Immuntherapie bei Lungen- und Urothelkarzinom

Positive Daten zur PD-L1-Inhibition mit Atezolizumab


Dr. Annette Junker, Wermelskirchen

Die ersten Phase-III-Daten zur PD-L1-Inhibition, die kürzlich auf der Jahrestagung der European Society of Medical Oncology (ESMO) vorgestellt wurden, zeigen, dass die Behandlung mit Atezolizumab für bereits vorbehandelte Patienten mit fortgeschrittenem nichtkleinzelligem Bronchialkarzinom (NSCLC) gegenüber Docetaxel einen signifikanten Überlebensvorteil von mehr als vier Monaten bringt. Die aktuellen Daten ergänzen die Ergebnisse aus Phase-II-Studien beim jeweils fortgeschrittenen NSCLC und Urothelkarzinom. In einem Symposium der Roche Pharma AG während der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie (DGHO) wurden mit Prof. Dr. Viktor Grünwald, Hannover, und Priv.-Doz. Dr. Niels Reinmuth, München-Gauting, die aktuellen Erkenntnisse zur PD-L1-Inhibition mit Atezolizumab diskutiert.

Der humanisierte, monoklonale Antikörper Atezolizumab gilt als erster Vertreter der nächsten Generation von Checkpoint-Inhibitoren. Die Bindung an das Protein PD-L1 (Programmed death Ligand 1) verhindert zunächst die Übertragung suppressiver Signale auf tumorspezifische T-Zellen. Atezolizumab blockiert aber nicht nur die Interaktion von PD-L1 mit PD-1, sondern auch die mit B7.1. Damit unterscheidet sich Atezolizumab grundlegend von Substanzen, die nur einen der beiden Signalwege hemmen (Abb. 1). Die Inhibition von PD-L1 lässt die PD-1/PD-L2-Interaktion intakt, sodass die Immunhomöostase aufrecht erhalten bleibt. Die doppelte Blockade durch die PD-L1-Inhibition mit Atezolizumab wird aktuell in zahlreichen Studien bei verschiedenen Tumorentitäten als Monotherapie sowie in Kombination mit Chemotherapien, zielgerichteten Therapien und anderen Immuntherapeutika untersucht.

Abb. 1. PD-L1 (Programmed death-ligand 1): ein inhibitorischer Immunsignalweg, der von Tumoren zweckentfremdet wird [© Roche Pharma AG]

Längeres Überleben für NSCLC-Patienten in Phase-III- und Phase-II-Studien bestätigt

In der auf dem ESMO 2016 vorgestellten randomisierten Phase-III-Studie OAK wurden 850 Patienten mit lokal fortgeschrittenem oder metastasiertem NSCLC, deren Erkrankung während oder nach einer platinhaltigen Chemotherapie fortgeschritten war, mit entweder 1200 mg i.v. Atezolizumab oder 75 mg/m2 Docetaxel alle drei Wochen bis zum Progress beziehungsweise Verlust des klinischen Benefits behandelt. Nach einem medianen Follow-up von 19 Monaten überlebten die Patienten unter Atezolizumab im Median 13,8 Monate – und damit 4,2 Monate länger als unter Docetaxel (9,6 Monate; Hazard-Ratio [HR] 0,73; p=0,0003; Abb. 2). Die signifikante Reduktion des Mortalitätsrisikos bestätigte sich auch bei Patienten ohne PD-L1-Expression auf Tumorzellen oder tumorinfiltrierenden Immunzellen (TC0/IC0; HR 0,75; p=0,0215) [1].

Abb. 2. Vorbehandelte NSCLC-Patienten leben durch eine Atezolizumab-Anschlusstherapie statistisch signifikant länger als durch eine Docetaxel-Therapie (Ergebnisse der Intention-to-treat-Population, mod. nach [1]).

Die aktuellen Daten der Studie OAK untermauern die Erkenntnisse aus der Phase-II-Studie POPLAR (n=287), in der auch Atezolizumab mit Docetaxel verglichen worden war und gezeigt werden konnte, dass Atezolizumab das Mortalitätsrisiko von bereits vorbehandelten NSCLC-Patienten signifikant reduzierte (HR 0,69; p=0,011) [3, 5]. Die Studien bestätigen zudem die relativ gute Verträglichkeit der Therapie: In beiden Studien traten unter Atezolizumab weniger unerwünschte Ereignisse (Grad 3–4) auf als unter Docetaxel [1, 5].

Positive Daten auch beim Urothelkarzinom

Fortgeschrittene Erkenntnisse zur Wirksamkeit der PD-L1-Inhibition mit Atezolizumab liegen auch beim Urothelkarzinom vor. So wurden in der Phase-II-Studie IMvigor 210 Patienten mit fortgeschrittenem oder metastasiertem Urothelkarzinom mit Atezolizumab behandelt. In Kohorte 1 der Studie waren Patienten eingeschlossen, die für eine Cisplatin-basierte First-Line-Therapie nicht in Frage kamen. Das zentrale Ergebnis der aktuellen, ebenfalls beim ESMO präsentierten Auswertung: 23% der Patienten sprachen auf die Behandlung mit Atezolizumab an. Die mittlere Ansprechdauer war nach einem medianen Follow-up von 17,2 Monaten noch nicht erreicht [2]. In der 2. Studienkohorte wurden Patienten mit Atezolizumab behandelt, die zuvor bereits mindestens eine platinbasierte Therapie gegen die fortgeschrittene Erkrankung erhalten hatten. Auch bei diesen zum Teil massiv vorbehandelten Patienten erzielte Atezolizumab eine objektive Ansprechrate von 16% [4]. 65% dieser Patienten zeigten zum Zeitpunkt der Analyse (medianes Follow-up 21,0 Monate) weiterhin ein Ansprechen auf die Behandlung mit Atezolizumab [4]. In den USA ist Atezolizumab für diese Therapiesituation seit Mai 2016 – als erster Anti-PD-L1-Antikörper überhaupt – zugelassen.

Quelle

Prof. Dr. Martin Wolf, Kassel, Prof. Dr. Viktor Grünwald, Hannover, Priv.-Doz. Dr. Niels Reinmuth, München-Gauting, DGHO-Industriesymposium „Die nächste Generation der Krebsimmuntherapie“, veranstaltet von der Roche Pharma AG im Rahmen der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Hämatolgoie und Onkologie (DGHO), Leipzig, 15. Oktober 2016.

Literatur

1. Barlesi F, et al. ESMO 2016; Abstract LBA44.

2. Bellmunt J, et al. ESMO 2016; Abstract 782PD.

3. Fehrenbacher L, et al. Atezolizumab versus docetaxel for patients with previously treated non-small-cell lung cancer (POPLAR): a multicentre, open-label, phase 2 randomised controlled trial. Lancet 2016;387:1837–46.

4. Loriot Y, et al. ESMO 2016; Abstract 783P.

5. Smith D, et al. J Clin Oncol 2016;34(Suppl.): Abstract 9028 (Oral Presentation, ASCO 2016).


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Arzneimitteltherapie 2017; 35(01)