Metastasiertes Kolorektalkarzinom

Innovative Therapiestrategien zur Überlebens-Verlängerung


Dr. Susanne Heinzl, Reutlingen

Für Patienten mit metastasiertem Kolorektalkarzinom muss eine individuelle Therapiestrategie erarbeitet werden. Dabei spielen die gezielte Therapie molekularer Subgruppen und eine Biomarker-gesteuerte Behandlung eine immer größere Rolle, wie bei einem Satelliten-Symposium von Sanofi beim Deutschen Krebskongress im Februar 2016 in Berlin berichtet wurde.

Fortschritte in der Therapie des metastasierten Kolorektalkarzinoms haben in den letzten 35 Jahren zu einer kontinuierlichen Verlängerung des Gesamtüberlebens der betroffenen Patienten beigetragen. Während in den 80er-Jahren mit Best Supportive Care ein Gesamtüberleben von sechs Monaten erreicht werden konnte, sind es derzeit mit Chemotherapie-Kombinationen plus Biomarker-gesteuerter gezielter Therapie rund 30 Monate.

Mit modernen Studienkonzepten können beispielsweise der Nutzen gezielter molekularer Analysen, von Patienten berichteter Nutzen oder der Nutzen etablierter Arzneimittel in neuen Behandlungsszenarien untersucht werden.

Biomarker-gesteuerter Therapiewechsel

In der multizentrischen, internationalen Phase-II-Studie PERMAD wird ein neues Konzept zur Frage nach dem richtigen Zeitpunkt für einen Therapiewechsel untersucht. In einem ersten Teil der Studie erhalten 50 Patienten eine Erstlinientherapie mit FOLFOX (Fluorouracil, Folinsäure, Oxaliplatin) plus Bevacizumab (Avastin®) bis zur Progression, danach werden sie in der Zweitlinientherapie mit Aflibercept (Zaltrap®) plus FOLFOX behandelt. Dabei wird versucht, ein Markerprofil für das Ansprechen oder die Resistenz auf eine Anti-Angiogenese-Therapie zu etablieren. Falls sich ein Markerprofil für eine Resistenzentwicklung der Anti-Angiogenese-Therapie finden lässt, soll in einem zweiten, randomisierten Studienteil mit 150 Patienten eine Umstellung der Anti-Angiogenese-Therapie von Bevacizumab auf Aflibercept markerprofilgesteuert erfolgen, noch bevor eine Progression nach RECIST-Kriterien in der Bildgebung erkennbar ist. Die Chemotherapie soll erst bei konventionell festgestellter Progression auf FOLFIRI (Fluorouracil, Folinsäure, Irinotecan) umgestellt werden.

Studie zur Lebensqualität

In die nichtinterventionelle Qolitrap-Studie sollen bis zum Jahr 2018 1500 Patienten in Deutschland, Österreich und der Schweiz mit einem metastasierten Kolorektalkarzinom eingeschlossen werden, die nach einer Progression der Erkrankung zu einer Kombination aus Aflibercept plus FOLFIRI wechseln. In jedem Therapiezyklus werden Daten zur Lebensqualität erhoben. Zwischenergebnisse mit den Daten von 277 Patienten zeigten, dass die Lebensqualität über sechs Zyklen im Median weitgehend erhalten blieb.

Aflibercept in der Zweitlinientherapie

Eine Vielzahl von derzeit zugelassenen Substanzen bietet ein „Potpourri“ an Behandlungsmöglichkeiten. Für Angiogenesehemmer ist in verschiedenen Studien und in unterschiedlichen Populationen gezeigt worden, dass sie das Gesamtüberleben der Patienten verlängern können.

Aflibercept wurde unter anderem in der randomisierten, doppelblinden VELOUR-Studie (Kasten) untersucht. In der Phase-III-Studie wurden Wirksamkeit und Verträglichkeit von Aflibercept plus FOLFIRI mit FOLFIRI allein bei 1226 Patienten mit metastasiertem Kolorektalkarzinom verglichen. Durch die zusätzliche Gabe von Aflibercept verlängerte sich das Gesamtüberleben der Patienten von 12,1 auf 13,5 Monate im Median, was einem Hazard-Ratio von 0,817 entsprach (p=0,0032).

Etwa 10% der ITT-Population waren sogenannte „Adjuvant Rapid Relapsers“ (ARR), das sind Patienten, bei denen die Erkrankung während der adjuvanten Behandlung oder während der ersten sechs Monate nach adjuvanter Behandlung fortschritt. Wegen ihrer schlechten Prognose werden diese Patienten gewöhnlich aus Studien ausgeschlossen. Werden diese Patienten auch in der VELOUR-Studie aus der Auswertung herausgenommen, so verbessert sich nach den Ergebnissen einer Post-hoc-Analyse die Differenz im medianen Gesamtüberleben auf 1,87 Monate (Hazard-Ratio [HR] 0,78) (Abb. 1). Werden nur die mit Bevacizumab vorbehandelten Patienten ohne ARR analysiert, vergrößert sich der Unterschied zwischen den Studienarmen auf 2,14 Monate (HR 0,81). Das mediane Gesamtüberleben mit Aflibercept beträgt dann 13,8 Monate.

Abb. 1. Post-hoc-Analyse der VELOUR-Studie: Wurden in der ITT-Population Patienten mit rascher Progression der Erkrankung ausgeschlossen, verlängerte sich das Überleben durch die Kombination von Aflibercept plus FOLFIRI um 1,87 Monate im Vergleich zur FOLFIRI-Therapie [Van Cutsem E, et al. Target Oncol. 2015 Dec 26]; HR: Hazard-Ratio; KI: Konfidenzintervall

Im unabhängigen Register OncoReg erreichte die Kombination aus FOLFIRI und Aflibercept ein medianes Gesamtüberleben von 17,1 Monaten in der Zweitlinientherapie.

Es stand in der AMT

Aflibercept – Fusionsprotein zur Behandlung von metastasiertem Kolorektalkarzinom. Arzneimitteltherapie 2012;30:244.

Quelle

Prof. Dr. Carsten Bokemeyer, Prof. Dr. Thomas Seufferlein, Prof. Dr. Ralf-Dieter Hofheinz, Prof. Dr. Arndt Vogel, Priv.-Doz. Dr. Stefan Kasper; Satellitensymposium „Innovative Therapiestrategien beim mCRC“, veranstaltet von Sanofi beim 32. Deutschen Krebskongress, Berlin, 27. Februar 2016 .

Arzneimitteltherapie 2016; 34(05)