Fortgeschrittenes nicht-kleinzelliges Bronchialkarzinom

Neue Daten zu Afatinib und Nintedanib


Dr. Annette Junker, Wermelskirchen

Aktuelle Ergebnisse der Head-to-Head-Studie LUX-Lung 7 belegen für Afatinib Vorteile gegenüber Gefitinib: So verbesserte Afatinib im Vergleich zu Gefitinib signifikant das PFS bei Patienten mit fortgeschrittenem nicht-kleinzelligem Bronchialkarzinom (NSCLC) und häufigen EGFR-Mutationen in der Erstlinientherapie [2, 3]. Für die Zweitlinientherapie konnte in der Phase-III-Studie LUME-Lung 1 gezeigt werden, dass Nintedanib + Docetaxel das Gesamtüberleben signifikant verlängerte im Vergleich zu Placebo + Docetaxel bei Adenokarzinom-Patienten ohne therapierbare Mutationen – besonders profitierten Patienten mit aggressivem Krankheitsverlauf [4]. Die Ergebnisse dieser Studien wurden im Februar 2016 während des 32. Deutschen Krebskongresses in Berlin vorgestellt und diskutiert.

Adenokarzinome sind unter den nicht-kleinzelligen Bronchialkarzinomen (NSCLC) der am häufigsten auftretende Histologietyp. Die histologische Klassifizierung ist klinisch relevant, da sie für die Therapieentscheidung maßgeblich ist. Da besonders Lungenkrebs sehr häufig durch bestimmte Treibermutation ausgelöst beziehungsweise gefördert wird, ist es sehr wichtig eine frühzeitige und routinemäßige Biomarker-Testung bei Patienten mit fortgeschrittenem NSCLC durchzuführen, um diesen Patienten die Möglichkeit für eine zielgerichtete, angemessene Therapie zu eröffnen. Allerdings werden zurzeit in Deutschland nur bei rund 72% der Lungenkrebspatienten schon nach der Erstdiagnose ein EGFR-Mutationstest durchgeführt, sodass 35% der Patienten zu Beginn potenziell nicht richtig, also beispielsweise bei EGFR-Mutationen nicht schon in der Erstlinientherapie mit einem EGFR-Tyrosinkinase-Inhibitor (TKI) behandelt werden, wie es die aktuelle Onkopedia-Leitlinie empfiehlt [1, 6].

NSCLC: Erste Head-to-Head-Studie zweier EGFR-Tyrosinkinase-Inhibitoren

Neue Studiendaten zweier TKI erweitern nun die Evidenzlage in der Erstlinientherapie des fortgeschrittenen NSCLC mit häufigen EGFR-Mutationen. Die kürzlich beim ESMO Asia 2015 vorgestellten Ergebnisse der Head-to-Head-Studie LUX-Lung 7 (Tab. 1) zeigen, dass der irreversible ErbB-Family-Blocker Afatinib (Giotrif®) das progressionsfreie Überleben (PFS) von Patienten mit häufigen EGFR-Mutationen (Del19/L858R) signifikant verbesserte gegenüber dem reversiblen EGFR-Tyrosinkinaseinhibitor Gefitinib (Iressa®) (Hazard-Ratio [HR] 0,73; p=0,0165). Die LUX-Lung-7-Studie ist die weltweit erste Head-to-Head-Studie, die zwei EGFR-gerichtete Therapien in der Erstlinie direkt miteinander vergleicht. Sie erreichte bereits zwei ihrer primären Studienendpunkte: das PFS – ermittelt durch eine unabhängige Begutachtung – und die Zeit bis zum Therapieversagen (TTF) [2, 3]. Die Daten zum dritten primären Studienendpunkt, dem Gesamtüberleben (OS), sind derzeit noch nicht verfügbar. Unter einer Therapie mit Afatinib konnte das Risiko einer Krankheitsprogression signifikant um 27% vs. Gefitinib reduziert werden (HR 0,73; p=0,0165). In präspezifizierten Landmarkanalysen nach 18 Monaten waren 27% der Patienten unter Afatinib noch progressionsfrei vs. 15% unter Gefitinib (p=0,0176); nach zwei Jahren war bei mehr als doppelt so vielen Patienten die Krankheit noch nicht fortgeschritten, verglichen mit Gefitinib (18% vs. 8%; p=0,0184). (Abb. 1) Damit war der Anteil an Patienten mit einem Langzeit-Benefit unter Afatinib höher als unter Gefitinib. Das verbesserte PFS unter Afatinib war unabhängig vom EGFR-Mutationstyp (Del19/L858R) konsistent nachweisbar. Zusätzlich sprachen signifikant mehr Patienten auf die Behandlung mit Afatinib an verglichen mit Gefitinib (70% vs. 56%; p=0,0083).

Tab. 1. LUX-Lung 7 [www.clinicaltrials.gov]

Erkrankung

Neoplasie der Lunge

Studienziel

Vergleich Afatinib vs. Gefitinib in der Erstlinie bei EGFR-Mutation

Studientyp

Interventionsstudie, Phase IIb

Studiendesign

Randomisiert, parallel, Open-Label

Intervention

  • Afatinib (n=160)
  • Gefitinib(n=159)

Primäre Endpunkte

  • Zeit bis zum Therapieversagen
  • Progressionsfreies Überleben
  • Gesamtüberleben

Sponsor

Boehringer Ingelheim

Studienregisternummer

NCT01466660
(ClinicalTrials.gov)

Abb. 1. Progressionsfreies Überleben (primärer Endpunkt) in der LUX-Lung-7-Studie. Afatinib verbesserte signifikant das PFS versus Gefitinib bei Del19/L858R.

Die LUX-Lung-7-Studie bestätigte die bekannten Nebenwirkungsprofile beider Therapien. Sowohl die Behandlung mit Afatinib als auch mit Gefitinib war allgemein gut verträglich, was zu gleich niedrigen Therapieabbruchraten in den Behandlungsarmen führte (6,3% vs. 6,3%) [2, 3]. Mit Afatinib ist eine flexible Dosisanpassung für eine bessere Verträglichkeit möglich [7]. Je nach Verträglichkeit kann die Dosis in 10-mg Schritten angepasst werden. Nach verträglichkeitsbedingten Dosisanpassungen bleiben wirksame Plasmaspiegel erhalten [7].

Erstmals seit zehn Jahren Verlängerung des Gesamtüberlebens in der Zweitlinie

Auch in der Zweitlinientherapie gab es in den letzten Jahren deutliche Fortschritte zu verzeichnen. Seit einem Jahr steht mit dem dreifach zielgerichteten Angiokinase-Hemmer Nintedanib (Vargatef®) eine neue moderne Behandlungsoption für Patienten mit Adenokarzinom der Lunge ohne nachgewiesene therapierbare Mutation zur Verfügung. Nintedanib in Kombination mit Docetaxel verlängerte signifikant das Gesamtüberleben in der Zweitlinientherapie bei Adenokarzinom-Patienten im Vergleich zur Docetaxel-Monotherapie – im Median auf über ein Jahr (medianes OS: 12,6 Monate vs. 10,3 Monate; HR 0,83; p=0,0359) [4]. Mit Veröffentlichung der Ergebnisse der LUME-Lung 1-Studie wurde nach langer Zeit erstmals wieder eine Verlängerung der Überlebenszeit bei NSCLC-Patienten mit Adenokarzinom-Histologie gezeigt. Das Gesamtüberleben war der sekundäre Hauptendpunkt der doppelblinden, Placebo-kontrollierten, randomisierten Phase-III-Studie; der primäre Endpunkt PFS in der Gesamtstudienpopulation wurde erreicht. Die LUME-Lung-1-Studie zeigte einen besonders deutlichen Vorteil für Patienten mit schlechter Prognose, das heißt aggressivem Krankheitsverlauf. Adenokarzinom-Patienten, deren Tumor innerhalb von neun Monaten nach Beginn der Erstlinientherapie progredient war, profitierten von einem Gesamtüberlebensvorteil von drei Monaten (medianes OS: 10,9 vs. 7,9 Monate; HR 0,75; p=0,0073). Bei Patienten, die nicht auf eine Erstlinientherapie ansprachen, sogenannte refraktäre Patienten, lag der Überlebensvorteil sogar bei 3,5 Monaten (medianes OS: 9,8 vs. 6,3 Monate; HR 0,62; p=0,0246). Eine aktuelle Auswertung der Studie zeigt darüber hinaus eine Stabilisierung der Gesamttumorlast für bis zu 4 Monate durch die zusätzliche Gabe von Nintedanib [5]. Patienten profitierten von Nintedanib + Docetaxel, ohne dass die Kombinationstherapie die Lebensqualität zusätzlich beeinträchtigte [4].

Fazit

Die Behandlung des NSCLC in der Erst- und Zweitlinientherapie ist komplexer geworden, die Herausforderung, die individuell richtige Therapie für den Patienten zu wählen, größer. Eine Biomarkertestung schon nach der Erstdiagnose sollte zum Standard werden. Die neuen Daten zu Afatinib und die Erfahrungen mit Nintedanib aus einem Jahr Einsatz im klinischen Alltag sollten in die Überlegungen des behandelnden Arzt für individuelle Therapieentscheidungen eingehen – für den bestmöglichen Patientennutzen in der Erst- und Zweitlinie. Der Erhalt an Lebensqualität besonders für vorbehandelte Patienten hat im klinischen Alltag einen hohen Stellenwert und sollte in die Erwägungen eingehen.

Quelle

Karl-Mattias Deppermann, Düsseldorf, Nicolas Dickgreber, Rheine, David Heigener, Grosshansdorf; Pressegespräch Boehringer Ingelheim während des DKK 2016, Berlin, 24.02.2016.

Literatur

1. www.onkopedia.com/de/onkopedia/guidelines/lungenkarzinom-nicht-kleinzellig-nsclc/@@view/html/index.html (Letzter Zugriff 21.04.16).

2. Park K, et al. Afatinib versus gefitinib as first-line treatment for patients with advanced non-small cell lung cancer harboring activating EGFR mutations: results of the global, randomized, open-label, Phase IIb trial LUX-Lung 7. LBA2, oral presentation at the ESMO Asia 2015 Congress in Singapore, 18–21 December 2015.

3. Park K, et al. Afatinib versus gefitinib as first-line treatment of patients with EGFR mutation-positive non-small-cell lung cancer (LUX-Lung 7): a phase 2B, open-label, randomised controlled trial. Lancet Oncol. doi: 10.1016/S1470-2045(16)30033-X. [Epub ahead of print].

4. Reck M, et al. Docetaxel plus nintedanib versus docetaxel plus placebo in patients with previously treated non-small-cell lung cancer (LUME-Lung 1): a phase 3, double-blind, randomised controlled trial. Lancet Oncol 2014;15:143–55.

5. Reck M, et al. Tumour growth over time in patients with advanced non-small cell lung cancer treated with nintedanib plus docetaxel or placebo plus docetaxel: analysis of data from the LUME-Lung 1 study. Presented at European Cancer Congress, Vienna, Austria, 25–29 September 2015.

6. Spicer J, et al. EGFR Mutation testing and oncologic treatment choice in advanced NSCLC: global trends and differences. Presented at ELCC 2015, abstract number LBA2_PR.

7. Yang JC, et al. Influence of dose adjustment on afatinib safety and efficacy in patients with advanced EGFR mutation-positive NSCLC. J Clin Oncol 2015 33/suppl abstr. und Poster #8073.

Arzneimitteltherapie 2016; 34(06)