Fortgeschrittenes oder metastasiertes NSCLC

Osimertinib für Patienten mit EGFR-T790M-Mutation


Dr. Susanne Heinzl, Reutlingen

Mit Osimertinib (Tagrisso®) hat die EU-Kommission im Februar 2016 beschleunigt den ersten Tyrosinkinase-Inhibitor zugelassen, der für die Behandlung von Patienten mit fortgeschrittenem oder metastasiertem nichtkleinzelligen Lungenkarzinom (NSCLC) und einer nachgewiesenen EGFR-T790M-Mutation eingesetzt werden kann. Die neue Substanz wurde bei einer Pressekonferenz von AstraZeneca im Februar 2016 in Berlin vorgestellt.

Das nichtkleinzellige Lungenkarzinom (NSCLC) ist eine komplexe Erkrankung, die in zahlreichen histologischen Erscheinungsformen und molekularen Variationen auftritt, die die Wirksamkeit der verschiedenen Therapieoptionen beeinflussen. Bei Patienten mit einer EGFR-Mutation sind Tyrosinkinase-Inhibitoren wie Gefitinib (Iressa®), Erlotinib (Tarceva®) oder Afatinib (Giotrif®) in der Erstlinentherapie wirksamer als eine Platin-basierte Chemotherapie.

Meist kommt es jedoch nach etwa 9 bis 14 Monaten zur Progression der Erkrankung, weil sich Resistenzen entwickelt haben. Bei Patienten mit EGFR-Mutation ist die T790M-Mutation der häufigste erworbene Resistenzmechanismus. Er liegt im Exon 20 des EGFR und lässt sich bei etwa 60% der unter einem Tyrosinkinase-Inhibitor progredienten Patienten nachweisen.

Neuer Tyrosinkinase-Inhibitor Osimertinib

Mit Osimertinib (Tagrisso®, Abb. 1) steht seit Kurzem ein neuer Tyrosinkinase-Inhibitor zur Verfügung, der auch noch bei Patienten mit T790M-Mutation wirkt. Er ist für Patienten mit fortgeschrittenem oder metastasiertem NSCLC zugelassen, bei denen die T790M-Mutation nachgewiesen ist. Die Mutation kann in Gewebebiopsien oder auch mit der cfDNA-Analytik (cell free DNA) im Blutplasma nachgewiesen werden. Falls möglich, sollte der Nachweis jedoch mithilfe von Gewebebiopsien erfolgen. Auf die Mutation sollte mit einem validierten Test an einer zertifizierten Einrichtung geprüft werden.

Abb. 1. Tyrosinkinase-Inhibitor Osimertinib (Tagrisso®)

Die beschleunigte EU-Zulassung für Osimertinib basierte auf den Daten der kombinierten AURA-Phase-II-Studien (AURA-Extension und AURA2, Tab. 1) sowie der AURA-Phase-I-Expansionsstudie. In den drei Studien wurde die Wirksamkeit von Osimertinib bei 474 NSCLC-Patienten mit EGFR-T790M-Mutation untersucht. In den kombinierten Phase-II-Studien (n=411) lag die Gesamtansprechrate bei 66% (95%-Konfidenzintervall [KI] 61–71%) und in der Phase-I-Studie (n=63) bei 62% (95%-KI 48–74%). Ohne Erkrankungsprogression lebten die Patienten im Phase-II-Studienprogramm 9,7 und in der Phase-I-Studie 11 Monate.

Tab. 1. AURA2 [www.clinicaltrials.gov]

Erkrankung

NSCLC

Studienziel

Wirksamkeit von Osimertinib bei EGFR-T790M-Mutation

Studientyp/-phase

Interventionsstudie/Phase II

Studiendesign

Open-Label

Eingeschlossene
Patienten

472

Intervention

  • Osimertinib (1-mal/Tag 80mg)

Primärer Endpunkt

Objektives Ansprechen beurteilt von unabhängigen Gutachtern

Sponsor

AstraZeneca

Studienregisternummer

NCT02094261
(ClinicalTrials.gov)

NSCLC: nichtkleinzelliges Lungenkarzinom

Osimertinib zeigte in der Phase-I-Studie zudem eine mediane Ansprechdauer von 9,7 Monaten, in den laufenden Phase-II-Studien war dieser Endpunkt noch nicht erreicht.

Als unerwünschte Wirkungen traten in den AURA-Phase-II-Studien zum Beispiel Diarrhö (42% alle Grade; 1% Grad 3/4), Hautausschlag (41% alle Grade; 0,5% Grad 3/4), trockene Haut (31% alle Grade; 0% Grad 3/4) und Nageltoxizitäten (25% alle Grade, 0% Grad 3/4) auf. Zudem führte die Therapie zu einer verminderten Anzahl von Thrombozyten (54% alle Grade, 1,2% Grad 3/4), Leukozyten (67% alle Grade, 1,2% Grad 3/4) und Neutrophilen (33% alle Grade, 3,4% Grad 3/4). Bei 3% der Patienten war eine Dosisreduktion und bei 6% ein Therapieabbruch wegen unerwünschter Wirkungen erforderlich.

Osimertinib wird derzeit in der Phase-III-Studie AURA3 bei Patienten mit lokal fortgeschrittenem oder metastasiertem EGFR-T790M-mutationspositivem NSCLC, bei denen die Erkrankung nach einer EGFR-TKI-Therapie vorangeschritten ist, im Vergleich zu einer Platin-basierten Chemotherapie untersucht. Zudem wird es in der Adjuvanz, im metastasierten First-Line-Setting bei Patienten mit Hirnmetastasen und in Kombinationen mit anderen Wirkstoffen untersucht.

Osimertinib wird als 80-mg-Tablette einmal täglich eingenommen. Die Einnahme kann unabhängig von den Mahlzeiten erfolgen. Die Zubereitung ist wasserlöslich und kann nach Auflösung auch getrunken oder über eine Sonde appliziert werden.

Quelle

Dr. Wilfried Eberhardt, Essen, Prof. Dr. Michael Thomas, Heidelberg, Prof. Dr. Peter Schirrmacher, Heidelberg; AstraZeneca Launch-Pressekonferenz „Tagrisso®: Resistenz überwinden!“, Berlin, 25. Februar 2016.

Arzneimitteltherapie 2016; 34(05)