Diabetes mellitus

Erhöhtes Hypoglykämierisiko durch die Kombination von DPP-4-Inhibitoren und Sulfonylharnstoffen


Dr. med. Marianne Schoppmeyer, Nordhorn

Um langfristig Komplikationen bei Typ-2-Diabetikern zu vermeiden, sollte eine normnahe Einstellung des Blutzuckers erfolgen. Gerade ältere Diabetiker erleiden jedoch häufig Hypoglykämien, die zu Krankenhauseinweisungen führen, die Lebensqualität einschränken und für Stürze mit nachfolgenden Frakturen verantwortlich sind. DPP-4-Inhibitoren haben ein geringes Hypoglykämie-Risiko. Werden sie allerdings mit Sulfonylharnstoffen kombiniert, erhöht sich das Hypoglykämie-Risiko um 50%, wie eine aktuelle Metaanalyse zeigt.

DPP-4-Inhibitoren und Sulfonylharnstoffe unterscheiden sich im Wirkungsmechanismus (Abb. 1) und bezüglich ihres Einflusses auf die Insulinsekretion. DPP-4-Inhibitoren hemmen nach Nahrungsaufnahme das Enzym DPP-4 (Dipeptidyl-Peptidase-4), weshalb die im Darm gebildeten Inkretine ihre physiologische blutzuckerregulierende Wirkung länger entfalten können. Während DPP-4-Inhibitoren nur bei erhöhten Blutzuckerwerten wirken, erhöhen Sulfonylharnstoffe die Insulinfreisetzung unabhängig vom Blutzuckerspiegel und steigern damit auch das Hypoglykämie-Risiko.

Abb. 1. DPP-4-Inhibitoren erhöhen im Gegensatz zu Sulfonylharnstoffen nur bei erhöhten Blutzuckerwerten die Insulinausschüttung

Zehn RCT wurden ausgewertet

In der vorliegenden Metaanalyse (Tab. 1) wurden zehn randomisierte kontrollierte Studien (RCT) ausgewertet, um das Ausmaß von Hypoglykämien unter einer Kombinationstherapie mit DDP-4-Inhibitoren und Sulfonylharnstoffen zu bestimmen. Eingeschlossen wurden 6546 Typ-2-Diabetiker, von denen 4020 einen DPP-4-Inhibitor (Alogliptin, Linagliptin, Saxagliptin, Sitagliptin oder Vildagliptin) plus Sulfonylharnstoff erhalten hatten und 2526 Typ-2-Diabetiker statt des DPP-4-Inhibitors ein Placebo. In vier Studien wurde zusätzlich mit Metformin therapiert, in zwei Studien war die Gabe von Insulin möglich. Der Beobachtungszeitraum lag zwischen 12 und 76 Wochen.

Tab. 1. Studiendesign [nach Salvo F, et al.]

Erkrankung

Diabetes mellitus Typ 2

Studienziel

Risiko des Auftretens von Hypoglykämien

Studientyp

Metaanalyse

Studiendesign

Multizentrisch, randomisiert, doppelblind, Placebo-kontrolliert, parallel

Eingeschlossene Patienten

6546 Patienten

Intervention

  • DPP-4-Inhibitor + Sulfonylharnstoff (n=4020)
  • DPP-4-Inhibitor + Placebo (n=2526)

Sponsor

Absolutes Risiko von 12%

In der Sulfonylharnstoff-Gruppe entwickelten 479 Diabetiker eine Hypoglykämie, entsprechend einem absoluten Risiko von 11,9%. Von den 479 Patienten hatten 311 die volle DPP-4-Inhibitor-Dosis erhalten, 67 eine niedrige Dosis, bei 101 war die Dosierung nicht bekannt. Im Gegensatz dazu entwickelten in der Placebo-Gruppe nur 169 Diabetiker eine Hypoglykämie, entsprechend einem absoluten Risiko von 6,7%. Die Kombinationstherapie hatte damit ein um 52% erhöhtes Risiko für Hypoglykämien.

Die Number needed to harm (NNH) – also die Anzahl der Patienten, die behandelt werden muss, damit eine zusätzliche Hypoglykämie auftritt – betrug 17 (95%-Konfidenzintervall [KI] 11–30) bei einer Behandlungsdauer von sechs Monaten oder weniger. Bei einer Therapiedauer von über sechs bis zwölf Monaten lag die NNH bei 15 (95%-Konfidenzintervall [KI] 9–26), bei einer Therapiedauer über einem Jahr bei 8 (95%-KI 5–15).

Wurden nur die Typ-2-Diabetiker betrachtet, die die volle Dosis DPP-4-Inhibitoren einnahmen, stieg das Risiko einer Hypoglykämie bei gleichzeitiger Therapie mit Sulfonylharnstoffen um 66% (Risk-Ratio 1,66; 95%-KI 1,34–2,06). Die NNH betrug dann je nach Einnahmezeitraum 13 (95%-KI 8–15), 11 (95%-KI 7–22) und 7 (95%-KI 4–13). Eine niedrige DPP-4-Dosierung zeigte ein erhöhtes Hypoglykämie-Risiko von 33%, dieses war jedoch nicht signifikant (Risk-Ratio 1,33; 95%-KI 0,92–1,94).

Fazit

Das Risiko von Hypoglykämien steigt um über 50%, wenn sowohl Sulfonylharnstoffe als auch DPP-4-Inhibitoren zur Therapie eines Diabetes mellitus Typ 2 eingenommen werden gegenüber der alleinigen Therapie mit Sulfonylharnstoff. Dies entspricht einer Hypoglykämie unter 17 behandelten Typ-2-Diabetikern innerhalb der ersten sechs Therapiemonate.

Auch milde bis moderate Hypoglykämien sollten ernst genommen werden. Zwar sind diese nicht lebensbedrohlich, führen aber zu häufigeren kardiovaskulären Erkrankungen, vermehrten Krankenhauseinweisungen sowie einer erhöhten Mortalität der Patienten. Die Autoren der Studie raten ausdrücklich dazu, die bereits bestehende Empfehlung zu beachten, Sulfonylharnstoffe in ihrer Dosierung zu reduzieren, wenn gleichzeitig DPP-4-Inhibitoren eingenommen werden. Eine gute HbA1c-Kontrolle sollte nicht mit dem Risiko vermehrter Hypoglykämien erkauft werden.

Quelle

Salvo F, et al. Addition of dipeptidyl peptidase-4 inhibitors to sulfonylureas and risk of hypoglycaemia: systematic review and meta-analysis. BMJ 2016;353:i2231.

Arzneimitteltherapie 2016; 34(09)