Prof. Dr. Hans-Christoph Diener, Essen
In der Therapie der Hypercholesterinämie kann es zu Muskelschmerzen oder einer Myopathie kommen. Der Prozentsatz der Patienten, die Statine wegen Muskelschmerzen oder einer Creatinkinase(CK)-Erhöhung absetzen, liegt zwischen 5 und 10%. Außerdem sind Statine bei familiärer Hypercholesterinämie und bei extrem hohen Low-Density-Lipoprotein-Cholesterol(LDL-C)-Werten nicht ausreichend wirksam. Die neue Medikamentengruppe der Proproteinkonvertase Subtilisin/Kexin Typ 9 (PCSK9)-Hemmer ist hochwirksam zur Senkung der LDL-C-Spiegel. Soweit bisher abzusehen, haben diese Antikörper keine muskeltoxischen Eigenschaften. In einer zweiphasigen Studie sollte jetzt untersucht werden, bei wie vielen Patienten mit Statin-Therapie und geklagten Muskelschmerzen tatsächlich ein Zusammenhang mit dem eingenommenen Statin besteht. In einer zweiten Phase sollte bei Patienten mit Muskelbeschwerden die Wirksamkeit des PCSK9-Hemmers Evolocumab untersucht werden (Tab. 1).
Tab. 1. Studiendesign von GAUSS-3 (Goal achievement after utilizing an anti-PCSK9 antibody in statin intolerant subjects) [Nissen et al. 2016]
Erkrankung |
Hypercholesterinämie |
Studienziel |
Sicherheit und Wirksamkeit von Evolucumab versus Ezetimib bei Statin-Intoleranz mit Muskelbeschwerden |
Studientyp/Phase |
Intervention/Phase III |
Studiendesign |
Randomisiert, parallel, doppelblind, doppel-Dummy, multizentrisch |
Eingeschlossene Patienten |
Phase A: 491; Phase B: 218 |
Intervention |
Phase A:
Phase B:
Phase C (offene Verlängerungsstudie):
|
Primärer Endpunkt |
Änderung des Low-Density-Lipoprotein-Cholesterol-Werts nach 22 bzw. 24 Wochen |
Sponsor |
Amgen |
Studienregisternummer |
NCT01984424 (ClinicalTrials.gov) |
Die Studie gliederte sich in zwei Phasen. Initial wurden über vier Wochen alle Statine, Ezetimib und andere Cholesterol-Senker abgesetzt. Im zweiten Studienabschnitt erhielten die Patienten in einem doppelblinden, Placebo-kontrollierten Crossover-Design über einen Zeitraum von zehn Wochen entweder Atorvastatin 20 mg täglich oder Placebo und nach einer 2-wöchigen Auswaschphase die jeweils andere Therapie. Traten ausgeprägte Muskelbeschwerden auf, wurde die jeweilige Behandlungsphase abgebrochen. In der zweiten Studienphase wurden Patienten, die unter Atorvastatin Muskelbeschwerden hatten, in einem doppelblinden, randomisierten Design entweder oral mit Ezetimib 10 mg oder Placebo-Tabletten behandelt, oder es wurde im Abstand von vier Wochen 420 mg Evolocumab subkutan injiziert. Diese Studienphase umfasste 24 Wochen. Für die zweite Studienphase wurde die prozentuale Reduktion der LDL-C-Plasmaspiegel gemessen.
In die Phase A der Studie wurden 491 Patienten randomisiert. Das mittlere Alter betrug 61 Jahre, ein Drittel der Patienten hatte eine koronare Herzerkrankung, und 25% hatten bereits eine zerebrale Ischämie erlitten. Mehr als 80% der Patienten berichteten in der Vorgeschichte, dass sie drei und mehr Statine in der Vergangenheit nicht vertragen hatten. Die meisten Patienten klagten über Muskelschmerzen, bei etwa 15% der Patienten ließen sich Zeichen einer Myositis nachweisen. Die LDL-C-Spiegel bei Studieneinschluss betrugen im Mittel 212 mg/dl.
In Teil A der Studie entwickelten 126 der auf Atorvastatin randomisierten 245 Patienten muskelbezogene unerwünschte Ereignisse. In der Parallelgruppe entwickelten 83 von 246 Patienten muskelbezogene Nebenwirkungen. Für die Phase B wurden 218 Patienten aus der Phase A randomisiert. 73 erhielten Ezetimib versus oralem Placebo und 145 Evolocumab versus Placebo.
Bemerkenswert in der Phase A war die Tatsache, dass bei Patienten, bei denen die Behandlung mit Atorvastatin begann, und die anschließend Placebo erhielten, immerhin 17% unter Placebo über Muskelbeschwerden klagten. Umgekehrt klagten 36% der Patienten, bei denen zunächst Placebo und später Atorvastatin gegeben wurde, unter Placebo über Muskelschmerzen.
Nach 22 bis 24 Wochen betrugen die LDL-C-Werte mit Ezetimib 183 mg/dl mit einer absoluten Reduktion von 31 mg/dl. Die prozentuale Reduktion betrug 17%. Mit Evolocumab war der LDL-C-Wert 103 mg/dl mit einer absoluten Reduktion von 107 mg/dl, entsprechend 55%. Muskelsymptome berichteten 29% der Patienten, die mit Ezetimib behandelt wurden sowie 21% der mit Evolocumab behandelten Patienten. Fünf von 73 Patienten der Ezetimib-Gruppe und ein Patient von 145 in der Evolocumab-Behandlungsgruppe beendeten die Therapie wegen Muskelbeschwerden.
Kommentar
Ein nicht unerheblicher Prozentsatz von Patienten mit Hypercholesterinämie, die mit Statinen behandelt werden, entwickeln entweder in Ruhe oder bei Belastung Muskelschmerzen, wobei einige eine CK-Erhöhung und etwa 2 bis 3% sogar eine Myositis entwickeln. Bei diesen Patienten war bisher die einzige therapeutische Alternative Ezetimib. Dieser Cholesterin-Senker ist allerdings nicht so wirksam wie beispielsweise Atorvastatin. Die neue Medikamentengruppe der Antikörper gegen den PCSK9-Rezeptor ist in einer Reihe von Phase-II-Studien hochwirksam und einer Behandlung mit Statinen deutlich überlegen. Angesichts der hohen Kosten von etwa 8000 Euro im Jahr eignet sich diese Medikamentengruppe im Moment aber nur zur Behandlung der familiären Hypercholesterinämie. Eine zweite potenzielle Patientengruppe sind Patienten, die Statine nicht tolerieren. Die GAUSS-3-Studie zeigte, das Evoloczumab in der Reduktion des LDL-Cholesterols verglichen mit Ezetimib deutlich wirksamer ist. Ob dieser therapeutische Ansatz allerdings auch vaskuläre Endpunkte wie Herzinfarkt und ischämischen Insult signifikant reduziert, muss noch gezeigt werden.
Quelle
Nissen SE, et al.. Efficacy and tolerability of evolocumab vs. ezetimibe in patients with muscle-related statin intolerance: The GAUSS-3 randomized clinical trial. JAMA 2016;315:1580–90.
Arzneimitteltherapie 2016; 34(07)