Behandlung des Nierenzellkarzinoms

Fortschritte durch zielgerichtete Therapien


Dr. Peter Stiefelhagen, Hachenburg

Die Einführung zielgerichteter Substanzen wie dem Tyrosinkinase-Inhibitor Pazopanib hat die Behandlungsmöglichkeiten bei Patienten mit einem metastasierten Nierenzellkarzinom wesentlich verbessert. Im Rahmen der empfohlenen Sequenztherapie hat Pazopanib sowohl in der Erst- als auch in der Zweitlinientherapie einen wichtigen Stellenwert, so das Fazit eines von der Novartis Pharma GmbH im Rahmen des 32. Deutschen Krebskongresses veranstalteten Satellitensymposiums.

Das Nierenzellkarzinom macht bei Frauen 2,5% und bei Männern 3,5% aller bösartigen Tumoren aus. Es ist nach dem Prostata- und Harnblasenkarzinom das dritthäufigste urologische Malignom. 2016 dürften in Deutschland schätzungsweise 10400 Männer und 6100 Frauen neu an diesem Tumor erkranken. Bei der Manifestation des Tumors sind genetische und erworbene Risikofaktoren wie Rauchen, Hypertonie und Bewegungsmangel beteiligt. Es werden verschieden histologische Subtypen unterschieden, die den Verlauf, die Prognose und das Ansprechen auf die Therapie beeinflussen. Das klarzellige Nierenzellkarzinom ist mit etwa 80 bis 90% der Fälle die größte Subgruppe. Entscheidend für die Prognose ist das Erkrankungsstadium. Drei Viertel der Tumoren werden im Stadium I und II diagnostiziert, was die insgesamt günstige 5-Jahres-Überlebensrate von rund 75% erklärt. Bei 30% der Patienten liegt zum Zeitpunkt der Diagnosestellung aber bereits eine Metastasierung vor und 20 bis 30% entwickeln im weiteren Krankheitsverlauf Metastasen. Voraussetzung für eine gezielte Behandlungsstrategie ist die Klassifikation des Tumors und die Einteilung mittels Scores in verschiedene Prognosegruppen.

Die Therapie des metastasierten Nierenzellkarzinoms (mRCC) ist fast immer palliativ. Gegen konventionelle Zytostatika ist das Nierenzellkarzinom nahezu vollständig resistent, sodass eine Chemotherapie nicht empfohlen wird.

Aktuelle Therapiestandards

Die immunmodulatorische Therapie mit Zytokinen (Interferon alfa [IFN-α] und Interleukin 2) war bis vor einigen Jahren Therapiestandard beim mRCC. Doch die Ansprechraten und klinischen Effekte unter dieser Therapie sind mäßig und die Toxizität relativ hoch. Deshalb wird die alleinige Immuntherapie heute nicht mehr durchgeführt.

Einen deutlichen Fortschritt in der Therapie des mRCC mit signifikanter Verlängerung des progressionsfreien Überlebens (PFS) und des Gesamtüberlebens (OS) brachte die Einführung der Multikinase-Inhibitoren (Pazopanib, Sunitinib, Sorafenib, Axitinib), die am VEGF-Rezeptor ansetzen und somit eine antiangiogene Wirkung entfalten, der selektiven Angiogenese-Hemmer (Bevacizumab) und der mTOR-Inhibitoren (Everolimus, Temsirolimus). Diese zielgerichteten Therapiestrategien sind heute zum Standard geworden. Sie greifen spezifisch in Signaltransduktionskaskaden der Zelle ein und wirken so auf Tumorangiogenese, Zellproliferation und Zellüberleben. Durch diese Substanzen konnte in den letzten Jahren die mittlere Lebenserwartung von 24 auf 30 Monate verlängert werden.

Sequenztherapie ist der Standard

Bisher gilt eine Sequenztherapie mit diesen zielgerichtet wirkenden Substanzen als Standard, da Kombinationen mit einem erhöhten Toxizitätsrisiko einhergehen. Aber es sind bereits auch Kombinationen in der klinischen Prüfung. Die aktualisierte europäische und deutsche Leitlinie empfehlen für die Erstlinientherapie Pazopanib, Sunitinib oder die Kombination Bevacizumab plus IFN-α, wobei Letzteres nur bei Patienten mit günstigem oder intermediärem Risikoprofil eingesetzt werden sollte (Abb. 1). Für Patienten mit hohem Risiko wird der mTOR-Inhibitor Temsirolimus empfohlen. Bei einem Progress unter Pazopanib oder Sunitinib sollte die Behandlung mit dem mTOR-Inhibitor Everolimus oder einem anderen Tyrosinkinase-Inhibitor fortgesetzt werden. In der deutschen Leitlinie wird als Secondline-Therapie nach Sunitinib oder Zytokinen Axitinib empfohlen. Nach Zytokinen können alternativ auch Pazopanib oder Sorafenib eingesetzt werden. Nach Versagen eines mTOR-Inhibitors sollte ein VEGF-Tyrosinkinase-Inhibitor gegeben werden.

Abb. 1. Algorithmus für die medikamentöse Erstlinientherapie des Nierenzellkarzinoms [www.onkopedia.de]; AZ: Allgemeinzustand; IFN: Interferon; IL: Interleukin

Ergebnisse einer Registerstudie

In der COMPARZ-Studie (Comparing the efficacy, safety and tolerability of pazopanib vs. sunitinib in first-line advanced and/or metastatic renal cell carcinoma) mit 1110 Patienten konnte Pazopanib (Votrient®) seine Nichtunterlegenheit in Bezug auf das progressionsfreie (PFS) und das Gesamtüberleben (OS) gegenüber Sunitinib (Sutent®) unter Beweis stellen, wobei die Lebensqualität unter Pazopanib sogar besser war [1]. Daraufhin hat in den letzten Jahren der Einsatz von Sunitinib kontinuierlich abgenommen, der von Pazopanib zugenommen. Die Mehrheit der Erstlinienbehandlungen wird nach Registerdaten heute mit Pazopanib durchgeführt. Ein Vergleich dieser Studienergebnisse mit aktuellen Daten aus einer Registerstudie mit 1327 Patienten zeigen, dass die Behandlungsergebnisse im Alltag etwas schlechter sind. Dies beruht jedoch allein auf der Tatsache, dass in Studien viele Patienten, nämlich mehr als jeder zweite, aufgrund von Alter, Begleiterkrankungen, insbesondere schlechtem Allgemeinbefinden und/oder einer Anämie, ausgeschlossen sind. Wenn man nur die potenziellen Studienpatienten im Register auswertet, ähneln die Behandlungsergebnisse bezüglich PFS und OS den Studiendaten.

Fazit

Die Einführung neuer zielgerichteter Therapien hat die Behandlungsmöglichkeiten beim mRCC wesentlich verbessert. Mit dem Tyrosinkinase-Inhibitor Pazopanib, der gegen VEGF-Rezeptoren gerichtet ist, steht eine Substanz zu Verfügung, die sowohl in der Firstline- als auch in der Secondline-Therapie eingesetzt werden kann.

Quelle

Dr. Norbert Marschner, Freiburg i.Br., Priv.-Doz. Dr. Peter J. Goebell, Erlangen, Satellitensymposium „Nierenzellkarzinom 2016: Wohin geht die Reise“, veranstaltet von Novartis Pharma GmbH im Rahmen des 32. Deutschen Krebskongresses, Berlin, 26. Februar 2016.

Literatur

1. Motzer RJ, et al. Pazopanib versus sunitinib in metastatic renal-cell carcinoma. N Engl J Med 2013;369:722–31.

Arzneimitteltherapie 2016; 34(05)