Tedizolidphosphat


Bei akuten bakteriellen Haut- und Weichgewebeinfektionen mit grampositiven Erregern

Ingo Stock, Bonn

Tedizolidphosphat wurde im März 2015 von der European Medicines Agency zur Behandlung Erwachsener mit akuten bakteriellen Haut- und Weichgewebeinfektionen zugelassen. In entsprechenden klinischen Studien erwies sich Tedizolidphosphat gegenüber einer Standardtherapie mit Linezolid als nicht unterlegen. Tedizolid zeigt eine gute Aktivität gegen zahlreiche grampositive Bakterien mit und ohne Multiresistenz, kann einmal täglich appliziert werden und ist nach den bisherigen Erkenntnissen gut verträglich.
Arzneimitteltherapie 2016;34:318–20.

Bei der Therapie schwerer Erkrankungen durch grampositive Bakterien mit multiplen Antibiotika-Resistenzen stehen derzeit nur noch wenige wirksame Antiinfektiva zur Verfügung. Eine dieser Substanzen ist Linezolid, ein oral oder intravenös applizierbares Oxazolidinon-Derivat, das auch bei Erkrankungen durch multiresistente Problemkeime wie Methicillin-resistente Staphylokokken (z.B. Staphylococcus aureus [MRSA], S. epidermidis [MRSE]) und Enterokokken (z.B. Vancomycin-resistente Enterococcus-faecium-Stämme [VRE]), eingesetzt werden kann. Obschon nur wenige Stämme dieser Bakterien gegenüber der Substanz resistent sind und das Risiko einer Resistenzentwicklung unter einer Linezolid-Therapie gering ist, hat die Substanz auch Nachteile. Hierzu gehören unter anderem die zweimal tägliche Applikation sowie einige Nebenwirkungen, insbesondere hämatologische Effekte, bei längerer Anwendung auch Neuropathien. Problematisch ist zudem, dass das horizontal übertragbare „Multiresistenz-Gen“ cfr, das für eine 23S rRNA methylierende Transferase kodiert, auch eine Resistenz gegen Linezolid vermitteln kann.

Mit Tedizolidphosphat (Sivextro©, Cubist©) wurde 2014 von der US-amerikanischen Food and Drug Administration (FDA) ein neuartiges Oxazolidinon-Prodrug bei der Behandlung von akuten bakteriellen Haut- und Weichgewebeinfektionen mit grampositiven Erregern, die gegenüber der Substanz als sensibel zu bewerten sind, zugelassen [4, 11]. 2015 wurde die Substanz auch von der European Medicines Agency (EMA) bei der Therapie Erwachsener mit akuten bakteriellen Haut- und Weichgewebeinfektionen zugelassen. Tedizolidphosphat, das in vivo durch Phosphatasen rasch und vollständig zu seinem aktiven Metaboliten Tedizolid umgesetzt wird, zeigt eine gute Aktivität gegen zahlreiche grampositive Bakterien, kann einmal täglich appliziert werden und ist nach den bisherigen Erkenntnissen gut verträglich.

Wirkungsmechanismus und Struktur

Wie alle Oxazolidinone inhibiert auch Tedizolid die bakterielle Proteinbiosynthese durch Bindung an die 23S-ribosomale RNA der 50S-Untereinheit des Ribosoms. Diese Bindung verhindert die Bildung des 70S-ribosomalen Initiationskomplexes und damit die Translation bakterieller Proteine. Das Tedizolid-Molekül weist im Vergleich zu Linezolid eine modifizierte Seitenkette an der C5-Position im Oxazolidinon-Ring, ein verändertes C- und ein zusätzliches D-Ring-System auf (Abb. 1). Hieraus resultieren zusätzliche Bindungsinteraktionen mit der Peptidyltransferase-Region der 50S-Untereinheit, eine stärkere RNA-Anbindung und eine verbesserte antibakterielle Aktivität [11].

Abb. 1. Struktur von Tedizolid und Linezolid [mod. nach 11]

Pharmakokinetik

Tedizolid kann oral oder parenteral und aufgrund einer mittleren Halbwertszeit von elf Stunden einmal täglich appliziert werden. Die Substanz zeigt eine lineare Pharmakokinetik und bei oraler Gabe eine hohe Bioverfügbarkeit (etwa 90%); maximale Plasmaspiegel werden nach drei Stunden erreicht [4]. Die Exkretion erfolgt vorwiegend über die Leber als inaktives, nicht zirkuläres Sulfat-Konjugat; 18% der Substanz werden unverändert im Urin ausgeschieden [6]. Eine Dosisanpassung bei Patienten mit renalen oder hepatischen Störungen ist nicht erforderlich [3].

In-vitro-Aktivität und Resistenz

Tedizolid zeigt eine sehr gute In-vitro-Aktivität gegen alle humanpathogenen Staphylokokken, Streptokokken und Enterokokken, einschließlich multiresistenter Phänotypen. Vancomycin-resistente S.-aureus(VRSA)-, MRSA-, MRSE- und VRE-Stämme werden ebenso erfasst wie Pneumokokken mit multiplen Resistenzen [1, 7, 11]. Tedizolid ist zudem gegen Linezolid-resistente MRSA- und Enterococcus-Stämme, deren Resistenz auf der Expression des cfr-Gens beruht, aktiv [11]. Voraussetzung für die Wirksamkeit ist allerdings die Abwesenheit ribosomaler Mutationen, die eine reduzierte Empfindlichkeit gegenüber Oxazolidinonen bedingen. Eine gute In-vitro-Aktivität von Tedizolid wurde zudem gegen Mycobacterium tuberculosis (einschließlich Isoniazid- und Rifampicin-resistente Stämme), manche Nocardia-Arten und einige grampositive Anaerobier (z.B. Clostridium-Spezies) beschrieben [4, 10, 11].

Wie bei anderen Oxazolidinonen wird auch unter Tedizolid eine spontane Resistenzentwicklung nur selten beobachtet. Gegen Tedizolid sekundär resistente Stämme sind bislang äußerst selten. In einer In-vitro-Studie, in der über 3000 zu S. aureus (darunter 700 MRSA), Streptococcus-Arten und Enterococcus faecalis gehörende Stämme untersucht wurden, die 2014 in medizinischen Zentren Lateinamerikas, Osteuropas und Asiens isoliert worden waren, war kein Stamm Tedizolid-resistent [7]. Linezolid zeigte in der Studie dieselbe klinische Wirksamkeit, allerdings waren die für Tedizolid ermittelten minimalen Hemmkonzentrationen (MHK) durchweg niedriger. Im Vergleich zu Linezolid niedrigere MHK-Werte werden für Tedizolid in zahlreichen Studien gegen die Stämme nahezu aller untersuchten grampositiven Bakterien dokumentiert [1, 4, 7, 11].

Klinische Anwendung und Toxizität

In ESTABLISH-1 [8] und ESTABLISH-2 [5], zwei randomisierten Doppelblindstudien der Phase III, wurde die Nichtunterlegenheit der einmal täglichen Gabe von Tedizolid (200 mg) über sechs Tage im Vergleich zur zweimal täglichen Gabe von Linezolid (600 mg) über zehn Tage bei der Behandlung von Haut- und Weichgewebeinfektionen nachgewiesen. Beide Studien definierten als primären Endpunkt eine frühe klinische Antwort (nach 48 bis 72 Stunden). Während in ESTABLISH-1 orale Formulierungen getestet wurden, wurden in ESTABLISH-2 parenterale Formulierungen (mit einer oralen sequenziellen Therapie nach initialer klinischer Antwort) eingesetzt. In zwei weiteren Phase-III-Studien wird derzeit die Wirksamkeit und Sicherheit von Tedizolid bei der Behandlung von Pneumonien evaluiert [11].

Alle bislang verfügbaren Studien belegen eine gute Verträglichkeit von Tedizolid. Als häufigste unerwünschte Wirkungen traten Übelkeit (bis zu 21%), Kopfschmerzen (bis zu 21%), Diarrhö (bis zu 9%), und Erbrechen (bis zu 7%) auf [4, 5, 8, 11]. Die Daten der oben genannten Phase-III-Studien zur Behandlung von Haut- und Weichgewebeinfektionen zeigten, dass unter Tedizolid signifikant weniger hämatologische Veränderungen und weniger gastrointestinale unerwünschte Wirkungen auftraten als unter Linezolid [5, 8]. Im Tiermodell wurden bei Langzeitwendung von Tedizolid keine neuropathologischen Veränderungen beobachtet [9]. Auch in einer Studie mit gesunden Probanden wurden unter einem oralen Tedizolid-Regime (10 Tage täglich 200 mg) keine Neuropathien registriert [2].

Fazit

Durch seine In-vitro-Aktivität gegen zahlreiche grampositive Erreger einschließlich MRSA, seine einmal tägliche Anwendung, eine orale und parenterale Applikationsform, die kurze Therapiezeit und ein im Vergleich zu Linezolid günstigeres Nebenwirkungsprofil ist Tedizolidphosphat als attraktives Agens bei akuten bakteriellen Haut- und Weichgewebeinfektionen mit grampositiven Erregern mit und ohne Multiresistenz zu bewerten.


Dr. rer. nat. Ingo Stock studierte in Bonn Biologie mit Schwerpunkt Mikrobiologie. In seiner Promotionszeit am dortigen Institut für Medizinische Mikrobiologie und Immunologie (Abteilung Pharmazeutische Mikrobiologie) beschäftigte er sich mit der natürlichen Antibiotika-Empfindlichkeit der Enterobacteriaceae und charakterisierte dabei unter anderem die Beta-Lactamasen von Yersinien. Seit 2001 ist Ingo Stock freier Wissenschaftsautor und verfasst regelmäßig Beiträge für die Arzneimitteltherapie und die Medizinische Monatsschrift für Pharmazeuten.

Interessenkonflikterklärung

Es liegen keine Interessenkonflikte vor.

Literatur

1. Baek JY, Kang CI, Kim SH, Ko KS, et al. In vitro activity of tedizolid phosphate against multidrug-resistant Streptococcus pneumoniae isolates from Asian countries. Diagn Microbiol Infect Dis 2016;85:218–20.

2. Fang E, Munoz K, Prokocimer P. Neurologic and ophthalmologic safety results with 10-day dosing of tedizolid phosphate. Abstract 916, 43rd Society of Critical Care Medicine Critical Care Congress, San Francisco, 2014.

3. Flanagan S, Minassian SL, Morris D, Ponnuraj R, et al. Pharmacokinetics of tedizolid in subjects with renal or hepatic impairment. Antimicrob Agents Chemother 2014;58:6471–6.

4. Hui Y, Xiaoju L. Tedizolid for treatment of acute bacterial skin and skin structure infections. Expert Rev Anti Infect Ther 2015;13:1051–60.

5. Moran GJ, Fang E, Corey GR, Das AF, et al. Tedizolid for 6 days versus linezolid for 10 days for acute bacterial skin and skin-structure infections (ESTABLISH-2): a randomised, double-blind, phase 3, non-inferiority trial. Lancet Infect Dis 2014;14:696–705.

6. Ong V, Flanagan S, Fang E, Dreskin HJ, et al. Absorption, distribution, metabolism, and excretion of the novel antibacterial prodrug tedizolid phosphate. Drug Metab Dispos 2014;42:1275–84.

7. Pfaller MA, Flamm RK, Jones RN, Farrell DJ, et al. Activity of tedizolid and linezolid as determined by the reference broth microdilution method against 3032 gram-positive bacterial isolates collected in Asia-Pacific, Eastern Europe and Latin American countries (2014). Antimicrob Agents Chemother 2016, June 27; pii: AAC.00881–16. [Epub ahead of print].

8. Prokocimer P, De Anda C, Fang E, Mehra P, et al. Tedizolid phosphate vs. linezolid for treatment of acute bacterial skin and skin structure infections: the ESTABLISH-1 randomized trail. JAMA 2013;309:559–69.

9. Schlosser MJ, Hosako H, Radovsky A, Butt MT, et al. Lack of neuropathological changes in rats administered tedizolid phosphate for nine months. Antimicrob Agents Chemother 2015;59:475–81.

10. Vera-Cabrera L, Gonzalez E, Rendon A, Ocampo-Candiani J, et al. In vitro activities of DA-7157 and DA-7218 against Mycobacterium tuberculosis and Nocardia brasiliensis. Antimicrob Agents Chemother 2006;50;3170–2.

11. Zhanel GG, Love R, Adam H, Golden A, et al. Tedizolid: a novel oxazolidinone with potent activity against multidrug-resistant gram-positive pathogens. Drugs 2015;75:253–70.

Dr. rer. nat. Ingo Stock, Institut für Medizinische Mikrobiologie, Immunologie und Parasitologie, Abteilung Pharmazeutische Mikrobiologie, Universität Bonn, Meckenheimer Allee 168, 53115 Bonn, E-Mail: Ingo_Stock@web.de

Tedizolid phosphate for treatment of acute bacterial skin and skin structure infections due to Gram-positive pathogens

Tedizolid phosphate is a novel oxazolidinone prodrug that has been recently approved by the United States FDA and European Medicines Agency for the treatment of acute bacterial skin and skin structure infections (ABSSSIs) caused by susceptible Gram-positive pathogens, including methicillin-resistent Staphylococcus aureus. Two phase III clinical trials have shown non-inferiority of a once-daily tedizolid 200 mg dose for 6–10 days versus twice-daily 600 mg linezolid (standard regimen) for the treatment of ABSSSIs. With its excellent in vitro activity against a wide variety of Gram-positive bacteria, convenient once-daily dosing, a short 6-day course of therapy, availability of both oral and intravenous routes of administration, and an adverse effect profile that appears to be more favourable than linezolid, tedizolid is as an attractive agent for treatment of ABSSSIs due to Gram-positive pathogens with and without multidrug resistance.

Key words: Tedizolid phosphate, linezolid, skin structure infections, Gram-positive bacteria, multidrug resistance.

Arzneimitteltherapie 2016; 34(09)