Artikel nicht explizit aufgeführte Empfehlungen zum Umgang mit Xerostomie, Flüssigkeit und Ernährung sowie Angst und Unruhe in der Sterbephase können der Leitlinie entnommen werden.

Fazit

Die S3-Leitlinie „Palliativmedizin für Patienten mit einer nicht heilbaren Krebserkrankung“ stellt eine hilfreiche Informationsquelle für die palliativmedizinische Versorgung dar. Sie kann einen wichtigen Beitrag zur evidenzbasierten Entscheidungsfindung im klinischen Alltag liefern.

Interessenkonflikterklärung

AP gibt an, dass keine Interessenkonflikte vorliegen

CB hat Honorare für Vorträge, Stellungnahmen oder Artikel erhalten von: Bayer Healthcare, Deutsches Ärzteblatt. CB hat Forschungsbeihilfe erhalten von: BMBF, Deutsche Krebshilfe, Stiftungen

CR hat Forschungsbeihilfe erhalten von: Deutsche Krebshilfe, Apothekerstiftung Nordrhein, Robert-Bosch-Stiftung, Lesmüller-Stiftung, Deutsche Palliativstiftung, Werner-Jackstädt-Stiftung

MF ist Angestellter der Deutschen Krebsgesellschaft e.V.

RV hat Honorare für die Beratung oder Teilnahme an einem Expertenbeirat erhalten von: Mundipharma, Pfizer, Konzept Pharma (scientific advisory function), Teva, Chugai. RV hat Honorare für Vorträge, Stellungnahmen oder Artikel erhalten von: Mundipharma, Hexal, Roche, Sysmex, Pfizer, Teva, AOK Rheinland/Hamburg, Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie, Prostrakan. RV hat Forschungsbeihilfe erhalten von BMFSFJ, Deutsche Krebshilfe, Teva, Robert-Bosch-Stiftung, DMSG/Hertie-Stiftung, Pfizer GmbH, Sander Stiftung, BMBF, Otsuka Pharma GmbH

SS hat Forschungsbeihilfe erhalten von: Teva GmbH, Otsuka GmbH

Literatur

1. Ahmedzai SH, Nauck F, Bar-Sela G, Bosse B, et al. A randomized, double-blind, active-controlled, double-dummy, parallel-group study to determine the safety and efficacy of oxycodone/naloxone prolonged-release tablets in patients with moderate/severe, chronic cancer pain. Palliative Medicine 2012;26:50–60.

2. Altfelder N. Characteristics of patients with breathlessness – a German national survey on palliative care in-patient units. Palliative Medicine 2010;24:37 (abstract).

3. Caraceni A, Hanks G, Kaasa S, Bennett MI, et al. Use of opioid analgesics in the treatment of cancer pain: evidence-based recommendations from the EAPC. Lancet Oncology 2012;13:e58–68.

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8. Shaheen PE, Walsh D, Lasheen W, Davis MP, Lagman RL. Opioid equianalgesic tables: are they all equally dangerous? J Pain Symptom Manage 2009;38:409–17.

9. Statistisches Bundesamt. Todesursachen nach Krankheitsarten 2014. www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/GesellschaftStaat/Gesundheit/Todesursachen/Todesursachen.html (Zugriff am 31.01.2016).

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12. von Leupoldt A, Sommer T, Kegat S, Eippert F, et al. Down-regulation of insular cortex responses to dyspnea and pain in asthma. Am J Respir Crit Care Med 2009;180:232–8.

13. von Leupoldt A, Sommer T, Kegat S, Baumann HJ, et al. Dyspnea and pain share emotion-related brain network. Neuroimage 2009;48:200–6.

14. Wee B, Hillier R. Interventions for noisy breathing in patients near to death. Cochrane Database of Systematic Reviews 2008:CD005177.



Constanze Rémi MSc, Prof. Dr. med. Claudia Bausewein MSc, Klinik und Poliklinik für Palliativmedizin, Klinikum der Universität München, Marchioninistr. 15, 81377 München. E-Mail: Constanze.Remi@med.uni-muenchen.de

Dr. med. Markus Follmann MPH MSc, Deutsche Krebsgesellschaft e. V., Kuno-Fischer-Straße 8, 14057 Berlin

Priv-Doz. Dr. med. Steffen T. Simon MSc, Prof. Dr. med. Raymond Voltz, Dr. med. Anne Pralong, Zentrum für Palliativmedizin der Uniklinik Köln, Kerpener Str. 62, 50937 Köln

S3 Guideline “Palliative Care for Patients with Incurable Cancer”

Maintaining the best quality of life up to the end is a central objective of palliative care in cancer patients. Pharmacotherapy plays a significant role in symptom management. The S3 Guideline “Palliative Care for Patients with Incurable Cancer”, which is part of the German Guideline Program in Oncology, was developed by a representative expert panel employing a consensus process. It contains evidence based recommendations on different topics in palliative care. This article presents the guidelines recommendations on drug therapy.

Key words: Palliative care, guideline, pharmacotherapy

Arzneimitteltherapie 2016; 34(05)