Abdol A. Ameri, Weidenstetten
In Deutschland haben rund 20% der Erwachsenen einen BMI ≥30 kg/m2 und gelten damit als adipös [8]. Adipositas ist mittlerweile als chronische Erkrankung anerkannt [4, 13]. Ab einem BMI von>25,5 kg/m2 nimmt das Mortalitätsrisiko nahezu linear zu [1]. Auch die Prävalenz der mit Adipositas verbundenen Komorbiditäten, insbesondere die Prävalenz des metabolischen Syndroms, steigt mit dem BMI rasch an. Schon bei moderatem Übergewicht ist das Risiko für koronare Herzkrankheit, Dyslipidämie, Hypertonie und Diabetes mellitus Typ 2 im Vergleich zu Normalgewichtigen deutlich erhöht. Darüber hinaus treten bei Menschen mit Adipositas Erkrankungen der Gallenblase, die nichtalkoholische Fettleber und Arthrose vermehrt auf [3, 9]. Zudem steigt mit zunehmendem BMI das Risiko für viele Krebsentitäten, darunter Darm-, Leber-, Brust- und Gebärmutterkörperkrebs [2].
Langfristige Gewichtsreduktion ist schwierig
Gemäß der S3-Leitlinie der Deutschen Adipositas-Gesellschaft e.V. (DAG) ist eine Adipositastherapie bei einem BMI ≥30 kg/m2 indiziert sowie bei einem BMI zwischen 25 und <30 kg/m2, wenn gewichtsbedingte Begleiterkrankungen vorhanden sind. Therapieziel bei einem BMI zwischen 25 und 35 kg/m2 ist, innerhalb von sechs bis zwölf Monaten das Gewicht um mindestens 5% zu reduzieren; bei einem BMI >35 kg/m2 sollte das Gewicht um 10% verringert werden [4]. Schon eine moderate Gewichtsreduktion um 5% ist mit positiven Effekten auf zahlreiche metabolische Prozesse verbunden [7]. Die Adipositastherapie basiert auf allgemeinen Maßnahmen wie kalorienreduzierte Ernährung, vermehrte Bewegung und Verhaltensmodifikation. Eine medikamentöse Therapie kann ab einem BMI >30 kg/m2 oder einem BMI >25 kg/m2 plus Risikofaktoren in Erwägung gezogen werden. Interventionelle Verfahren kommen bei extremer Adipositas (BMI >40 kg/m2 oder BMI >35 kg/m2 plus Begleiterkrankungen) in Betracht. Die größte Herausforderung ist allerdings der langfristige Erhalt des reduzierten Körpergewichts. Grund dafür ist die gegenregulative Modulation durch Dysbalance der hormonellen Energiehomöostase. Eine Schlüsselrolle spielt dabei Ghrelin, ein Hormon, das die Nahrungsaufnahme antreibt. Auch ein Jahr nach erfolgreicher Gewichtsreduktion ist der Ghrelinwert noch erhöht [11].
Medikamentöse Unterstützung mit Liraglutid 3 mg
Mit dem GLP-1-Rezeptoragonisten Liraglutid 3 mg (Saxenda®) steht seit 1. April 2016 eine neue Option zur medikamentösen Therapie der Adipositas zur Verfügung. Die Substanz verringert das Hungergefühl und verzögert die Magenentleerung [6]. Das neue Arzneimittel ist zugelassen zur Behandlung von Erwachsenen mit einem BMI zwischen 27 und 30 kg/m2, die Adipositas-bedingte Komorbiditäten aufweisen, ergänzend zu einer kalorienreduzierten Ernährung und verstärkter körperlicher Aktivität. Liraglutid wird einmal täglich subkutan in- jiziert, vorzugsweise immer zur selben Tageszeit. Ausgehend von einer Initialdosis von 0,6 mg/Tag wird die Dosis wöchentlich in 0,6 mg-Schritten auf eine Höchstdosis von 3,0 mg/Tag erhöht. Nach 12 Wochen ist eine Kontrolle des Therapieerfolgs erforderlich. Bei einer Gewichtsabnahme um mindestens 5% des Ausgangsgewichtes kann die Therapie fortgesetzt werden. Einmal jährlich sollte die Notwendigkeit einer Fortführung der Therapie erneut beurteilt werden [5].
Die Wirksamkeit und Verträglichkeit von Liraglutid 3 mg begleitend zu einer hypokalorischen Diät (-500 kcal/Tag) und verstärkter Bewegung wurde in dem umfangreichen Phase-III-Studienprogramm SCALE™ untersucht (Tab. 1). In der 56-wöchigen Studie SCALE™ Obesity and Pre-diabetes bei 3731 Patienten mit einem BMI ≥30 kg/m2 oder ≥27 kg/m2 und Komorbiditäten führte Liraglutid 3 mg zu einer signifikanten Gewichtsabnahme im Vergleich zu Placebo (Abb. 1).
Tab. 1. Studiendesign von SCALE™ [nach 10, 12]
SCALE™ |
SCALE™ |
|
Erkrankung |
Adipositas |
Adipositas |
Studientyp/-phase |
Interventionell/Phase-III |
Interventionell/Phase-III |
Studiendesign |
Randomisiert, parallel, doppelblind |
Randomisiert, parallel, doppelblind |
Eingeschlossene Patienten |
3731 Patienten (BMI ≥30 kg/m2 oder ≥27 kg/m2 plus Komorbiditäten) |
422 |
Intervention |
|
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Primäre Endpunkte |
Gewichtsabnahme nach 56 Wochen, Anteil der Teilnehmer mit ≥5% bzw. ≥10% Änderung, beginnender Diabetes mellitus Typ 2 |
Mittlere Gewichtsabnahme, Anteil der Teilnehmer mit ≥5% Änderung, Halten der Gewichtsabnahme |
Sponsor |
Novo Nordisk |
Novo Nordisk |
Studienregister-Nr. (ClinicalTrials.gov) |
NCT01272219 |
NCT00781937 |

Abb. 1. Anteil der Patienten mit einer Gewichtsabnahme um 5%, 10% und 15% vom Ausgangswert nach einer 56-wöchigen Behandlung mit Liraglutid 3,0 mg/Tag versus Placebo [mod. nach10]
Nach 56 Wochen betrug der durchschnittliche Gewichtsverlust unter dem Verum 8% und unter Placebo 2,6% (p<0,0001). Ein bestehender Prädiabetes ging unter Liraglutid 3 mg häufiger zurück als unter Placebo (69,2% vs. 32,7%; p<0,001). Das Verträglichkeitsprofil entsprach im Allgemeinen den bisherigen Erfahrungen mit dem GLP-1-Rezeptoragonisten in der Diabetestherapie. Übelkeit, Durchfall und Obstipation waren die häufigsten unerwünschten Ereignisse [10].
Die Ergebnisse der SCALE™ Maintenance-Studie (n=422) belegen, dass die unter Liraglutid 3 mg erreichte Gewichtsreduktion langfristig aufrechterhalten werden kann: Patienten, die nach 12-wöchiger Behandlung mit der Substanz sowie hypokalorischer Diät und vermehrter Bewegung mindestens 5% ihres Ausgangsgewichtes abgenommen hatten, erreichten in Woche 56 einen zusätzlichen Gewichtsverlust von durchschnittliche 6,2% [12]. 81,4% der mit Liraglutid 3,0 mg behandelten Patienten, aber nur 48,9% der Patienten unter Placebo konnten das erreichte Körpergewicht aufrechterhalten (p<0,0001) [12].
Quelle
Priv.-Doz. Dr. Jens Aberle, Hamburg, Prof. Dr. Matthias Blüher, Leipzig, Prof. Dr. Andreas Pfeiffer, Berlin, Launch-Pressekonferenz „Adipositas behandeln: Eine neue Perspektive der Gewichtsreduktion mit Saxenda®“, veranstaltet von Novo Nordisk, Frankfurt/M., 22. März 2016.
Literatur
1. Berrington de Gonzalez A, et al. Body-mass index and mortality among 1.46 million white adults. N Eng J Med 2010; 363:2211–9.
2. Bhaskaran K, et al. Body-mass index and risk of 22 specific cancers: a population-based cohort study of 5·24 million UK adults. Lancet 2014;384:755–65.
3. Church TS, et al. Association of cardiorespiratory fitness, body mass index, and waist circumference to nonalcoholic fatty liver disease. Gastroenterology 2006;130:2023–30.
4. Deutsche Adipositas-Gesellschaft (DAG). Interdisziplinäre Leitlinie der Qualität S3 zur Prävention und Therapie der Adipositas. Online verfügbar unter: www.adipositas-gesellschaft.de/fileadmin/PDF/Leitlinien/S3_Adipositas_Praevention_Therapie_2014.pdf [letzter Zugriff: 23.03.2016].
5. Magkos F, et al. Effects of Moderate and Subsequent Progressive Weight Loss on Metabolic Function and Adipose Tissue Biology in Humans with Obesity. Cell Metab 2016; Feb 22. pii: S1550–4131(16)30053–5. doi: 10.1016/j.cmet.2016.02.005. [Epub ahead of print].
6. Fachinformation Saxenda®, Stand: März 2015.
7. Flint A, et al. The effect of physiological levels of glucagon-like peptide-1 on appetite, gastric emptying, energy and substrate metabolism in obesity. Int J Obes Relat Metab Disord 2001;25:781–92.
8. Mensink GBM, et al. Übergewicht und Adipositas in Deutschland. Ergebnisse der Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland (DEGS1). Bundesgesundheitsblatt 2013;56:786–94.
9. Must A, et al. The disease burden associated with overweight and obesity. JAMA 1999;282:1523–9.
10. Pi-Sunyer X, et al. A Randomized, Controlled Trial of 3.0 mg of Liraglutide in Weight Management. N Engl J Med 2015;371:11–22.
11. Sumithran P, et al. Long-term persistence of hormonal adaptations to weight loss. N Engl J Med 2011;365:1597–604.
12. Wadden TA, et al. Weight maintenance and additional weight loss with liraglutide after low-calorie-diet-induced weight loss: the SCALE Maintenance randomized study. Int J Obes 2013;37:1443–51.
13. World Health Organization. Obesity: preventing and managing the global epidemic. Report of a WHO consultation. World Health Organ Tech Rep Ser 2000;894:1–253.
Arzneimitteltherapie 2016; 34(07)