Hochrisiko-Melanom

Adjuvante Therapie mit Ipilimumab verlängert Überleben


Dr. Susanne Heinzl, Reutlingen

Erstmals konnte mit einer adjuvanten Therapie bei Patienten mit Stadium-III-Melanom eine Verlängerung des Gesamtüberlebens erreicht werden. Bei Behandlung mit dem CTLA-4-Hemmer Ipilimumab lebten nach fünf Jahren noch 65% der Patienten, während es unter Placebo 54% waren. Diese aktualisierten Ergebnisse der Phase-III-Studie EORTC 18071 wurden am 8. Oktober 2016 auf dem ESMO-Kongress in Kopenhagen vorgestellt und parallel im New England Journal of Medicine publiziert.

Mit steigender Inzidenz an Melanomen sind bei immer mehr Patienten die Lymphknoten befallen (Stadium-III-Melanom). Die Wahrscheinlichkeit, dass bei Lymphknotenbefall systemische Metastasen auftreten, ist eng mit mikroskopisch nachweisbarem beziehungsweise tastbarem Lymphknotenbefall sowie mit der Zahl der positiven Lymphknoten assoziiert. Das Fünf-Jahres-Überleben liegt im Stadium IIIA bei 78%, im Stadium IIIB bei 59% und im Stadium IIIC bei 40%. Eine adjuvante Therapie mit Interferon zeigt nur wenig Wirkung.

EORTC-18071-Studie

Die European Organization for Research and Treatment of Cancer (EORTC) untersuchte deshalb in einer Phase-III-Studie (EORTC 18071) Wirksamkeit und Verträglichkeit des CTLA-4-Hemmers Ipilimumab (Yervoy®) in der adjuvanten Therapie von Hochrisikopatienten mit malignem Melanom im Stadium III, die sich einer kompletten regionalen Lymphknotendissektion unterzogen hatten. In 19 Ländern waren in 99 Zentren zwischen Juli 2008 und August 2011 951 Patienten eingeschlossen worden. Randomisiert und doppelblind erhielten 475 Patienten Ipilimumab initial 10 mg/kg viermal alle drei Wochen, dann alle 12 Wochen, 476 Patienten bekamen Placebo.

Die Behandlung dauerte bis zur Progression oder intolerablen Toxizität, maximal jedoch drei Jahre. Allerdings wurden nur 13,4% der Patienten in der Ipilimumab-Gruppe über drei Jahre behandelt. 49,7% brachen die Studie vorzeitig wegen unerwünschter Wirkungen von Ipilimumab ab. Im Median erhielten die Patienten vier Dosen des CTLA-4-Hemmers und acht Dosen Placebo.

Primärer Endpunkt war das rezidivfreie Überleben (RFS), er war nach einer medianen Nachbeobachtungszeit von 2,7 Jahren erreicht. Diese Daten waren im Mai 2015 publiziert worden [1]: Im Median lebten die Patienten der Ipilimumab-Gruppe 26,1 Monate, die der Placebo-Gruppe 17,1 Monate ohne erneutes Rezidiv (p=0,0013) (siehe auch Arzneimitteltherapie 2015;33:42). Der sekundäre Endpunkt Gesamtüberleben war damals noch nicht erreicht.

Diese Ergebnisse führten im Oktober 2015 zur FDA-Zulassung von Ipilimumab in einer Dosierung von 10 mg/kg Körpergewicht für die adjuvante Therapie des Melanoms. In der EU ist Ipilimumab für diese Indikation nicht zugelassen.

Gesamtüberleben nach fünf Jahren Follow-up

Beim ESMO-Kongress in Kopenhagen wurden nun die aktualisierten Ergebnisse der EORTC-Studie nach einer Nachbeobachtungszeit von 5,3 Jahren vorgestellt. Das RFS blieb in der Ipilimumab-Gruppe auch nach fünf Jahren mit 27,6 Monaten signifikant länger als mit 17,1 Monaten in der Placebo-Gruppe (Hazard-Ratio [HR] 0,76; 95%-Konfidenzintervall [KI] 0,64–0,89; p<0,001). Nach fünf Jahren lebten in der Ipilimumabgruppe noch 41% der Patienten ohne Rezidiv, in der Placebogruppe 30%, ein Unterschied von 11 Prozentpunkten.

Auch der sekundäre Endpunkt Gesamtüberleben war in der Ipilimumab-Gruppe signifikant besser mit einer Fünf-Jahres-Überlebensrate von 65,4% versus 54,4%, ebenfalls ein Unterschied von 11 Prozentpunkten. Ipilimumab senkte das relative Risiko zu sterben im Vergleich zu Placebo um 28% (HR 0,72; 95%-KI 0,58–0,88; p=0,001) (Abb. 1). Das relative Risiko für distante Metastasen sank durch die Ipilimumab-Behandlung um 24% (HR 0,76; 95%-KI 0,64–0,92; p=0,002).

Abb. 1. EORTC-18071-Studie: Gesamtüberleben von Patienten mit malignem Melanom im Stadium III, die adjuvant mit Ipilimumab oder Placebo behandelt worden waren [2, 3]

Wirksamkeit teuer erkauft

Die unerwünschten Wirkungen der Ipilimumab-Therapie sind erheblich. Im Vergleich zur ersten Vorstellung der Ergebnisse im Jahr 2015 waren zwar keine neuen unerwünschten Wirkungen aufgetreten, aber fast alle Patienten unter Ipilimumab berichteten über irgendeine Nebenwirkung. Bei mehr als der Hälfte (54,1%) kam es zu Nebenwirkungen vom Grad 3 oder 4, während dies in der Placebo-Gruppe in 26,2% der Fall war.

Besonders belastend sind immunbezogene unerwünschte Wirkungen, die sich vor allem an der Haut, im Gastrointestinaltrakt, im endokrinen System, an der Leber und am Nervensystem zeigten. Immunbedingte Reaktionen vom Grad 3/4 waren mit 16,1% am Gastrointestinaltrakt am häufigsten, gefolgt von der Leber mit 10,8% und dem endokrinen System mit 7,9%. Als problematisch erwiesen sich Kolitiden mit dem Risiko von Perforationen sowie Hypophysitiden, die eventuell eine lebenslange Hormonersatztherapie erforderlich machen.

Fünf Patienten verstarben aufgrund von Ipilimumab-bedingten Nebenwirkungen: drei Patienten an einer Kolitis, ein Patient an Myokarditis und ein Patient an Multiorganversagen, das mit einem Guillain-Barré-Syndrom assoziiert war.

Trotzdem: historischer Meilenstein

Nach Meinung von Prof. Dr. Olivier Michielin, Universitätsklinik Lausanne, Schweiz, hat diese Studie einen neuen historischen Meilenstein bei der Suche nach der optimalen Behandlung des Melanoms gesetzt. Ihre Ergebnisse zeigten zum einen, dass der Überlebensvorteil mit der CTLA-4-Blockade im Stadium IV der Erkrankung sich auch auf das adjuvante Setting übertragen lasse, zum anderen sei dies der erstmalige Nachweis, dass auch im adjuvanten Setting eine T-Zell-Response erhalten werden kann. Das weist darauf hin, dass eine residuelle Erkrankung ausreiche, um spezifische Prozesse anzustoßen. Michielin wies darauf hin, dass die Entscheidung zur Therapie die Toxizität berücksichtigen müsse und die Patienten nur in entsprechend erfahrenen Zentren behandelt werden sollten.

Quellen

1. Eggermont AM, et al. Adjuvant ipilimumab versus placebo after complete resection of high-risk stage III melanoma (EORTC 18071): a randomised, double-blind, phase 3 trial. Lancet Oncol. 2015;16:522–30.

2. Eggermont AM, et al. Ipilimumab vs placebo after complete resection of stage III melanoma: final overall survival results the EORTC 18071 randomized, double-blind, phase 3 trial. ESMO-Kongress 2016, Abstract LBA4-PR.

3. Eggermont AM, et al. Prolonged survival in stage III melanoma with ipilimumab adjuvant therapy. N Engl J Med. 2016;375:1845–55.

Es stand in der AMT

Melanome – Ipilimumab auch in der Adjuvanz einsetzen? Arzneimitteltherapie 2015;33:42.

Infokasten

Ipilimumab ist in Europa als Monotherapie oder in Kombination mit Nivolumab zur Behandlung fortgeschrittener (nicht resezierbarer oder metastasierter) Melanome bei Erwachsenen indiziert [aktuelle Fachinformationen von Yervoy® und Opdivo®].

Arzneimitteltherapie 2017; 35(01)