Dr. Marianne Schoppmeyer, Nordhorn
Renin-Inhibitoren wirken ebenso wie die ACE-Hemmer und die Angiotensin-Rezeptorblocker hemmend auf das Renin-Angiotensin-System (RAS). Durch die Hemmung werden die blutdrucksteigenden Wirkungen des RAS wie Vasokonstriktion, Erhöhung der Aldosteronsekretion und die erhöhte renale Natrium- und Wasserretention vermindert. Durch die direkte Hemmung von Renin wird die Umwandlung von Angiotensinogen in Angiotensin I verhindert, es setzt also am Anfang der Kaskade des RAS an.
Die Autoren der ATMOSPHERE-Studie erhofften sich durch die verschiedenen Ansatzpunkte der dualen RAS-Blockade einen signifikanten Vorteil gegenüber einer Monotherapie mit dem ACE-Hemmer Enalapril oder mit dem Renin-Inhibitor Aliskiren.
Duale RAS-Hemmung mit Komplikationen verbunden
Allerdings zeigte sich bereits in der ALTITUDE-Studie ein Anstieg von Komplikationen für bestimmte Patientengruppen bei einer dualen RAS-Hemmung mit Aliskiren und einem ACE-Hemmer oder einem Angiotensin-Rezeptor-Blocker.
Insbesondere bei Patienten mit Diabetes mellitus Typ I oder Typ II und bei Patienten mit einer eingeschränkten Nierenfunktion (glomeruläre Filtrationsrate [GFR] <60 ml/min/1,73 m²) zeigte sich ein erhöhtes Risiko für Blutdruckabfälle, Synkopen, Hyperkaliämien und Veränderungen der Nierenfunktion, einschließlich akutem Nierenversagen. Für diese beiden Patientengruppen hat die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) eine Warnung vor der dualen RAS-Hemmung herausgegeben [2]. Novartis Pharma brachte hierzu 2012 einen Rote-Hand-Brief heraus [4].
Studiendesign
Die ATMOSPHERE-Studie (Tab. 1) ist eine der größten Studien, die zur Therapie der Herzinsuffizienz bislang durchgeführt wurden. Die Daten dieser randomisierten Doppelblindstudie wurden über eine mediane Follow-up-Zeit von 36,6 Monaten in 43 Ländern erhoben. Eingeschlossen waren Patienten mit einer chronischen Herzinsuffizienz NYHA (New York Heart Association) II–IV mit einer linksventrikulären Ejektionsfraktion unter 35%, die bereits mit einem ACE-Hemmer in stabiler Dosierung behandelt wurden. 7016 Patienten, die in der Run-in-Phase beide Medikamente gut vertragen hatten, wurden nun im Verhältnis 1:1:1 randomisiert in drei Behandlungsgruppen eingeteilt. 2336 Patienten bekamen zweimal täglich 5–10 mg Enalapril, weitere 2340 Patienten nahmen einmal täglich 300 mg Aliskiren und 2340 Patienten bekamen die kombinierte Therapie.
Als primärer Endpunkt wurde ein Krankenhausaufenthalt aufgrund einer verschlechterten Herzinsuffizienz oder der Tod durch Herzkreislaufversagen festgelegt.
Tab. 1. Studiendesign von ATMOSPHERE [McMurray et al. 2016]
Erkrankung |
Chronische Herzinsuffizienz NYHA II–IV |
Studienziel |
Wirksamkeit und Sicherheit von Aliskiren sowie der Kombination Aliskiren/Enalapril bezüglich Morbidität und Mortalität bei Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz |
Studientyp/-phase |
Interventionsstudie/Phase III |
Studiendesign |
Randomisiert, doppelblind, parallel |
Eingeschlossene Patienten |
Herzinsuffizienz NYHA II–IV, Ejektionsfraktion ≤35%, BNP-Konzentration im Plasma >150 pg/ml (n=7016) |
Intervention |
|
Primäre Endpunkte |
Herztod oder Krankenhausaufenthalt aufgrund einer Herzinsuffizienz |
Sekundärer Endpunkt |
Eine Änderung innerhalb von zwölf Monaten im Kansas City Cardiomyopathy Questionnaire |
Sponsor |
Novartis Pharmaceuticals |
Studienregisternummer |
NCT00853658 |
NYHA: New York Heart Association
Studienergebnisse
In den drei Studiengruppen zeigten sich keine signifikanten Unterschiede im Erreichen des primären Endpunktes (Tab. 2). In der Gruppe der kombinierten Therapie trat der primäre Endpunkt bei 32,9% der Studienteilnehmer auf, in der Gruppe der Enalapril-Monotherapie waren es 34,6%. Hieraus ergab sich ein Hazard-Ratio von 0,93 (Tab. 2). Im Vergleich der Enalapril-Gruppe mit der Gruppe der Aliskiren-Monotherapie, in der der primäre Endpunkt bei 33,8% auftrat, ergab sich ein Hazard-Ratio von 0,99.
Tab. 2. Ergebnisse von ATMOSPHERE [nach McMurray et al. 2016]
Kombination (N=2340) |
Aliskiren |
Enalapril |
Kombination vs. Enalapril |
Aliskiren vs. Enalapril |
|
n (%) |
HR/Unterschied (95%-KI); p-Wert |
||||
Primärer Endpunkt: |
770 (32,9) |
791 (33,8) |
808 (34,6) |
0,93 (0,85–1,03); 0,17 |
0,99 (0,90–1,10); 0,91 |
Sekundärer Endpunkt: |
–5,04±0,56 |
–6,03±0,57 |
–5,01±0,55 |
–0,03 |
–1,02 |
HR: Hazard-Ratio; KCCQ: Kansas City Cardiomyopathy Questionnaire; KI: Konfidenzintervall; n: Anzahl; N: Gesamtanzahl
Fazit
Ein signifikanter Vorteil sowohl der dualen RAS-Hemmung als auch der Aliskiren-Monotherapie konnte nicht nachgewiesen werden. Vielmehr zeigte sich in der Gruppe der kombinierten Therapie ein höheres Risiko für symptomatische Blutdruckabfälle (13,8% vs. 11%, p=0,005), erhöhte Serum-Creatinin-Werte (4,1% vs. 2,7%, p=0,009) und ein erhöhter Kaliumspiegel (17,1% vs. 12,5%, p<0,001).
Der Erstautor der ATMOSPHERE-Studie, Professor John McMurray, hält einen therapeutischen Sättigungseffekt in der Blockade des Renin-Angiotensin-Systems für wahrscheinlich, wodurch sich auch die Ergebnisse der ATMOSPHERE-Studie erklären ließen.
Aufnahme von Sacubitril/Valsartan in die aktuelle Leitlinie
Seit November 2015 ist ein neues Medikament zur Behandlung der chronischen Herzinsuffizienz mit reduzierter Ejektionsfraktion in der EU zugelassen. Hierbei handelt es sich um eine Kombination des AT1-Blockers Valsartan mit dem Neprilysin-Hemmer Sacubitril. In der PARADIGM-HF-Studie, deren Erstautor ebenfalls McMurray ist, konnte eine Überlegenheit gegenüber dem ACE-Hemmer Enalapril nachgewiesen werden, sodass diese Studie vorzeitig abgebrochen wurde [3]. Die guten Ergebnisse dieser Studie führten dazu, dass die Kombination von Valsartan mit Sacubitril in die aktualisierte Leitlinie zur Diagnose und Behandlung der akuten und chronischen Herzinsuffizienz der European Society of Cardiology ESC aufgenommen wurde. Demgegenüber sahen die Leitlinienautoren nach den enttäuschenden Ergebnissen der ATMOSPHERE-Studie keine Indikation für den Renin-Inhibitor Aliskiren [5].
Quelle
McMurray JJV, et al. Aliskiren, enalapril, or aliskiren and enalapril in heart failure. N Engl J Med 2016; 374:1521–32.
Literatur
1. CONSENSUS Trial Study Group: Effects of enalapril on mortality in severe congestive heart failure. Results of the Cooperative North Scandinavian Enalapril Survival Study. N Engl J Med 1987;316:1429–35.
2. EMA. PRAC recommends against combined use of medicines affecting the renin-angiotensin (RAS) system. Online unter www.ema.europa.eu/ema/index.jsp?curl=pages/news_and_events/news/2014/04/news_detail_002066.jsp&mid=WC0b01ac058004d5 (Zugriff am 01.06.2016).
3. McMurray JJV, et al. Angiotensin-neprilysin inhibition vs. enalapril in heart failure. N Engl J Med 2014;371:993–1004.
4. Novartis Pharma: wichtige Informationen zu neuen Gegenanzeigen und Warnhinweisen bei der Anwendung Aliskiren-haltiger Arzneimittel in Kombination mit Inhibitoren des Angiotensin konvertierenden Enzyms (ACE-Hemmern) oder Angiotensin-Rezeptor-Blockern (ARB). Online unter www.akdae.de/Arzneimittelsicherheit/RHB/Archiv/2012/20120227.pdf (Zugriff am 01.06.2016).
5. Ponikowski P, et al. 2016 ESC Guidelines for the diagnosis and treatment of acute and chronic heart failure. Eur Heart J, doi:10.1093/eurheartj/ehw128. Online unter http://eurheartj.oxfordjournals.org/content/ehj/early/2016/05/19/eurheartj.ehw128.full.pdf (Zugriff am 01.06.2016).
Arzneimitteltherapie 2016; 34(09)