Dr. Annette Junker, Wermelskirchen
Der Aufklärung der Pathophysiologie der chronischen myeloischen Leukämie (CML) folgte durch die Etablierung der Tyrosinikinase-Inhibitor-Therapie ein immenser Durchbruch in der CML-Therapie [8]. Angesichts der zunehmenden Lebenserwartung von CML-Patienten nach Einführung der Tyrosinkinase-Inhibitoren (TKI) treten neue Ziele in den Vordergrund (Kasten).
Ziele der CML-Therapie im Jahre 2016 [8]
- Erhöhung des Anteils der Patienten, die eine therapiefreie Remission, unter Umständen sogar Heilung der CML mit medikamentöser Therapie, das heißt ohne allogene Stammzelltransplantation erreichen können
- Verhinderung des Übergangs in eine Akzelerationsphase/Blastenkrise sowie der Entstehung von Resistenzen
- Verbesserung der Verträglichkeit der TKI-Therapie beziehungsweise der Compliance der Patienten
- Eradikation potentiell Rezidiv-verursachender leukämischer Stammzellen
Die Ponatinib-Zulassungsstudie
In der zulassungsrelevanten Phase-II-Studie PACE waren 449 stark vorbehandelte Patienten mit chronischer myeloischer Leukämie oder Philadelphia-Chromosom-positiver akuter lymphatischer Leukämie (Ph+ALL) mit Ponatinib behandelt worden. Sie hatten zuvor eine Resistenz oder Unverträglichkeit gegenüber Dasatinib oder Nilotinib gezeigt oder wiesen eine T315I-Mutation auf [1]. Im 3-Jahres-Update der PACE-Studie, das auf der Jahrestagung der European Hematology Association (EHA) 2015 vorgestellt worden war, zeigte Ponatinib eine weiterhin überzeugende antileukämische Wirkung [2]. 59% der 267 CP-CML-Patienten erzielten ein gutes zytogenetisches Ansprechen (MCyR) zu einem beliebigen Zeitpunkt und 39% ein gutes molekulares Ansprechen (MMR). Bei Patienten mit T315I-Mutation (n=64) erreichten 72% eine MCyR und 58% eine MMR. Das Ansprechen erwies sich zudem als dauerhaft: Nach drei Jahren lag der Anteil der CP-CML-Patienten, die weiterhin mindestens mit gutem zytogenetischem Ansprechen (MCyR) verblieben, bei geschätzten 83%. Das Gesamtüberleben nach drei Jahren lag bei geschätzten 81%.
Bessere Wirksamkeit unter Ponatinib bei früherem Einsatz
Zwei auf der ASH-Jahrestagung 2015 präsentierte Analysen der PACE-Studie unterstreichen die Bedeutung des Einsatzes von Ponatinib bereits in früherer Linie. Die Betrachtung beider Detailanalysen mit einer Nachbeobachtungszeit von jeweils vier Jahren führt zu dem Schluss, dass signifikant mehr CP-CML-Patienten ein besseres und dauerhaftes Ansprechen mit längerem progressionsfreiem Überleben (PFS) und Gesamtüberleben (OS) erreichen, wenn Ponatinib bereits in früheren Therapielinien eingesetzt wird und nicht späteren vorbehalten bleibt.
Die Post hoc-Analyse von Levy et al. zeigt, dass die Wirksamkeit von Ponatinib in der Drittlinie (3L, n=97) im Vergleich zum Einsatz in der Viertlinie oder späteren Therapien (4L+, n=154) signifikant besser ist [5] (Tab. 1). Patienten, die Ponatinib in der Drittlinientherapie erhielten, profitierten zudem von einem signifikant besseren dauerhaften Ansprechen: Während unter Ponatinib in der Drittlinientherapie geschätzt 89% der Patienten mit MCyR ihr Ansprechen für mindestens drei Jahre behielten, waren es in der Viertlinientherapie nach Bosutinib nur 53% (p=0,023). Das geschätzte 3-Jahres-PFS für den Einsatz von Ponatinib als Drittlinientherapie lag bei 72% im Vergleich zu 54% in 4L+ (p=0,016).
Unterstützt werden diese Ergebnisse durch die Analyse von Hochhaus et al.: Sie zeigten in einem 4-Jahres-Follow-Up der PACE-Studie, dass Ponatinib bei CP-CML-Patienten (n=270) mit weniger vorangegangenen TKI-Behandlungen insgesamt wirksamer und sicherer war als bei sehr stark vorbehandelten Patienten [3]. Die Ansprechraten für eine MCyR unter Ponatinib lagen nach zwei vorangegangenen TKI bei 71% versus 49% bei drei vorangegangenen TKI; die entsprechenden Ansprechraten für eine CCyR bei 65% versus 45% und für eine MMR bei 42% versus 37%.
Tab. 1. Ansprechraten in der PACE-Studie [5]
Drittlinie (n=98) |
Viertlinie (oder später, n=153) |
Viertlinie nach Bosutinib (n=22) |
|
MCyR [%] |
67 |
46 |
45 |
CCyR [%] |
56 |
37 |
27 |
MMR [%] |
42 |
34 |
18 |
CCyR: komplettes zytogenetisches Ansprechen: MCyR: gutes zytogenetisches Ansprechen; MMR: gutes molekulares Ansprechen
Während der EHA-Jahrestagung 2015 wurde von Müller et al. die Landmark-Analyse vorgestellt. Hier zeigte sich, dass auch bei den stark vorbehandelten Patienten der PACE-Studie der nach drei Monaten erreichte BCR-ABL-Spiegel und damit ein schnelles und tiefes Ansprechen relevant war für die Langzeitprognose [6]. Das PFS und OS nach zwei Jahren war mit dem zytogenetischen und molekularen Ansprechen nach 3, 6 und 12 Monaten assoziiert. Dabei waren die Vorteile beim PFS und OS umso größer, je schneller und tiefer der BCR-ABL-Spiegel nach Beginn der Therapie mit Ponatinib absank. Dem frühen Erreichen einer MMR kam hier offensichtlich eine besondere Bedeutung für die günstige Prognose zu.
In einer weiteren Untersuchung von Nicolini et al. [7] wurden CP-CML-Patienten mit T315I-Mutation mit ebensolchen Patienten aus dem EBMT-Register (European bone marrow transplant) verglichen, die einer allogenen Stammzelltransplantation unterzogen wurden. Dabei lebten mit Ponatinib behandelte Patienten signifikant länger als die transplantierten Patienten (Abb. 1).

Abb. 1. Patienten mit einer CP-CML und einer T315I-Mutation überleben signifikant länger, wenn sie mit Ponatinib behandelt werden im Vergleich zu denen, die einer Stammzelltransplantation unterzogen werden [mod. nach 7]. IQR: Interquartilsabstand; NR: nicht erreicht
Ansprechen bleibt auch bei reduzierter Dosierung erhalten
Aufgrund des Auftretens arterieller Gefäßverschlüsse (AOE, artery occlusive events) wurde in der PACE-Studie im Oktober 2013 die Ponatinib-Dosierung reduziert. Im 3-Jahres-Update von Cortes et al. lag daher ein besonderer Fokus auf dem Einfluss der Dosisreduktion (von 45 mg/Tag auf 30 mg/Tag oder 15 mg/Tag) auf den Erhalt des Ansprechens und das Auftreten von AOE [2]. Es zeigte sich, dass ein Großteil der Patienten in molekularer Remission (MMR) diese auch nach der Dosisreduktion aufrechterhalten konnte (94%); ebenso behielten 95% der Patienten in guter zytogenetischer Remission (MCyR) ihr Ansprechen nach der Dosisreduktion. Wie eine multivariate Analyse darlegt, kann für eine Dosisreduktion von Ponatinib um 15 mg/Tag eine Reduktion des Risikos für arterielle Verschlussereignisse um ungefähr 33% vorausgesagt werden [4].
Fazit
Die bei der ASH- und EHA-Jahrestagung 2015 präsentierten Updates der für Ponatinib zulassungsrelevanten PACE-Studie legen nahe, Ponatinib nicht für den Einsatz in der Viert- oder Fünftlinientherapie aufzusparen. Ponatinib erzielt bei CP-CML-Patienten mit mehrfacher TKI-Resistenz oder T315I-Mutation in früheren Therapielinien höhere Remissionsraten mit tiefem und dauerhaftem Ansprechen als in späteren. Dies überträgt sich auch in ein längeres progressionsfreies Überleben und Gesamtüberleben.
Quelle
Prof. Dr. Tim Brümmendorf, Aachen. Symposium & Meet the Expert „Resistenzen überwinden: Zukunftsweisende Behandlungsstrategien bei CML und NSCLC“, veranstaltet von ARIAD Pharmaceuticals (Germany) GmbH im Rahmen des 32. Deutschen Krebskongresses 2016, Berlin, 26. Februar 2016.
Literatur
1. Cortes J, et al. A Phase 2 Trial of Ponatinib in Philadelphia Chromosome–Positive Leukemias. N Engl J Med 2013;369,1783–96.
2. Cortes J. et al. Ponatinib efficacy and safety in heavily pretreated leukemia patients: 3-year results of the PACE trial. European Hematology Association (EHA) Wien 2015, Abstract P234.
3. Hochhaus A, et al. Efficacy and safety of ponatinib in CP-CML patients by number of prior tyrosine kinase inhibitors: 4-year follow-up of the phase 2 PACE trial. American Society of Hematology (ASH) Orlando 2015, Abstract 4025.
4. Hochhaus A, et al. Clinical impact of dose modification and dose intensity on response to ponatinib (PON) in patients (pts) with philadelphia chromosome-positive (ph+) leukemias. J Clin Oncol 2014;32(5 Suppl): Abstract 7084.
5. Levy MY, et al. Relationship of line of therapy to efficacy for ponatinib in 3rd-line versus 4th-line chronic-phase chronic myeloid leukemia. American Society of Hematology (ASH) Orlando 2015, Abstract 1588.
6. Müller MC, et al. Responses at early landmark time points are associated with outcomes in heavily pretreated CP-CML patients treated with ponatinib. European Hematology Association (EHA) Wien 2015, Abstract P235.
7. Nicolini et al. The impact of ponatinib vs. allogenic stem cell transplantation (SCT) on outcomes in patients with chronic myeloid leukemia (CML) or Ph+ acute lymphoblastic leukemia (ph+ ALL) with T315I mutation. American Society of Hematology (ASH) Orlando 2015, Abstract 480.
8. Schmitt K, Brümmendorf TH. Die chronische myelosische Leukämie (CML) im Zeitalter der Tyrosinkinase-Inhibitor-Therapie. Arzneimitteltherapie 1/2 (2016): 3–12.
Arzneimitteltherapie 2016; 34(06)