Blutungen

Intrazerebrale Blutungen unter neuen Antikoagulanzien


Prof. Dr. Hans-Christoph Diener, Essen

Bei intrazerebralen Blutungen unter Nicht-Vitamin-K-antagonistischen oralen Antikoagulanzien (NOAKs) haben Patienten eine hohe Sterblichkeit und eine schlechte Prognose, so das Ergebnis einer prospektiven Beobachtungsstudie.
Mit einem Kommentar von Prof. Dr. Hans-Christoph Diener, Essen

Die am meisten gefürchtete Komplikation einer oralen Antikoagulation ist die intrazerebrale Blutung. Unter Vitamin-K-Antagonisten beträgt die Sterblichkeit zwischen 40 und 50%, wobei dieses sehr häufig durch ein Größenwachstum des Hämatoms bedingt ist. Die überlebenden Patienten haben meistens schwere neurologische Ausfälle. Die RASUNOA-Studie, initiiert von Roland Veltkamp in London (früher Heidelberg), sammelt an 38 Stroke-Units in Deutschland Daten von 61 Patienten mit Antikoagulanzien-induzierten Hirnblutungen.

Zwischen Februar 2012 und Dezember 2014 wurden 61 konsekutive Patienten mit nichttraumatischen intrazerebralen Blutungen erfasst, die mit NOAKs behandelt wurden. 45 von ihnen kamen für eine Subgruppenanalyse in Betracht, die das Hämatomwachstum untersuchte. 25 der 61 Patienten mit NOAK-assoziierter intrakranieller Blutung waren weiblich, das mittlere Alter betrug 76 Jahre.

Der mediane Wert auf der NIHSS-Skala (Kasten) bei Aufnahme betrug 10, das mittlere Hämatom-Volumen betrug 23,7 ml. Bei den Patienten, bei denen eine sequenzielle Bildgebung vorlag, wurde bei 17 von 45, entsprechend 38%, eine Größenzunahme der Blutung beobachtet. Die Sterblichkeit betrug innerhalb der ersten drei Monate 28%, und 65% der Betroffenen hatten schwere neurologische Ausfälle, definiert als Wert auf der modifizierten Rankin-Skala zwischen 3 und 6. 57% der Patienten wurden mit Prothrombinkomplex behandelt, wobei dies offenbar keinen Einfluss auf das Größenwachstum der Blutung hatte. Die Gabe von Prothrombinkomplex hatte auch keinen Einfluss auf den Outcome.

NIHSS – National Institutes of Health Stroke Scale

Skala zur klinischen Beurteilung der Schwere eines Schlaganfalls, von 0 (keine Symptome) bis max. 42 Punkte:

  • 0–4 Punkte: Leichter Schlaganfall
  • 5–15 Punkte: Mittelschwerer Schlaganfall
  • 16–20 Punkte: Mittelschwerer bis schwerer Schlaganfall
  • 21–42 Punkte: Schwerer Schlaganfall

Kommentar

In absoluten Zahlen ist das Risiko intrazerebraler Blutungen bei Patienten, die mit NOAKs behandelt werden, gegenüber Vitamin-K-Antagonisten signifikant um 50 bis 80% reduziert. Kommt es allerdings zu einer Blutung, ist die Prognose genauso schlecht wie bei Patienten, die unter Vitamin-K-Antagonisten bluten. Das deutsche Register zeigt auch, dass sehr wahrscheinlich die Gabe von Prothrombinkomplex die Prognose nicht beeinflusst. Seit Kurzem steht mit Idarucizumab ein spezifisches Antidot für Patienten zur Verfügung, die mit Dabigatran behandelt werden. Ob die Gabe dieses Antidots das Größenwachstum von Dabigatran-induzierten intrazerebralen Blutungen reduziert, ist bisher nicht bekannt. Im Laufe des Jahres ist auch mit der Zulassung von Andexanet alfa zu rechnen, einem spezifischen Antidot für Faktor-Xa-Antagonisten. Auch hier gibt es bisher keinerlei Informationen, ob das Größenwachstum von Blutungen und die Prognose insgesamt verbessert werden kann.

Quelle

Purrucker JC, et al. Early clinical and radiological course, management, and outcome of intracerebral hemorrhage related to new oral anticoagulants. JAMA Neurol 2016;73:169–77.

Arzneimitteltherapie 2016; 34(07)