Dr. Susanne Heinzl, Reutlingen
Daratumumab ist ein humaner monoklonaler Antikörper, der an das CD38-Protein bindet. CD38 wird in hoher Konzentration auf der Oberfläche der Tumorzellen des multiplen Myeloms sowie in unterschiedlichen Konzentrationen auf anderen Zelltypen und Geweben exprimiert. Es hat verschiedene Funktionen, darunter rezeptorvermittelte Adhäsion, Signalübertragung und enzymatische Aktivität. Daratumumab hemmt in vivo das Wachstum von CD38-exprimierenden Tumorzellen stark.
In-vitro-Untersuchungen weisen darauf hin, dass Daratumumab bei malignen Erkrankungen mit verstärkter CD38-Expression die Tumorzelllyse durch komplementabhängige Zytotoxizität, antikörperabhängige zellvermittelte Zytotoxizität und antikörperabhängige zelluläre Phagozytose induzieren kann. Von der EU-Kommission war Daratumumab (Darzalex®) Ende Mai 2016 und von der FDA im November 2015 in Monotherapie für die Behandlung von Erwachsenen mit rezidiviertem oder refraktärem multiplem Myelom zugelassen worden.
Kombinationstherapie mit Bortezomib
In der von Janssen finanzierten, multizentrischen, randomisierten, offenen Phase-III-Studie CASTOR wurden bei Patienten mit vorbehandeltem rezidiviertem oder refraktärem multiplem Myelom Wirksamkeit und Verträglichkeit einer Dreierkombination aus Daratumumab, Bortezomib und Dexamethason (n=251) mit der Zweierkombination Bortezomib/Dexamethason (n=247) verglichen. Die Patienten erhielten acht Zyklen jeder Behandlung, danach folgte eine Erhaltungstherapie mit Daratumumab in der Daratumumab-Gruppe (Tab. 1).
Tab. 1. CASTOR-Studie: Studiendesign [Palumbo A, et al. 2016]
Erkrankung |
Vorbehandeltes rezidiviertes oder refraktäres multiples Myelom |
Studientyp/ |
Interventionsstudie/Phase III |
Studiendesign |
Multizentrisch, randomisiert, offen, parallel |
Studienteilnehmer |
498 |
Intervention |
|
Primärer |
Progressionsfreies Überleben |
Sponsor/ |
Janssen Research & Development, LLC |
Studienregisternummer |
NCT02136134 |
1 6 mg/kg wöchentlich über drei Zyklen, an Tag 1 von Zyklus 4 bis 9, anschließend alle vier Wochen
2 1,3 mg/m2 subkutan an Tag 1, 4, 8 und 11 jedes 21-Tage-Zyklus; insgesamt acht Zyklen
3 20 mg oral an Tag 1, 2, 4, 5, 8, 9, 11 und 12 der ersten acht Bortezomib-Zyklen
Die Patienten waren im Median 64 Jahre alt und seit vier Jahren am multiplen Myelom erkrankt. 60% hatten eine autologe Stammzelltransplantation erhalten, rund 70% waren mit einem Proteasominhibitor wie Bortezomib und zwischen 70 und 80% mit einem Immunmodulator wie Lenalidomid vorbehandelt. Etwa 30% sprachen auf die letzte Behandlung nicht mehr an.
Stopp nach erster Interimsanalyse
Die Studie wurde vorzeitig gestoppt, weil bei der ersten geplanten Interimsanalyse die hierfür definierten Grenzen erreicht worden waren. Daher war das mediane Follow-up mit 7,4 Monaten relativ kurz.
Der primäre Endpunkt, das progressionsfreie Überleben (PFS), war in der Daratumumab-Gruppe noch nicht erreicht, in der Bortezomib/Dexamethason-Gruppe lag das PFS im Median bei 7,2 Monaten. Das Ein-Jahres-PFS betrug mit der Dreifachkombination 60,7%, mit der Zweier-Kombination 26,9% (Hazard-Ratio [HR] 0,39; p<0,0001). Dies bedeutet eine bisher noch nicht erreichte Reduktion des Risikos für eine Progression oder Tod um 61% unter Daratumumab/Bortezomib/Dexamethason im Vergleich zu Bortezomib/Dexamethason (Abb. 1).

Abb. 1. Primärer Endpunkt der CASTOR-Studie: Das progressionsfreie Überleben nach einem Jahr stieg von 26,9% unter Bortezomib/Dexamethason auf 60,7% unter Daratumumab/Bortezomib/Dexamethason [nach Palumbo A, et al. 2016].
Der Nutzen der Dreifachkombination wurde in allen Subgruppen nachgewiesen. Besonders gut profitierten Patienten, die erst eine Vortherapie erhalten hatten. Hier nahm das Ein-Jahres-PFS von 29,4% auf 77,5% zu, was einer Risikoreduktion für Progression oder Tod von 69% entsprach (HR 0,31; p<0,0001). Hieraus kann geschlossen werden, dass die Dreierkombination bei früher Intervention eher noch besser wirkt.
Auch die Gesamtansprechrate war bei Zugabe von Daratumumab mit 83% versus 63% signifikant höher (p<0,0001). Besonders beeindruckend war der Anstieg des sehr guten partiellen Ansprechens (VGPR) von 29% auf 59% (p<0,0001) und des kompletten Ansprechens von 9% auf 19% (p=0,0012). Bei 14% der Patienten unter der Dreierkombination konnte keine minimale Resterkrankung (MRD) mehr nachgewiesen werden im Vergleich zu 3% unter Bortezomib/Dexamethason (Abb. 2).

Abb. 2. Gesamtansprechraten in der CASTOR-Studie. CR: komplettes Ansprechen, MRD-neg: keine minimale Resterkrankung, ORR: Gesamtansprechen, VGPR: sehr gutes partielles Ansprechen [nach Palumbo A, et al. 2016].
Verträglichkeit ähnlich
Die Dreifachkombination erwies sich als ähnlich verträglich wie die Zweifachkombination. Thrombozytopenien und periphere Neuropathien waren etwas häufiger unter Daratumumab, dies könnte aber mit der längeren Gabe von Bortezomib in der Kombination erklärt werden. Häufigstes unerwünschtes Ereignis mit der Dreifachkombination waren infusionsbedingte Reaktionen, wie Dyspnoe, Bronchospasmen und Husten, die in 98% der Fälle aber nur bei der ersten Gabe auftraten.
Wegen unerwünschter Wirkungen beendeten 8% der Patienten mit der Dreifach- und 10% mit der Zweifachkombination die Studie vorzeitig.
Vergleich mit anderen Studien
Ein mit Vorsicht zu genießender Vergleich mit anderen Proteasominhibitor-basierten Studien bei vorbehandelten Patienten mit refraktärem oder rezidiviertem multiplem Myelom zeigt, dass mit Daratumumab/Bortezomib/Dexamethason in der Wirkung auf das PFS mit 0,39 das bislang niedrigste Hazard-Ratio erreicht wurde. Beim Vergleich von Carfilzomib/Dexamethason versus Bortezomib/Dexamethason betrug das PFS-HR 0,53, beim Vergleich von Panobinostat/Bortezomib/Dexamethason versus Bortezomib/Dexamethason 0,63, und bei Vergleich von Elotuzumab/Bortezomib/Dexamethason versus Bortezomib/Dexamethason lag es bei 0,72.
Quelle
Palumbo A, et al. Phase III randomized controlled study of daratumumab, bortezomib, and dexamethasone (DVd) versus bortezomib and dexamethasone (Vd) in patients (pts) with relapsed or refractory multiple myeloma (RRMM): CASTOR study. 2016 ASCO Annual Meeting, Abstract LBA4, http://abstracts.asco.org/176/AbstView_176_172609.html.
Arzneimitteltherapie 2016; 34(10)