Kardiale Risiken der antitumorösen Therapie

Neues ESC-Positionspapier zur Kardio-Onkologie


Dr. Peter Stiefelhagen, Hachenburg

Onkologische Therapien sind mit einer Reihe von kardialen Risiken assoziiert. Deshalb erfordert der Tumorpatient auch kardiologischen Sachverstand. Die Europäische Gesellschaft für Kardiologie (ESC) hat jetzt ein entsprechendes Positionspapier veröffentlicht, in dem die neuesten Erkenntnisse der Kardio-Onkologie zusammengetragen sind. Vorgestellt wurde es im Rahmen der Jahrestagung der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie (ESC, 27.–30. August 2016) in Rom.

Das Thema „Herz und Krebs“ wird angesichts der demographischen Entwicklung aber auch der Entwicklung neuer Therapiestrategien immer wichtiger. So lautet die Einschätzung von Professor Stephan Achenbach, Direktor der kardiologischen Universitätsklinik in Erlangen/Nürnberg. Dem wolle man mit einem Positionspapier Rechnung tragen, das jetzt auf der ESC-Jahrestagung in Rom vorgestellt wurde. Es wurde gemeinsam von der ESC und der ICOS (International CardiOncology Society) erarbeitet und umfasst alle Aspekte dieses Themenkomplexes.

Toxische Kardiomyopathie durch Anthracycline

Die bekannteste kardiale Komplikation im Rahmen der Tumortherapie ist die durch Anthracycline verursachte toxische Kardiomyopathie bei Frauen mit einem Mammakarzinom. Diese limitiert den Einsatz dieser Substanz vor allem bei älteren Patientinnen. Insgesamt dürften in Abhängigkeit von der Dosis und dem Alter 10 bis 45% der damit behandelten Frauen betroffen sein. Sie kann sehr früh nach der ersten Gabe oder nach einigen Monaten und gar nicht so selten erst viele Jahre nach der Chemotherapie auftreten. So haben Kinder, die mit einem Anthracyclin mit oder ohne Strahlentherapie des Mediastinums behandelt wurden, ein 15-fach erhöhtes Risiko, während ihres Lebens eine Herzinsuffizienz zu entwickeln, im Vergleich zu Personen ohne Tumorleiden. Risikofaktoren für die toxische Kardiomyopathie sind – neben der kumulativen Dosis – weibliches Geschlecht, chronische Niereninsuffizienz, vorbestehende kardiale Erkrankungen beziehungsweise arterielle Hypertonie und eine begleitende kardiotoxische Medikation. Deshalb sollte vor Einleitung der Chemotherapie der Blutdruck optimal eingestellt sein.

Frühdiagnose wichtig

Um die Manifestation der toxischen Kardiomyopathie frühzeitig erkennen zu können, sind regelmäßige Echokardiograpie-Kontrollen erforderlich. Das entscheidende diagnostische Kriterium ist eine Abnahme der Ejektionsfraktion (EF) >10% vom Ausgangswert. Eine beginnende myokardiale Schädigung lässt sich mit den herkömmlichen Echoparametern wie der EF jedoch nicht zuverlässig erfassen. Dazu bedarf es zusätzlicher Techniken wie dem Speckle-Tracking Imaging oder dem Gewebedoppler. Für die myokardiale Schädigung spricht eine Veränderung des globalen longitudinalen Strain um >15%.

Im Rahmen einer Studie wurde der Frage nachgegangen, ob Nebivolol kardioprotektiv wirkt, also die Manifestation einer Anthracyclin-Kardiomyopathie verhindern kann. Eingeschlossen wurden 60 Frauen mit einem Mammakarzinom, die randomisiert mit 5 mg Nebivolol einmal täglich behandelt wurden. „Durch den Betablocker konnte die Toxizität günstig beeinflusst werden“, so Professor Mirela Tomescu, Rumänien. Unter Nebivolol ergaben sich in der Echokardiographie keinerlei Hinweise für eine myokardiale Schädigung im Unterschied zu Patienten ohne diese Begleittherapie.

Weitere Risiken

Aber nicht nur die Herzinsuffizienz, sondern auch andere kardiale therapiebedingte Risiken müssen bei einer antitumorösen Behandlung bedacht werden. Dazu gehören die koronare Herzkrankheit (KHK) und degenerative Veränderungen an den Herzklappen vor allem die Aortenstenose, und zwar als langfristige Folge einer thorakalen Strahlentherapie. „Doch die Interaktion zwischen Tumortherapie und koronarer Herzerkrankung, also die kardiovaskuläre Toxizität, ist bisher noch kaum erforscht, obwohl sie durchaus relevant ist“, so Achenbach. Mögliche Mechanismen seien Vasospasmen, die endotheliale Dysfunktion und eine prothrombotische Begleitwirkung der eingesetzten Substanzen.

Quelle

Vorträge im Rahmen der Jahrestagung der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie (ESC), Rom, 27.-31. August 2016.

Arzneimitteltherapie 2016; 34(11)