Humane Papillomviren (HPV)

Neunfach-Impfstoff ist Vierfach-Impfstoff nicht unterlegen


Dr. Maja M. Christ, Stuttgart

Humane Papillomviren des Hochrisiko-Typs sind an der Entstehung von Plattenepithelkarzinomen im Anogenital- und Oropharynx-Bereich beteiligt. Die bisher zur Verfügung stehenden Impfstoffe richteten sich gegen zwei Hochrisiko-Typen, einer zudem gegen zwei Niedrigrisiko-HPV-Typen – und somit auch gegen Genitalwarzen. Ab sofort steht in Deutschland ein nonavalenter HPV-Impfstoff zur Verfügung. Er soll die Schutzwirkung in Bezug auf Zervixkarzinome auf 90% erhöhen, wie auf einer in Frankfurt von Sanofi Pasteur MSD veranstalteten Fachpressekonferenz bekannt gegeben wurde.
Mit einem Kommentar von Dr. Maja M. Christ, Stuttgart

Dass humane Papillomviren maßgeblich an der Entstehung von Zervixkarzinomen beteiligt sind, ist seit Längerem bekannt. Inzwischen weiß man auch, dass Hochrisiko-HPV-Typen Karzinome an Anus, Penis, Vulva und Vagina und im Oropharynx-Bereich begünstigen. In Deutschland wird die HPV-Impfung seit 2007 von der Ständigen Impfkommission am Robert Koch-Institut (STIKO) empfohlen. Nach anfangs noch hoher Impfrate hatten 2013 allerdings nur 40% der 17-jährigen Mädchen in Deutschland einen vollständigen Impfschutz [3].

Die bisher verwendeten HPV-Impfstoffe (Cervarix® und Gardasil®) richten sich gegen die zwei häufigsten onkogenen HPV-Typen HPV 16 und 18. Diese werden für etwa 70% der Zervixkarzinom-Erkrankungen verantwortlich gemacht. Die zunächst empfohlenen drei Impfdosen bei 12- bis 17-jährigen Mädchen wurden inzwischen – je nach verwendetem Impfstoff – für Mädchen von 9 bis 13 beziehungsweise von 9 bis 14 Jahren auf zwei Impfdosen im Abstand von sechs Monaten reduziert [4]. Experten erhoffen sich, so eine höhere Durchimpfungsrate zu erreichen.

Neunfach-HPV-Impfstoff: Zusammensetzung einer 0,5-ml-Dosis [1]

  • 30 µg HPV-Typ 6 L1-Protein (zuvor 20 µg)
  • 40 µg HPV-Typ 11 L1-Protein (wie bisher)
  • 60 µg HPV-Typ 16 L1-Protein (zuvor 40 µg)
  • 40 µg HPV-Typ 18 L1-Protein (zuvor 20 µg)
  • 20 µg HPV-Typ 31 L1-Protein
  • 20 µg HPV-Typ 33 L1-Protein
  • 20 µg HPV-Typ 45 L1-Protein
  • 20 µg HPV-Typ 52 L1-Protein
  • 20 µg HPV-Typ 58 L1-Protein
  • 500 µg amorphes Aluminiumhydroxyphosphatsulfat als Adjuvans (zuvor 225 µg)

Zusammensetzung des neuen HPV-Impfstoffs

Der erweiterte HPV-Impfstoff enthält L1-Protein in Form virusähnlicher Partikel gegen HPV 6, 11, 16, 18, 31, 33, 45, 52 und 58. Aufgrund der erhöhten Konkurrenz der einzelnen Komponenten wurde die Konzentration der gegen HPV 6, 11, 16 und 18 gerichteten Proteine gegenüber dem Vierfach-Impfstoff teilweise erhöht (Kasten). Außerdem enthält der neue Impfstoff mehr Adjuvans (500 µg statt 225 µg amorphes Aluminiumhydroxyphosphatsulfat pro 0,5 ml).

Neunfach-HPV-Impfstoff nicht unterlegen

In der zulassungsrelevanten Studie wurden Wirksamkeit, Sicherheit und Immunogenität des Neunfach-Impfstoffs im Vergleich zum Vierfach-Impfstoff untersucht (Tab. 1) [2]. In der Studie erhielten die Teilnehmerinnen die Impfung noch nach dem Dreifachschema.

Tab. 1. Wirksamkeit und Sicherheit des Neunfach-HPV-Impfstoffs: Studiendesign [nach 2]

Erkrankung

Durch HPV 6, 11, 16, 18, 31, 33, 45, 52 oder 58 verursachte Vorstufen maligner Läsionen und Karzinome an Zervix, Vulva, Vagina und Anus sowie Condylomata acuminata

Studienziel

Wirksamkeit, Sicherheit und Immunogenität des Neunfach- im Vergleich zum Vierfach-HPV-Impfstoff

Studientyp/
-phase

Interventionsstudie/
Phase-IIb/III

Studiendesign

Randomisiert, international, parallel, doppelblind

Teilnehmer

14215 Frauen zwischen 16 und 26 Jahren

Intervention

  • Neunfach-HPV-Impfstoff (n=7106)
  • Vierfach-HPV-Impfstoff (n=7109)

Primärer
Endpunkt

Kombinierte Inzidenz von durch HPV 31, 33, 45, 52 oder 58 verursachten Erkrankungen, HPV-Titer, unerwünschte Wirkungen, weitere

Sponsor

MSD

Register-Nr.

NCT00543543

Die Wirksamkeit des Neunfach-Impfstoffs in der Per-Protokoll-Gruppe gegenüber zervikalen, vaginalen und vulvären Präkanzerosen, verursacht durch die HPV-Typen 31, 33, 45, 52 oder 58, betrug 97,4% (95%-Konfidenzintervall [KI]: 85,0; 99,9) [1]. Eine von 6016 mit drei Dosen Neunfach-Impfstoff geimpften Frauen entwickelte eine mit HPV 31, 33, 45, 52 oder 58 assoziierte Erkrankung. In der Vergleichsgruppe erkrankten 38 von 6017 Frauen (Tab. 2).

Tab. 2. Wirksamkeit des Neunfach-HPV-Impfstoffs gegen HPV 31, 33, 45, 52 und 581 [nach 1]

Endpunkt,
jeweils assoziiert mit HPV 31, 33, 45, 52 oder 58

Neunfach-HPV-Impfstoff (N=7099)

Vierfach-HPV-Impfstoff (N=7105)

Wirksamkeit [%]
(95%-KI)

n

Anzahl der Fälle2

n

Anzahl der Fälle2

CIN 2/3, AIS, Zervixkarzinom, VIN 2/3, VaIN 2/3, Vulvakarzinom, Vaginalkarzinom

6016

1

6017

38

97,4
(85,0–99,9)

Persistierende
Infektion ≥6 Monat

5941

41

5955

946

96,0
(94,6–97,1)

Persistierende
Infektion ≥12 Monate

5941

23

5955

657

96,7
(95,1–97,9)

Auffälliger Pap-Test

5883

37

5882

506

92,9
(90,2–95,1)

Zervix: Operative therapeutische Maßnahme

6013

4

6014

41

90,2
(75,0–96,8)

1 Probanden mit drei Impfungen innerhalb eines Jahres nach Einschluss in die Studie, ohne größere Prüfplanverletzungen, vor der 1. Dosis und bis einen Monat nach der 3. Dosis (Monat 7) negativ für den/die relevanten HPV-Typ(en) (Typ 31, 33, 45, 52 und 58)

2 Anzahl Probanden mit mindestens einer Folgeuntersuchung nach Monat 7

AIS: Adenocarcinoma in situ; CIN: intraepitheliale Neoplasie der Zervix; HPV: humanes Papillomvirus; KI: Konfidenzintervall; N: Anzahl der in die betreffende Gruppe randomisierten Probanden mit mindestens einer Injektion; n: Anzahl der in die Analyse eingeschlossenen Probanden; Pap: Papanicolaou; VaIN: intraepitheliale Neoplasie der Vagina; VIN: intraepitheliale Neoplasie der Vulva

Die Immunogenität gegenüber den HPV-Typen 6, 11, 16 und 18 war einen Monat nach der dritten Impfdosis der des Vierfach-Impfstoffs nicht unterlegen. Vergleicht man die HPV-Antikörperkonzentrationen zwischen beiden Impfstoffen, ergeben sich keine signifikanten Unterschiede für den geometrischen Mitteltiter (das Mittel der Logarithmen der letzten positiven Verdünnung des Serums): Das Verhältnis zwischen Neunfach- und Vierfach-Impfstoff betrug 1,02, 0,80, 0,99 und 1,19 für HPV 6, 11, 16 und 18 (jeweils p<0,001 für Nichtunterlegenheit).

Gegenüber weiteren HPV-Typen, die nicht im Impfstoff berücksichtigt sind, zeigte sich keine Schutzwirkung.

Die Rate klinisch unerwünschter Ereignisse war in beiden Impfstoffgruppen ähnlich. Nebenwirkungen an der Injektionsstelle traten häufiger in der Gruppe mit dem Neunfach-Impfstoff auf (90,7% vs. 84,9%); am häufigsten waren Schmerzen, Schwellungen, Erythem und Pruritus. Sehr häufig berichteten die Teilnehmerinnen zudem über Kopfschmerzen (14,6% vs. 13,7%).

Geht man davon aus, dass durch Verhindern der zugrundeliegenden HPV-Infektionen ein Schutz vor den assoziierten Erkrankungen besteht, ergibt sich mit dem Neunfach-Impfstoff beispielsweise ein Schutz von 90% vor Genitalwarzen, 75–85% vor hochgradigen intraepithelialen Neoplasien der Zervix, 90% vor Zervixkarzinomen, 85–90% der mit HPV assoziierten Vulvakarzinome und 90–95% der HPV-assoziierten Analkarzinome [1].

Immunobridging-Studie: Wirksamkeitsnachweis für 9- bis 15-Jährige

Mithilfe einer „Immunobridging“-Studie sollen Ergebnisse einer (in der Regel groß angelegten) Wirksamkeitsstudie zu einem Impfstoff von der untersuchten Population auf andere Populationen übertragen werden. Voraussetzung für die Übertragbarkeit der Immunogenitätsdaten ist, dass die Immunantwort mit der durch den Impfstoff induzierten Immunität korreliert.

Um die Wirksamkeit auch für Mädchen und Jungen im Alter von 9 bis 15 Jahren zu zeigen, führten van Damme et al. eine solche Immunobridging-Studie durch [5]. Sie konnten für alle neun HPV-Typen Nichtunterlegenheit nachweisen, sowohl für Mädchen als auch für Jungen (p<0,001).

In einer bislang noch nicht veröffentlichten Immunobridging-Studie (Protokoll V503-010) zeigte sich außerdem das Zwei-Dosis-Schema dem Drei-Dosis-Schema in Bezug auf Sicherheit und Immunogenität nicht unterlegen (p<0,001). Somit kann der Impfstoff in Zukunft ebenfalls mit zwei Dosen angeboten werden.

Fazit

Der neu verfügbare Neunfach-HPV-Impfstoff zeigte in der Zulassungsstudie eine gute Wirksamkeit gegenüber HPV 31, 33, 45, 52 und 58. Gegenüber HPV 6, 11, 16 und 18 war er dem Vierfach-Impfstoff nicht unterlegen. Das Sicherheitsprofil entsprach dem des Vierfach-Impfstoffs.

Kommentar

Vor gut 50 Jahren war das Zervixkarzinom die häufigste Krebserkrankung bei Frauen in Deutschland. Inzwischen ist es auf Platz zwölf der häufigsten Krebserkrankungen bei Frauen zurückgefallen: Der Einführung des gesetzlichen Früherkennungsprogramms ist es zu verdanken, dass Dysplasien in der Regel so früh erkannt werden, dass eine operative Entfernung meist gut möglich ist.

Mit der HPV-Impfung steht seit einigen Jahren eine in der Regel gut verträgliche Option zur Verfügung, bereits die zugrundeliegende HPV-Infektion zu verhindern: Seit der Einführung der HPV-Impfung ging die Häufigkeit operativer Eingriffe am Gebärmutterhals zurück. Wie sich die Impfung letztendlich auf die Krebsraten auswirkt, muss sich in den kommenden Jahren zeigen – noch sind die Beobachtungszeiträume für endgültige Aussagen nicht ausreichend.

Da die HPV-Impfstoffe nur präventiv wirken und keine bestehenden Infektionen heilen können, ist es zu begrüßen, dass das empfohlene Impfalter vorgezogen wurde und nun deutlich vor dem Beginn der sexuellen Aktivität liegt. Im Gegensatz zu den USA oder Australien wird die Impfung in Deutschland (mit Ausnahme von Sachsen) bisher nur für Mädchen empfohlen – zugelassen ist der Neunfach-Impfstoff jedoch auch für Jungen und Männer. Es ist hoffentlich nur eine Frage der Zeit, bis die STIKO die Impfung geschlechterübergreifend empfiehlt. Bisher sind Jungen ausschließlich über die Herdenimmunität vor HPV-bedingten (Krebs-)Erkrankungen geschützt, was eine ausreichende Durchimpfungsrate der Mädchen voraussetzt.

Quelle

Prof. Dr. Peter Hillemanns, Hannover, Dr. Christoph Bornhöft, Bensheim-Auerbach; Fachpressekonferenz „Prävention vor 9 HPV-Typen mit Gardasil®9, veranstaltet von Sanofi Pasteur MSD, Frankfurt/M., 16. März 2016.

Literatur

1. Fachinformation Gardasil® 9. Stand Juni 2015.

2. Joura EA, et al. A 9-valent HPV vaccine against infection and intraepithelial neoplasia in women. N Engl J Med 2015;372:711–23.

3. Rieck T, et al. HPV-Impfquoten im Regionalvergleich: Eine Sekundärdatenanalyse aus der KV-Impfsurveillance. Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung in Deutschland (Zi), Versorgungsatlas-Bericht Nr. 16/01. Berlin, 2016.

4. Robert Koch-Institut (Herausgeber). Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) am Robert Koch-Institut. Epidemiologisches Bulletin 2015;34.

5. Van Damme P, et al. Immunogenicity and safety of a 9-valent HPV vaccine. Pediatrics 2015;136:e28–e39.

Arzneimitteltherapie 2016; 34(05)