Kardiovaskuläre Sicherheit nichtsteroidaler Antirheumatika

Celecoxib ist Naproxen und Ibuprofen in der kardiovaskulären Sicherheit nicht unterlegen


Dr. Susanne Heinzl, Reutlingen

Der COX-2-Hemmer Celecoxib (z.B. Celebrex®) ist in der kardiovaskulären Sicherheit Naproxen und Ibuprofen nicht unterlegen. Dies ergab die prospektive, randomisierte, doppelblinde Nichtunterlegenheits-Studie PRECISION, in der 24081 Patienten mit verschiedenen nichtsteroidalen Antiphlogistika (NSAID) behandelt wurden. Ihre Ergebnisse waren bei den Scientific Sessions 2016 der American Heart Association am 13. November 2016 in New Orleans vorgestellt und parallel online im New England Journal of Medicine publiziert worden.

NSAID wurden in den 1960er-Jahren in die Therapie eingeführt und gehören zu den weltweit am häufigsten eingesetzten Arzneimitteln. Sie vermitteln ihre entzündungshemmende und schmerzstillende Wirkung durch eine Hemmung der Prostaglandinsynthese, indem sie die Aktivität von Cyclooxygenasen (COX) inhibieren. Nachdem entdeckt wurde, dass die schmerzstillenden und entzündungshemmenden Effekte vorwiegend über die Hemmung der COX-2-Isoform vermittelt werden und die unerwünschten Wirkungen im Gastrointestinaltrakt auf die Hemmung der COX-1-Isoform zurückzuführen sind, erhoffte man sich von der Entwicklung selektiver COX-2-Hemmer nebenwirkungsärmere Substanzen mit guter analgetischer und antiphlogistischer Wirkung.

Allerdings kam es 2004 zu einem Rückschlag, als der COX-2-Hemmer Rofecoxib (Vioxx®) wegen unerwünschter kardiovaskulärer Wirkungen vom Markt genommen werden musste. 2005 folgte die Rücknahme von Valdecoxib (Bextra®), und alle NSAID außer Acetylsalicylsäure erhielten einen Warnhinweis zu kardiovaskulären Nebenwirkungen. Das kardiovaskuläre Risiko bei Einnahme des COX-2-Hemmers Celecoxib war nach den Ergebnissen einer Studie zur Prävention kolorektaler Neoplasien nur bei den Patienten erhöht, die Dosierungen von 400 mg/Tag erhielten. Die amerikanische Food and Drug Administration (FDA) erlaubte daher die weitere Vermarktung von Celecoxib unter der Auflage, dass eine Studie zur kardiovaskulären Sicherheit durchgeführt wurde.

Von der FDA verordnete Studie

Daher wurden in der randomisierten, multizentrischen, doppelblinden Studie PRECISION (Prospective randomized evaluation of celecoxib integrated safety versus ibuprofen and naproxen) kardiovaskuläre, gastrointestinale und renale Sicherheit von Celecoxib im Vergleich zu den beiden nichtselektiven NSAID Ibuprofen und Naproxen untersucht (Tab. 1) [1, 2].

Tab. 1. Studiendesign von PRECISION (Prospective randomized evaluation of celecoxib integrated safety versus ibuprofen or naproxen) [https://clinicaltrials.gov/]

Erkrankung

Rheumatoide Arthritis

Studienziel

Kardiovaskuläre, gastrointestinale und renale Sicherheit von Celecoxib im Vergleich Ibuprofen und Naproxen

Studientyp/-phase

Interventionsstudie/Phase IV

Studiendesign

Multizentrisch, randomisiert, doppelblind, parallel

Eingeschlossene Patienten

24081 Patienten mit rheumatoider Arthritis oder Arthrose und erhöhtem kardiovaskulärem Risiko

Intervention

  • Celecoxib 100 mg 2×/Tag, Erhöhung auf 200 mg 2×/Tag möglich (n=8072)
  • Ibuprofen 600 mg 3×/Tag, Erhöhung auf 800 mg 3×/Tag möglich (n=8040)
  • Naproxen 375 mg 2×/Tag, Erhöhung auf 500 mg 2×/Tag möglich (n=7969)

Primärer Endpunkt

Zusammengesetzer Endpunkt aus kardiovaskulär bedingtem Todesfall, durch Blutungen bedingtem Todesfall, nichttödlichem Herzinfarkt oder Schlaganfall

Sponsor

Pfizer

Studienregisternr.

NCT00346216 (ClinicalTrials.gov)

In die Studie wurden Patienten mit erhöhtem kardiovaskulärem Risiko aufgenommen, die unter rheumatoider Arthritis oder Arthrose litten. Sie wurden nach Diagnose, Gebrauch von Acetylsalicylsäure und geographischer Region stratifiziert und nahmen in von der FDA zugelassenen Dosierungen Celecoxib (100 mg zweimal täglich), Ibuprofen (600 mg dreimal täglich) oder Naproxen (375 mg zweimal täglich). Im Verlauf der Therapie konnten die täglichen Dosierungen für Patienten mit rheumatoider Arthritis auf zweimal 200 mg Celecoxib, dreimal 800 mg Ibuprofen und zweimal 500 mg Naproxen erhöht werden. Für Patienten mit Arthrose war nur bei Behandlung mit Ibuprofen oder Naproxen eine Dosiserhöhung erlaubt, die Zulassungsbedingungen ermöglichten keine Dosiserhöhung von Celecoxib. Alle Patienten erhielten 10 bis 40 mg Esomeprazol als Magenschutz. Übliche kardioprotektive Maßnahmen sollten weitergeführt werden, auch eine niedrig dosierte Therapie mit Acetylsalicylsäure (325 mg/Tag) war erlaubt.

Viele Vergleiche in zahlreichen Endpunkten

Im zusammengesetzten primären Endpunkt sollte die Nichtunterlegenheit von Celecoxib nachgewiesen werden; dies war das erste Auftreten eines Ereignisses, das den Kriterien der Antiplatelet Trialists Collaboration (APTC) entsprach, nämlich kardiovaskulär bedingter Todesfall, einschließlich durch Blutungen bedingter Todesfall, nichttödlicher Herzinfarkt oder Schlaganfall.

Die sekundären Endpunkte waren auf den Nachweis der Überlegenheit angelegt, so ein zusammengesetzter sekundärer Endpunkt, der wichtige kardiovaskuläre Ereignisse wie die Komponenten des primären Endpunkts sowie zusätzlich koronare Revaskularisationsmaßnahmen oder Hospitalisierung wegen instabiler Angina oder transienter ischämischer Attacke (TIA) umfasste, ferner klinisch bedeutsame gastrointestinale Ereignisse und klinisch relevante Nierensymptome, Eisenmangelanämie gastrointestinaler Ursache und Hospitalisierung wegen Herzinsuffizienz oder Hypertonie.

Die Studie war ereignisgesteuert, die Patienten sollten mindestens 18 Monate beobachtet werden.

Nichtunterlegenheit von Celecoxib nachgewiesen

In 926 Zentren in 13 Ländern wurden zwischen Oktober 2006 und Juni 2014 24222 Patienten randomisiert, von denen 24081 analysiert wurden. Das Durchschnittsalter der Patienten lag bei 63 Jahren, 64% waren Frauen. Rund 90% litten an Arthrose, nur etwa 10% an rheumatoider Arthritis. Etwa 46% nahmen regelmäßig Acetylsalicylsäure ein, rund ein Drittel litt an einem Diabetes mellitus. 8072 Patienten hatten Celecoxib in einer mittleren Tagesdosis von 209±37 mg erhalten, 7969 waren mit Naproxen (852±103 mg) und 8040 mit Ibuprofen (2045±246 mg) behandelt worden. Die Patienten wurden im Mittel 20,3 Monate behandelt und 34,1 Monate nachbeobachtet. Während der zehn Jahre laufenden Studie beendeten 68,8% der Patienten die Medikamenteneinnahme und 27,4% brachen die Nachbeobachtung ab.

Primärer Endpunkt erreicht

Der primäre Endpunkt wurde erreicht: Die meisten kardiovaskulären Ereignisse traten unter Ibuprofen auf, die wenigsten mit Celecoxib, und zwar in der Intention-to-treat-Population und in der On-Treatment-Population; dazwischen lag Naproxen. Dies führte zu p-Werten für die Nichtunterlegenheit von weniger als 0,001 (Abb. 1).

Abb. 1. PRECISION-Studie: Celecoxib war in der kardiovaskulären Sicherheit Ibuprofen und Naproxen nicht unterlegen [nach 1, 2]; HR: Hazard-Ratio; *p-Werte für Nichtunterlegenheit

Die hypothesenbildenden sekundären Endpunkte ergaben, dass die Rate wichtiger kardiovaskulärer Ereignisse unter Ibuprofen um 15% höher war als unter Celecoxib (p=0,06). Kardiovaskuläre Todesfälle waren unter Naproxen am häufigsten und am seltensten unter Celecoxib, die Unterschiede waren jedoch nicht signifikant. Die Gesamtsterblichkeit war jedoch in der Naproxen-Gruppe grenzwertig signifikant um 25% höher als in der Celecoxib-Gruppe (p=0,052).

Die Rate gastrointestinaler unerwünschter Wirkungen war unter Ibuprofen um 54% und unter Naproxen um 41% höher, obwohl die Patienten gleichzeitig Esomeprazol einnahmen. Überraschend war eine um 64% höhere Rate an schweren renalen Ereignissen mit Ibuprofen, die hoch signifikant war. Die Häufigkeit renaler Ereignisse lag mit Celecoxib bei 0,7%, mit Ibuprofen bei 1,1% und mit Naproxen bei 0,9%.

Unter den weiteren unerwünschten Wirkungen gab es in der IbuprofenGruppe ein signifikant erhöhtes Risiko für eine Hospitalisierung wegen Bluthochdrucks im Vergleich zu Celecoxib. Möglicherweise spielt die Blutdruckerhöhung für das kardiovaskuläre Risiko eine größere Rolle als bisher gedacht.

Einschränkungen der Studie

Einschränkungen der Studie waren niedrigere Adhärenz und Retention als in anderen Studien mit kardiovaskulärem Endpunkt. Beide Faktoren waren jedoch mit anderen Schmerzstudien vergleichbar. Eine weitere Einschränkung war die relativ niedrige Dosis von Celecoxib mit 200 mg/Tag, weil in anderen Studien unerwünschte kardiovaskuläre Effekte vor allem in supratherapeutischen Dosen beobachtet worden waren.

Nach Aussage der Autoren stellen die Ergebnisse die weit verbreitete Ansicht infrage, dass Naproxen aus kardiovaskulärer Sicht relativ sicher sei. Die nun vorliegenden Daten müssten durch die Gesundheitsbehörden sorgfältig geprüft werden, um möglicherweise Änderungen im Zulassungsstatus der Substanzen zu veranlassen.

Kritik von verschiedenen Seiten

Diskutant Prof. Dr. Elliot Antman, Brigham and Women’s Hospital, Boston, sieht die Ergebnisse der PRECISION-Studie kritisch. Er bezeichnete sie als „sehr komplexe Studie, die nicht in 140-Zeichen-Tweets interpretiert werden kann“.

Die Untersucher hätten die Dosis der drei Analgetika in Abhängigkeit von den Schmerzen der Patienten erhöhen können, aber die Dosis habe für Naproxen und Ibuprofen stärker gesteigert werden können als für Celecoxib. Arthrose-Patienten hatten einen Anteil von 90% in der Studie, und sie dürfen zulassungsbedingt maximal nur 200 mg Celecoxib täglich, also eine relativ niedrige Dosis erhalten. Wichtig ist aus Sicht von Antman, dass man die Ergebnisse danach analysiert, welche Analgetika-Dosis die Patienten zum Zeitpunkt eines kardiovaskulären Ereignisses einnahmen, denn die Dosierung von Celecoxib sei mit dem kardiovaskulären Risiko der Substanz assoziiert.

Antman wies weiter darauf hin, dass die Patienten in der Studie kein sehr hohes kardiovaskuläres Risiko hatten. Zudem hätten fast 46% der Patienten regelmäßig Acetylsalicylsäure aus kardiovaskulären Gründen eingenommen. Die kardioprotektiven Wirkungen von Acetylsalicylsäure könnten durch Ibuprofen und Naproxen vermindert werden, nicht jedoch durch Celecoxib.

Der hohe Anteil von 27% der Patienten, die während der Nachbeobachtung „verloren gegangen“ sind, könnte ebenfalls zu einer Fehlinterpretation der Daten führen. Antman empfahl deshalb, sich weiter an das Statement der American Heart Association zur Anwendung von NSAID aus dem Jahr 2007 zu halten und diese Substanzen bei Patienten mit erhöhtem kardiovaskulärem Risiko nur dann anzuwenden, wenn es keine entsprechende Alternative gibt. Hierbei sollte die Substanz mit dem niedrigsten Risiko in der niedrigsten möglichen Dosis über die kürzest mögliche Zeit eingesetzt werden.

In einem Editorial in Circulation kritisiert Dr. Garret A. FitzGerald, Institute for Translational Medicine and Therapeutics, Philadelphia (USA), die Studie scharf [3]: „Mit der Interpretation der PRECISION gibt es so viele Probleme, dass sie damit keine Information für die klinische Praxis liefert. Trotz des Einschlusses von mehr als 24000 Patienten und einer Studiendauer über mehr als eine Dekade können wir Millionen von Patienten mit chronischen arthrotischen Schmerzen keinen besseren Rat zur relativen Wirksamkeit und Sicherheit der für sie verfügbaren Therapiemöglichkeiten geben.“ Seine Schlussfolgerung lautet: „Eine solche Enttäuschung weist darauf hin, dass wir uns von stumpfen Instrumenten wie schlecht geplanten Studien wegbewegen müssen hin zu phänotypisierenden Studien, die Faktoren identifizieren, welche den Nutzen und das Risiko beim einzelnen Patienten bestimmen, um eine bessere Anwendung von NSAID zu ermöglichen.“

Literatur

1. Nissen SE et al. Cardiovascular outcomes with celecoxib vs. ibuprofen or naproxen: The Precision Trial. Scientific Session 2016 der American Heart Association, New Orleans, 13. November 2016, www.abstractsonline.com/pp8/#!/4096/presentation/58119.

2. Nissen SE et al. Cardiovascular safety of celecoxib, naproxen, or ibuprofen for arthritis. N Engl J Med 2016;375:2519–29.

3. Fitzgerald GA. ImPRECISION: Limitations to interpretation of a large randomized clinical trial. Circulation 2016, Online publiziert am 13. November 2016. http://circ.ahajournals.org/content/early/2016/11/11/CIRCULATIONAHA.116.026324.


Es steht in der AMT

Editorial „Antirheumatika und kardiovaskuläres Risiko: Steht eine Neubewertung an?“ Arzneimitteltherapie 2017;35:1.

Arzneimitteltherapie 2017; 35(01)