Rovalpituzumab Tesirin

Antikörperkonjugat erstmals beim kleinzelligen Lungenkarzinom untersucht


Dr.Susanne Heinzl, Reutlingen

Das Antikörperkonjugat Rovalpituzumab Tesirin führte bei 74 Patienten mit kleinzelligem Lungenkarzinom (SCLC) in einer Dosiseskalationsstudie der Phase I zu Ansprechraten, die eine weitere Untersuchung in Phase-II- und Phase-III-Studien rechtfertigen. Diese Ergebnisse der erstmaligen Anwendung beim Menschen wurden bei der Jahrestagung der American Society of Clinical Oncology (ASCO) im Juni 2016 in Chicago präsentiert.

Das kleinzellige Lungenkarzinom (SCLC) spricht zwar häufig zunächst gut auf eine Erstlinien-Chemotherapie an, in fast allen Fällen kommt es jedoch zum Rezidiv. Die Prognose ist frustrierend, Gesamtansprechraten, progressionsfreies und Gesamtüberleben haben sich in den letzten vier Jahrzehnten nicht deutlich geändert. Bei rezidivierter Erkrankung wurde in den letzten Jahren nur Topotecan (Hycamtin®) zugelassen. NCCN- und ESMO-Leitlinien empfehlen bei rezidivierter Erkrankung die Aufnahme in eine klinische Studie oder eine supportive Therapie.

Neues Target DLL3

Das Delta-like Protein 3 (DLL3) ist ein neues Target in der Tumortherapie, das durch den neuroendokrinen Transkriptionsfaktor Achaete-scute-Homolog 1 (ASCL1) induziert wird. Auf mehr als 80% der Zellen eines SCLC und von großen neuroendokrinen Tumoren wird DLL3 exprimiert. Im gesunden Gewebe ist es nicht nachweisbar. DLL3 hat keine prognostische Bedeutung und erlaubt keine Vorhersage zum Ansprechen auf eine Chemotherapie.

Rovalpituzumab Tesirin (Rova-T, Abbvie) ist ein Konjugat aus dem gegen DLL3 gerichteten Antikörper SC16, der über Cathepsin B als Linker an das Toxin Pyrrolobenzodiazepin gebunden ist. Nach Bindung an DLL3 wird der Komplex internalisiert, im Zellinneren wird das Toxin freigesetzt und kann die DNA gezielt in den Krebszellen schädigen.

Erste Studie am Menschen

In einer ersten Studie beim Menschen wurden unter anderem 74 Patienten mit SCLC aufgenommen, die im Median 61 Jahre alt waren (Tab. 1). 43% waren Frauen. 53% hatten zuvor eine, 47% zwei Therapien erhalten. Bei 88% der Patienten konnte bei mindestens 1% der Tumorzellen eine DLL3-Expression nachgewiesen werden, bei 67% der Patienten war dies bei mindestens 50% der Tumorzellen der Fall.

Tab. 1. Studiendesign [Rudin SM, et al. 2016]

Erkrankung

Kleinzelliges Lungenkarzinom

Studientyp/-phase

Interventionsstudie/
Phase I/II

Studiendesign

Offen, einarmig

Studienteilnehmer

74

Intervention

SC16LD6.5
(Rovalpituzumab Tesirin)

Primäre
Endpunkte

Maximal tolerierte Dosis,
objektive Ansprechrate (RECIST v1.1)

Sponsor

Stemcentrx

Studienregisternummer

NCT01901653
(ClinicalTrials.gov)

Die Patienten wurden mit Rovalpituzumab Tesirin in steigender Dosierung behandelt, die meisten Patienten erhielten 0,2 mg/kg alle drei Wochen oder 0, 3 mg/kg alle sechs Wochen.

Häufigste unerwünschte Wirkungen vom Grad 3 oder höher waren Thrombozytopenie (12%), Pleuraerguss (11%), Fatigue (4%) und Hautreaktionen (8%).

Die Gesamtansprechrate aus partiellem und komplettem Ansprechen betrug bei 60 auswertbaren Patienten 18%, bei 26 Patienten mit starker DLL3-Expression 39%. Bei Zweitlinientherapie sprachen 13% der Patienten, bei Drittlinientherapie 25% an. Patienten mit starker DLL3-Expression zeigten bei Zweitlinientherapie in 29% und bei Drittlinientherapie in 50% ein Ansprechen.

Das Gesamtüberleben lag bei 4,6 Monaten, nach einem Jahr lebten noch 18% der Patienten. Patienten mit starker DLL3-Expression überlebten im Median 5,8 Monate, nach einem Jahr lebten noch 32%.

Diese Ergebnisse rechtfertigen die Untersuchung der Substanz in weiteren Studien. Derzeit werden Patienten in eine einarmige Phase-II-Studie und in die Phase-III-Studie Trinity aufgenommen.

Quelle

Rudin CM, et al. Safety and efficacy of single-agent rovalpituzumab tesirine (SC16LD6.5), a delta-like protein 3 (DLL3)-targeted antibody-drug conjugate (ADC) in recurrent or refractory small cell lung cancer (SCLC). 2016 ASCO Annual Meeting, Abstract LBA8505. http://meetinglibrary.asco.org/content/162941-176 .

Arzneimitteltherapie 2016; 34(10)