Dr. med. Peter Stiefelhagen, Hachenburg
Die KHK und ihre Folgen sind weiterhin die häufigste Todesursache in Deutschland. Zurzeit kommt es jährlich zu etwa 353000 Todesfällen durch kardiovaskuläre Erkrankungen, und die Tendenz ist angesichts der demographischen Entwicklung steigend. Einer der wichtigsten Risikofaktoren ist das Low-Density-Lipoprotein(LDL)-Cholesterol. Dieses ist nicht nur ein Risikoindikator, sondern kausal in die Entstehung und Progression der Arteriosklerose eingebunden. Die KHK-Ereignisrate korreliert mit der Höhe des LDL-Cholesterol-Spiegels. Genetische Untersuchungen konnten zeigen, dass ein um 1 mmol/l (entspricht ca. 40 mg/dl) niedrigerer LDL-Cholesterol-Spiegel das kardiovaskuläre Risiko halbiert. Durch eine therapeutische LDL-Cholesterol-Senkung um 1 mmol/l wird das Risiko für ein schweres kardiovaskuläres Ereignis um 22% gesenkt [2]. Bei einer Senkung des LDL-Wertes auf <50 mg/dl beträgt nach den Ergebnissen einer großen Metaanalyse das 1-Jahresrisiko für ein kardiovaskuläres Ereignis weniger als 5% im Vergleich zu 16,5% bei einem LDL-Wert zwischen 70 bis 100 mg/dl. Deshalb gilt für das LDL-Cholesterol: „The lower the better“. Bei Hochrisiko-Patienten, also Patienten mit einer manifesten KHK oder einer familiären Hypercholesterinämie, sollte heute entsprechend der offiziellen Leitlinien ein Zielwert <70 mg/dl angestrebt werden. Bei diesem Wert kann man von einer Plaquestabilisierung, eventuell sogar von einer Regression, ausgehen.
Limitationen der Statin-Therapie
Der bisherige Standard in der Lipidtherapie sind die Statine, die das Risiko für ein kardiovaskuläres Ereignis um ein Viertel senken. Doch viele Patienten erreichen trotz hoher Dosis oder Kombination mit Ezetimib nicht den Zielwert. Bei etwa 10% muss die Dosis wegen einer Myopathie reduziert oder die Substanz ganz abgesetzt werden. Dazu gehören vor allem Hochrisiko-Patienten, inklusive solche mit einer familiären Hypercholesterinämie. Für eine Hypercholesterinämie, die durch eine Mutation des LDL-Rezeptor-Gens verursacht wird, sprechen ein hohes LDL-Cholesterol und eine entsprechende Familienanamnese. In Deutschland gibt es schätzungsweise 173000 Hochrisiko-Patienten, die trotz einer maximalen Lipid-senkenden Therapie einen LDL-Cholesterol-Wert von>160 mg/dl aufweisen. Somit besteht dringender Bedarf für neue effektivere Therapiestrategien.
PCSK9-Hemmung: ein neues Therapiekonzept
PCSK9 ist ein Protein, das an die LDL-Rezeptoren bindet, was zu deren Abbau führt. Somit stehen weniger LDL-Rezeptoren auf den Hepatozyten zur Verfügung, um das LDL-Cholesterol aus dem Blut zu eliminieren. PCSK9 verringert die Verfügbarkeit des LDL-Rezeptors. Antikörper gegen PCSK9 erhöhen dessen Verfügbarkeit und senken somit das LDL-Cholesterol. Die Hemmung des PCSK9-Stoffwechselwegs ist ein neuer vielversprechender Therapieansatz zur Senkung des LDL-Cholesterols. Die additive Gabe eines PCSK9-Inhibitors zusätzlich zu einem Statin erscheint sinnvoll, da Statine nicht nur die Cholesterol-Synthese hemmen, sondern auch die Expression der LDL-Rezeptoren erhöhen, was eine Gegenregulation in Form einer PCSK9-Induktion zur Folge hat. Dies erklärt, warum eine Erhöhung der Statin-Dosis nur einen geringen zusätzlichen Effekt zeigt. Mit dem vollständig humanen monoklonalen Antikörper Evolocumab (Repatha®) steht ein potenter PCSK9-Inhibitor zur Verfügung, der im Rahmen eines umfangreichen Programms in 20 Studien mit 30000 Patienten (PROFICIO: Program to reduce LDL-C and cardiovascular outcomes following inhibition of PCSK9 in different populations) untersucht wird.
Starke LDL-Cholesterol-Senkung
Bei Hochrisiko-Patienten kann mit Evolocumab in Kombination mit einem Statin oder ohne ein Statin das LDL-Cholesterol relativ um rund 60% gesenkt werden. Dies gilt sowohl für Patienten mit einer Statin-Unverträglichkeit (GAUSS3-Studie: Goal achievement after utilizing an anti-PCSK9 antibody in statin intolerant subjects) [1] als auch für Patienten mit einer familiären Hypercholesterinämie (RUTHERFORD-Studie: Reduction of LDL-C with PCSK9 inhibition in heterozygous familial hypercholesterolemia disorder study) [3]. In einer Langzeitstudie konnte insgesamt bei bis zu 94% der mit Evolocumab in Kombination mit einem Statin behandelten Patienten ein LDL-Cholesterol-Zielwert <70 mg/dl erreicht werden [4]. Die Ergebnisse der kardiovaskulären Outcome-Studie FOURIER (Further cardiovascular outcomes research with PCSK9 inhibition in subjects with elevated risk) mit 27564 Patienten, die in der zweiten Jahreshälfte vorliegen dürften, werden zeigen, ob mit Evolocumab auch die kardiovaskuläre Ereignisrate gesenkt werden kann.
Fazit
Mit der bisherigen Standardtherapie erreichen kardiovaskuläre Hochrisiko-Patienten häufig nicht den LDL-Cholesterol-Zielwert <70 mg/dl. Mit dem neuen PCSK9-Inhibitor Evolocumab steht eine innovative Substanz zur Verfügung, mithilfe derer der LDL-Cholesterol-Wert durchschnittlich um etwa 60% gesenkt werden kann.
Quelle
Prof. Ulrich Laufs, Homburg/Saar, Prof. Martin Merkel, Hannover, Pressekonferenz: „Therapievorsprung durch Biotech: Repatha® (Evolocumab) zur Cholesterinsenkung bei Hochrisiko-Patienten“, veranstaltet von Amgen im Rahmen der 82. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie, Herz- und Kreislaufforschung, Mannheim, 31. März 2016.
Literatur
1. Clinicaltrials.gov. https://clinicaltrials.gov/ct2/NCT01984424 [Zugriff 04/2016]
2. Cholesterol Treatment Trialists’ (CTT) Collaboration, et al. Efficacy and safety of more intensive lowering of LDL cholesterol: a meta-analysis of data from 170,000 participants in 26 randomised trials. Lancet 2010;376:1670–81.
3. Raal FJ, et al. Low-density lipoprotein cholesterol-lowering effects of AMG 145, a monoclonal antibody to proprotein convertase subtilisin/kexin type 9 serine protease in patients with heterozygous familial hypercholesterolemia: the Reduction of LDL-C with PCSK inhibition in heterozygous familial hypercholesterolemia disorder (RUTHERFORD) randomized trial. Circulation 2012;126:2408–17.
4. Robinson JG, et al. Effect of evolocumab or ezetimibe added to moderate- or high-intensity statin therapy on LDL-C lowering in patients with hypercholesterolemia. The LAPLACE-2 randomized clinical trial. JAMA 2014;311:1870–83.
Es stand in der AMT
Inhibitoren der Proproteinkonvertase Subtilisin/Kexin Typ 9 (PCSK9) Arzneimitteltherapie 2015;33:371–8.
Arzneimitteltherapie 2016; 34(06)