Lisa Goltz, Jane Schröder und Holger Knoth, Dresden
Nachweis der Wechselwirkung mittels Labortests
Die Wechselwirkung zwischen Metamizol und ASS wurde zunächst in vitro nachgewiesen. Dazu wurde Blut gesunder Probanden entweder mit ASS alleine oder mit ASS und Metamizol inkubiert. Anschließend wurde die Plättchenaggregation durch Arachidonsäure stimuliert. Das Ausmaß der resultierenden Plättchenaggregation wurde mithilfe einer optischen Methode gemessen. Als weiteres Maß für die Thrombozytenaggregation diente die Thromboxan-A2-Produktion der Thrombozyten, die eine notwendige Voraussetzung für die Plättchenaggregation ist [5, 10]. Sowohl Plättchenaggregation als auch Thromboxan-A2-Produktion wurden bei Inkubation mit ASS allein fast vollständig gehemmt. Unter Zugabe von Metamizol stiegen Thrombozytenaggregation und Thromboxan-A2-Synthese wieder an. Zwar wurde die Aggregationsfähigkeit der Thrombozyten nicht vollständig wiederhergestellt, sie betrug jedoch etwa 40% des Normalwerts ohne Thrombozytenaggregationshemmer [10].
Darüber hinaus wurde untersucht, ob die Interaktion auch in vivo auftritt. Hierfür wurden 66 Patienten mit koronarer Herzerkrankung untersucht, die entweder kein ASS (n=10), ASS allein (n=20) oder ASS und zusätzlich Metamizol einnahmen (n=36). Den Patienten wurde Blut abgenommen, welches dann wie in der In-vitro-Studie untersucht wurde. Während ASS allein die Plättchenaggregation und Thromboxan-A2-Synthese fast vollständig inhibierte, verhielten sich diese beiden Parameter bei der Kombination Metamizol-ASS genauso wie bei den Patienten, die kein ASS erhielten. Die Autoren schlussfolgern daraus, dass die Einnahme von Metamizol die ASS-Wirkung fast vollständig aufhebt [8].
Metamizol behindert damit die ASS-bedingte Thrombozytenaggregationshemmung im Labortest ähnlich stark wie Ibuprofen.
Einschätzung der klinischen Relevanz
Für die Einschätzung einer Wechselwirkung ist jedoch vor allem wichtig, ob sie klinisch relevant ist. Es stellt sich also die Frage, ob die experimentell nachgewiesene erhöhte Plättchenreaktivität tatsächlich das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse erhöht. Labortests bewerten die Plättchenaggregation nach künstlicher Stimulation durch Arachidonsäure ex vivo. Die Verhältnisse in vivo sind jedoch deutlich komplexer. Bislang ist unklar, ob mit einem Labortest diejenigen Patienten identifiziert werden können, die tatsächlich ein erhöhtes Risiko für thrombotische Ereignisse haben [13].
Verschiedene Kohortenstudien legen nahe, dass ein Zusammenhang zwischen experimentell nachgewiesener erhöhter Plättchenaggregationsfähigkeit und dem Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse bestehen könnte. In zwei Metaanalysen solcher Studien wurde ein etwa 3,5-fach erhöhtes Risiko berechnet [6, 11]. Allerdings wurden in den eingeschlossenen Einzelstudien unterschiedliche Labortests angewendet, deren Ergebnisse schlecht vergleichbar sind. Darüber hinaus kann mit Kohortenstudien per se kein kausaler Zusammenhang bewiesen werden. Diese Ergebnisse können daher nur als Hinweis dienen.
Es existieren bislang weder randomisierte kontrollierte klinische Studien noch Fallberichte, die unerwünschte Ereignisse unter der Kombination ASS-Metamizol beschreiben.
Die Wechselwirkung Ibuprofen/ASS macht sich in den Laborwerten genauso bemerkbar wie die Interaktion ASS/Metamizol. Studien, in denen die klinischen Auswirkungen (z.B. Sterblichkeit, Inzidenz von Myokardinfarkten) der ASS-Ibuprofen-Interaktion untersucht wurden, erbrachten widersprüchliche Ergebnisse [12].
Aus der derzeitigen Datenlage lässt sich also nicht sicher ableiten, dass aus einer gleichzeitigen Einnahme von niedrig dosierter ASS und Metamizol tatsächlich gesundheitliche Nachteile für den Patienten entstehen.
Maßnahmen zur Vermeidung der Wechselwirkung
Maßnahmen, um das Auftreten der Wechselwirkung zu vermeiden, sind begrenzt. Der Wechsel auf einen Wirkstoff aus der Gruppe der nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR) zur Schmerzlinderung hat keinen Vorteil. Diese Wirkstoffe interagieren entweder ebenfalls mit ASS – zum Beispiel Ibuprofen, Naproxen [10] – oder erhöhen auf anderem Wege das kardiovaskuläre Risiko. Selektive COX-2-Hemmer und Diclofenac sollten daher bei Patienten mit hohem kardiovaskulären Risiko sehr zurückhaltend eingesetzt werden. Bei vielen manifesten kardio- und zerebrovaskulären Erkrankungen sind diese Substanzen kontraindiziert [1–4].
Ein anderer Ansatz wäre der Wechsel des Thrombozytenaggregationshemmers zum Beispiel zu Clopidogrel.
In einer klinischen Studie mit Patienten, die unter ASS-Therapie eine hohe Plättchenreaktivität aufwiesen, brachte ein Wechsel auf Clopidogrel jedoch keine Vorteile bezüglich des Auftretens kardiovaskulärer Ereignisse [7].
Da das Ausmaß der Interaktion von der Plasmakonzentration des aktiven Metamizol-Metaboliten 4-N-Methylaminoantipyrin (MAA) abhängt [9], besteht die Möglichkeit, die Einnahme der beiden Wirkstoffe zeitlich so weit wie möglich zu trennen, um zum Zeitpunkt der ASS-Einnahme eine möglichst niedrige MAA-Konzentration zu gewährleisten. ASS sollte nach Möglichkeit 30 bis 60 Minuten vor Metamizol eingenommen werden. Bei Patienten mit einem sehr hohen Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse, die dauerhaft ein Schmerzmittel benötigen, sollte überlegt werden, ob die Umstellung auf ein Opioid-Analgetikum gerechtfertigt ist.
Interessenkonflikterklärung
LG gibt an, dass keine Interessenkonflikte bestehen.
JS gibt an, dass keine Interessenkonflikte bestehen.
HK gibt an, Honorare für Beratung bzw. Expertenbeiratsteilnahme von Leo Pharma GmbH und Bristol-Myers Squibb GmbH & Co. KGaA erhalten zu haben.
Literatur
1. Fachinformation Arcoxia® Filmtabletten, Grünenthal GmbH. April 2016.
2. Fachinformation Celebrex®, Pfizer. Dezember 2015.
3. Fachinformation Dynastat®, Pfizer. Dezember 2014.
4. Fachinformation Voltaren® Tabletten, Novartis Pharma. September 2014.
5. Hohlfeld T, Saxena A, Schrör K. High on treatment platelet reactivity against aspirin by non-steroidal anti-inflammatory drugs–pharmacological mechanisms and clinical relevance. Thromb Haemost 2013;109:825–33.
6. Krasopoulos G, Brister SJ, Beattie WS, Buchanan MR. Aspirin „resistance“ and risk of cardiovascular morbidity: systematic review and meta-analysis. BMJ 2008;336:195–8.
7. Pettersen AÅ, Seljeflot I, Abdelnoor M, Arnesen H. High on-aspirin platelet reactivity and clinical outcome in patients with stable coronary artery disease: results from ASCET (Aspirin nonresponsiveness and clopidogrel endpoint trial). J Am Heart Assoc 2012;1:e000703.
8. Polzin A, Zeus T, Schrör K, Kelm M, et al. Dipyrone (metamizole) can nullify the antiplatelet effect of aspirin in patients with coronary artery disease. J Am Coll Cardiol 2013;62:1725–6.
9. Polzin A, Richter S, Schrör K, Rassaf T, et al. Prevention of dipyrone (metamizole) induced inhibition of aspirin antiplatelet effects. Thromb Haemost 2015;114:87–95.
10. Saxena A, Balaramnavar VM, Hohlfeld T, Saxena AK. Drug/drug interaction of common NSAIDs with antiplatelet effect of aspirin in human platelets. Eur J Pharmacol 2013;721:215–24.
11. Snoep JD, Hovens MM, Eikenboom JC, van der Bom JG, et al. Association of laboratory-defined aspirin resistance with a higher risk of recurrent cardiovascular events: a systematic review and meta-analysis. Arch Intern Med 2007;167:1593–9.
12. Stockley’s Drug Interaction via Medicines Complete. NSAIDs and Aspirin. Last reviewed 22.10.2015. www.medicinescomplete.com (Letzter Zugriff 24.05.2016).
13. UpToDate: Nonresponse and resistance to aspirin. Last updated 11/2013. www.uptodate.com/contents/nonresponse-and-resistance-to-aspirin (Letzter Zugriff 24.05.2016).
Dr. rer. medic. Lisa Goltz, Dr. rer. medic. Jane Schröder, Dr. rer. nat. Holger Knoth, Klinik-Apotheke, Universitätsklinikum Carl Gustav Carus an der Technischen Universität Dresden, Fetscherstraße 74, 01307 Dresden, E-Mail: Hanni-Lisa.Goltz@uniklinikum-dresden.de
Medication Management: Dipyrone (metamizole) and low-dose aspirin – a clinically relevant drug interaction?
Low dose aspirin is used to inhibit platelet aggregation in order to prevent cardiovascular events in patients at risk. It has been postulated that dipyrone is able to inhibit irreversible binding of aspirin to platelets and therefore reduces aspirin effectiveness.
The interaction between aspirin and dipyrone has been shown using in vitro laboratory testing as well as blood samples of patients who had taken both drugs. Assessing platelet aggregation and thromboxane A2 production after stimulation by arachidonic acid, the authors concluded that dipyrone interfered with aspirin effectiveness as much as ibuprofen. However, the clinical relevance of these findings is unclear, because platelet aggregation in vivo is much more complex than in laboratory testing. To date, there are no clinical studies or case reports that describe adverse events in patients taking low dose aspirin and dipyrone. Measures to avoid the interaction are limited. It may be appropriate to take aspirin 30 to 60 minutes before dipyrone in order to achieve maximum effect. Patients with very high cardiovascular risk requiring analgesic medication might be switched to an opioid-analgesic.
Key words: Dipyrone, metamizole, low-dose aspirin, drug interaction
Arzneimitteltherapie 2016; 34(10)