Diabetes mellitus Typ 2

GLP1-Analogon Semaglutid reduziert kardiovaskuläres Risiko


Dr. Susanne Heinzl, Reutlingen

Der noch in klinischer Entwicklung befindliche GLP1-Rezeptoragonist Semaglutid kann bei Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2 das kardiovaskuläre Risiko signifikant senken. Dies ergab die SUSTAIN-6-Studie, deren Ergebnisse erstmals bei der Jahrestagung der European Association for the Study of Diabetes (EASD) am 16. September 2016 in München vorgestellt und parallel im New England Journal of Medicine publiziert wurden.

Semaglutid ist ein von Novo Nordisk entwickeltes GLP1-Analogon, das sich durch eine lange Halbwertszeit von etwa 170 h auszeichnet. Dies ermöglicht eine einmal wöchentliche subkutane Gabe. Derzeit wird Semaglutid im Phase-III-Programm SUSTAIN (Semaglutide unabated sustainability in treatment of type 2 diabetes) in sechs Studien mit mehr als 7000 Patienten mit Diabetes mellitus untersucht.

Erste Daten aus dem SUSTAIN-Programm (Studien 1 bis 5) wurden bislang bei verschiedenen Kongressen vorgestellt. Semaglutid senkte in Monotherapie oder als Zusatztherapie zu Insulin das HbA1c um 1,3 bis 1,8 Prozentpunkte. Das Körpergewicht sank in den SUSTAIN-Studien 1 bis 5 um 3,7 bis 6,4 kg.

Kardiovaskuläre Sicherheit von Semaglutid

In der SUSTAIN-6-Studie wurde – wie von den Zulassungsbehörden gefordert – die kardiovaskuläre Sicherheit von Semaglutid untersucht.

In die Studie wurden in 230 Zentren in 20 Ländern 3297 Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2 (HbA1c 7,0%) im Alter ab 50 Jahren mit klinisch symptomatischer kardiovaskulärer Erkrankung oder im Alter ab 60 Jahren mit subklinischer kardiovaskulärer Erkrankung eingeschlossen, die bislang mit oralen Antidiabetika und/oder Insulin behandelt wurden. Sie wurden nach kardiovaskulärem Risiko, Insulinbehandlung und glomerulärer Filtrationsrate stratifiziert.

Randomisiert erhielten sie Semaglutid 0,5 oder 1,0 mg, das über 4 bis 8 Wochen zu dieser Zieldosis auftitriert wurde, oder Placebo über insgesamt zwei Jahre.

Der primäre zusammengesetzte Endpunkt umfasste das erste Auftreten von kardiovaskulärem Tod, nichttödlichem Herzinfarkt oder nichttödlichem Schlaganfall. Die Studie war auf Nichtunterlegenheit angelegt. Zu den weiteren sekundären Parametern gehörten zum Beispiel die Wirkungen auf den HbA1c, den Nüchternblutglucosespiegel, den Glucosemetabolismus, das Körpergewicht, auf Retinopathie und Nephropathie sowie die Häufigkeit von Hypoglykämien.

Rund 60% waren Männer, das Durchschnittsalter lag bei 64,6 Jahren, das mittlere Körpergewicht bei 92,1 kg. Die Patienten waren im Mittel seit 13,9 Jahren an einem Diabetes mellitus Typ 2 erkrankt, ihr HbA1c betrug im Durchschnitt 8,7%. 93% der Patienten litten an einer Hypertonie, 60,5% an einer koronaren Herzkrankheit. 32,5% hatten bereits einen Herzinfarkt und 11,6% einen Schlaganfall durchgemacht. 23,6% waren an einer Herzinsuffizienz erkrankt. Die kardiovaskulären Erkrankungen wurden mit Antihypertonika (93,5%), Diuretika (38,2%), Lipidsenkern (76,5%) und Antithrombotika (76,3%) behandelt. Antidiabetika erhielten 98,4% und Insulin 58% der Patienten.

Weniger kardiovaskuläre Ereignisse mit Semaglutid

Der primäre Endpunkt trat bei 108/1648 Patienten (6,6%) unter Semaglutid und bei 146/1649 Patienten (8,9%) in der Placebo-Gruppe auf (Abb. 1). Dies entspricht einer Reduktion des relativen Risikos für ein kardiovaskuläres Ereignis um 26% (Hazard-Ratio [HR] 0,74; p<0,001 für Nichtunterlegenheit; p=0,02 für Überlegenheit).

Abb.1. SUSTAIN-6-Studie: Wirkung von Semaglutid auf den primären Endpunkt. Das Risiko für ein kardiovaskuläres Ereignis wurde durch die Behandlung mit Semaglutid im Vergleich zu Placebo signifikant um relativ 26% verringert (nach [Marso SP et al. 2016].

Der Unterschied basierte darauf, dass Semaglutid die Zahl der Herzinfarkte deutlich (Ereignisrate 2,9 zu 3,9%; p=0,12) und die der Schlaganfälle (1,6 zu 2,7%; p=0,04) signifikant verringerte. Die Effekte waren auch in den Subgruppen nachweisbar.

Die Zahl der kardiovaskulär bedingten Todesfälle (2,8% zu 2,7%) unterschied sich dagegen in beiden Gruppen nicht. Auch in der Gesamtsterblichkeit zeigte sich kein Unterschied zwischen den Behandlungsgruppen (3,8% Semaglutid, 3,6% Placebo).

Der systolische Blutdruck sank bei Therapie mit Semaglutid im Median um 1,27 beziehungsweise 2,59 mmHg. Außerdem nahmen die Teilnehmer sehr viel stärker ab – um 3,6 und 4,9 kg – in der Placebogruppe waren es nur 0,5–0,7 kg. Wie auch bereits bei anderen GLP1-Analoga beobachtet, stieg die Herzfrequenz unter Semaglutid leicht um 2,0 beziehungsweise 2,5 Schläge/Minute.

Der HbA1c-Wert nahm bis Woche 104 unter Semaglutid 0,5 mg um 1,1 Prozentpunkte (Placebo -0,4 Prozentpunkte) und unter Semaglutid 1,0 mg um 1,4 Prozentpunkte (Placebo -0,4 Prozentpunkte) ab. Mit Semaglutid erreichten mehr Patienten einen Zielwert unter 7% beziehungsweise unter 6,5%. Der Nüchternblutglucose-Spiegel sank mit Semaglutid 0,5 mg um 1,7 mmol/l, mit Semaglutid 1 mg um 2,1 mmol/l und damit signifikant stärker als in der jeweiligen Placebo-Gruppe (p<0,0001).

Gastrointestinale Störungen und mehr Retinopathien

Gastrointestinale Störungen als häufigste unerwünschte Wirkung waren meist leicht bis mäßig schwer und traten vor allem in den ersten 30 Behandlungswochen auf. Eine leichte akute Pankreatitis trat bei neun Patienten unter Semaglutid und bei zwölf Patienten unter Placebo auf. Die Hypoglyämie-Rate unterschied sich in den Gruppen nicht, sie lag zwischen 21 und 23,1%.

Die mit Semaglutid behandelten Patienten hatten ein geringeres Risiko für die Entstehung oder Verschlechterung einer Nephropathie. Unerwartet war jedoch, dass das Risiko für eine Retinopathie beziehungsweise Komplikationen einer Retinopathie bei Behandlung mit dem GLP1-Analogon im Vergleich zu Placebo höher war: Bei 50 Patienten unter Semaglutid (3,0%) und bei 29 Patienten unter Placebo (1,8%) kam es zum erstmaligen Auftreten oder zur Verschlechterung einer Retinopathie (HR 1,76; p=0,02). Bei Patienten mit Diabetes mellitus Typ 1 besteht eine Assoziation zwischen der raschen Senkung des Glucosespiegels und der Verschlechterung der Retinopathie. Ob dies auch für den Effekt von Semaglutid bei Diabetes mellitus Typ 2 zutrifft, ist unklar.

Ergebnisse klinisch bedeutsam

Prof. Dr. Lars Ryden diskutierte die SUSTAIN-6-Studie beim EASD-Kongress. Er lobte das Design und bezeichnete die Reduktion der kardiovaskulären Ereignisse durch Semaglutid als klinisch bedeutsam. Er geht von einer Beeinflussung atherosklerotischer Vorgänge durch das GLP1-Analogon aus, weil es bis zu einem Jahr dauerte, bis sich bei den Ereignisraten eine Differenz zeigte.

In der SUSTAIN-6-Studie konnte nun für das dritte Antidiabetikum nach Empagliflozin und Liraglutid gezeigt werden, dass es bei Diabetikern mit erhöhtem kardiovaskulärem Risiko das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse verringern kann.

Quellen

Vorträge bei der 52. Jahrestagung der European Association for the Study of Diabetes (EASD) am 16. September 2016:

Leiter L. Trial design, baseline characteristics. S35.1.

Marso SP. Cardiovascular outcomes. S35.2.

Vilsboll T. Clinical and metabolic outcomes. S35.3.

Bain S. Safety outcomes. S35.4.

Ryden L. Discussant. S35.5.

Marso SP, et al. Semaglutide and cardiovascular outcomes in patients with type 2 diabetes. N Engl J Med 2016;375:1834–44.

Arzneimitteltherapie 2017; 35(01)