Kleine und große Fortschritte in der Onkologie


Veröffentlicht am: 28.11.2019

Dr. med. Peter Stiefelhagen, Hachenburg

[Foto: privat]

Science, Education, Networking. Dies sind die Ziele der jährlich stattfindenden Tagung der European Society for Medical Oncology (ESMO; 7. bis 11. Oktober 2016 in Kopenhagen). Auch in diesem Jahr wurde der Kongress diesem umfassenden Anspruch vollkommen gerecht. In zahlreichen Late-Breaking-Sessions wurden neueste wissenschaftliche Daten präsentiert und diskutiert, die Eingang in die tägliche Praxis finden dürften. Hier stehen sicherlich die Checkpoint-Inhibitoren – insbesondere die PD-1- beziehungsweise PD-L1-Inhibitoren – im Mittelpunkt des Interesses, zumal diese innovativen Substanzen nach den überzeugenden Ergebnissen bei fortgeschrittenen respektive metastasierten Tumoren nun auch in das adjuvante und neoadjuvante Setting vordringen. Für Ipilimumab konnte bereits im Rahmen der EORTC-18071-Studie gezeigt werden, dass eine adjuvante Gabe bei operierten Patienten die Behandlungsergebnisse verbessert (s. Beitrag S. 36f.). Bei fortgeschrittenen/metastasierten Tumoren sind die Checkpoint-Inhibitoren auf dem Weg von der Second-Line- in die First-Line-Therapie. Erste durchaus überzeugende Daten liegen für Nivolumab beim Nierenzellkarzinom (CheckMate-025-Studie) und dem Blasenkarzinom (CheckMate-275-Studie) vor. Pembrolizumab erwies sich beim NSCLC der Chemotherapie als eindeutig überlegen (KEYNOTE-024-Studie).

Große Erwartungen und offene Fragen

Welche großen Erwartungen diese neue Therapiestrategie begleiten, mögen folgende Zahlen veranschaulichen: Im Moment werden 20 verschiedene Substanzen im Rahmen von 803 Studien bei insgesamt 166736 Patienten untersucht. Ein heiss diskutiertes Thema ist die Frage, in wieweit die PD-L1-Expression des Tumors einen prädiktiven Biomarker darstellt, der das Ansprechen auf eine solche Substanz zuverlässig voraussagen kann. Auch gibt es methodische Mängel beim immunhistochemischen Nachweis der PD-L1-Expression. Das heißt, dass das Ergebnis abhängig vom Immunoassay ist. Es stellen sich somit eine Reihe von Fragen: Welcher Prozentsatz an Tumorzellen muss PD-L1 exprimieren, damit man von einem positiven Befund sprechen kann? Kann eine solche Substanz überhaupt wirken, wenn das entsprechende Target fehlt? Wie zuverlässig sind die Immunoassays? Gibt es eine Dynamik bei der PD-L1-Expression? Und welche Konsequenzen ergeben sich aus einem negativen Befund für die Therapie?

Neue targeted therapies

Aber auch bei der targeted therapy gibt es Fortschritte durch die Einführung neuer Substanzen wie beispielsweise des CDK4/6-Inhibitors Ribociclib bei Frauen mit fortgeschrittenem oder metastasiertem Hormonrezeptor-positivem/HER2-negativem (HR+/HER2−) Mammakarzinom und des Tyrosinkinase-Inhibitors Cabozantinib beim metastasierten Nierenzellkarzinom (s. Beitrag S. 49f.). Nach den Ergebnissen der MONALEESA-2-Studie könnte die Kombination von Ribociclib mit einem Aromatasehemmer der neue Standard für solche Patientinnen werden. Im Wettstreit der Anti-Estrogene erwies sich in der FALCON-Studie der Estrogen-Rezeptor-Antagonist Fulvestrant dem Aromatasehemmer Anastrozol beim metastasierten postmenopausalen HR+/HER2− Mammakarzinom überlegen. Aber auch im adjuvanten Bereich gibt es Fortschritte. Erste Ergebnisse mit dem Tyrosinkinase-Inhibitor Sunitinib bei Patienten nach einer operativen Entfernung des Nierenzellkarzinoms geben Hoffnung, dass damit noch mehr Patienten geheilt werden können. Die Beispiele mögen zeigen, dass die Dynamik in der Onkologie ungebrochen ist, auch wenn der Fortschritt meist nur in kleinen Schritten daherkommt.

Arzneimitteltherapie 2017; 35(01)