Osteoporose

Der Antikörper Romosozumab senkt das Frakturrisiko


Veröffentlicht am: 28.11.2019

Dr. med. Marianne Schoppmeyer, Nordhorn

Mit einem Kommentar von Professor Dr. med. Johann D. Ringe, Leverkusen
Als „potenzieller Durchbruch“ wurde Romosozumab 2014 nach einer vielversprechenden Phase-II-Studie bei postmenopausalen Frauen mit Osteoporose bezeichnet. Die damaligen Ergebnisse konnten nun in der großen multizentrischen Phase-III-Studie FRAME untermauert werden [3]. Romosozumab senkte das Risiko neuer Wirbelbrüche bei postmenopausalen Frauen mit Osteoporose bereits nach einem Jahr Therapie signifikant. Das Risiko für Frakturen anderer Knochen lag ebenfalls niedriger als unter der Therapie mit Placebo.

Der monoklonale Antikörper Romosozumab bindet an Sklerostin, ein Protein, das nur im Knochen gebildet wird und dort die Aktivität der Osteoblasten hemmt. Romosozumab schaltet dieses Protein aus und führt so zu einem vermehrten Knochenaufbau. In einer Phase-II-Studie konnte bereits gezeigt werden, dass Romosozumab die Knochendichte stärker steigert als das Bisphosphonat Alendronat, das Parathormon-Fragment Teriparatid oder Placebo [1]. In FRAME wurde nun erstmals ein monoklonaler Antikörper, der an Sklerostin bindet, in einer Phase-III-Studie getestet.

Romosozumab in Kombination mit Denosumab

In die FRAME-Studie (Fracture study in postmeopausal woman with osteoporosis) (Tab. 1) wurden 7180 postmenopausale Frauen eingeschlossen, die einen T-Score von –2,5 bis –3,5 an der Hüfte oder am Oberschenkelhals aufwiesen. 18% dieser Frauen hatte vertebrale und 22% nichtvertebrale Frakturen in der Anamnese. Die Frauen wurden randomisiert auf zwei Gruppen verteilt: Sie erhielten entweder monatlich Romosozumab 210 mg s.c. oder ein Placebo, das ebenfalls s.c. gespritzt wurde. Nach zwölf Monaten bekamen die Teilnehmerinnen beider Gruppen über ein Jahr alle sechs Monate 60 mg des monoklonalen Antikörpers Denosumab (Prolia®). Denosumab bindet an den Botenstoff RANK-Ligand, der die Osteoklasten hemmt. So sollte verhindert werden, dass die zuvor gewonnene Knochendichte rasch wieder verloren geht. Alle Patientinnen erhielten zusätzlich Calcium (500–1000 mg) und Vitamin D (600–800 I.E.). Der primäre Endpunkt der Studie war die Häufigkeit vertebraler Frakturen nach 12 und nach 24 Monaten.

Tab. 1. Studiendesign von FRAME (Fracture study in postmeopausal woman with osteoporosis) [nach Cosman F et al.]

Erkrankung

Osteoporose

Studienziel

Effekt einer Therapie mit Romosozumab über ein Jahr auf das Frakturrisiko bei postmenopausalen Frauen; Wirkung einer nachfolgenden Therapie mit Denosumab.

Studientyp

Interventionsstudie

Studienphase

Phase III

Studiendesign

International, randomisiert, doppelblind, Placebo-kontrolliert, parallel

Eingeschlossene Patienten

7180

Intervention

  • Romosozumab + Denosumab (n=3591)
  • Placebo + Denosumab (n=3589)

Primäre Endpunkte

Häufigkeit vertebraler Frakturen nach 12 und 24 Monaten

Sekundäre Endpunkte

Häufigkeit klinischer Frakturen und nichtvertebraler Frakturen nach 12 und 24 Monaten

Sponsor

Amgen, UCB Pharma

Studienregisternummer

NCT01575834 (ClinicalTrials.gov)

Wirbelbrüche deutlich seltener

Die Rate der Wirbelbrüche war im ersten Jahr in der Romosozumab-Gruppe signifikant um 73% gegenüber Placebo zurückgegangen (Risk-Ratio [RR] 0,27; 95%-Konfidenzintervall [KI] 0,16–0,47; p<0,001) (Abb. 1): Eine Fraktur trat unter Romosozumab bei 16 von 3321 Patientinnen auf (0,5%), unter Placebo bei 59 von 3322 Patientinnen (1,8%). Bei Frakturen, die nicht die Wirbel betrafen, zeigte sich kein Unterschied (1,6% vs. 2,1%; p=0,10).

Abb. 1. Neu aufgetretene Wirbelbrüche nach 12 bzw. 24 Monaten [nach Cosman F, et al.].

Auch nach der nachgeschalteten Therapie mit Denosumab blieben diese Unterschiede bestehen. In der Romosozumab-Denosumab-Gruppe waren nach zwei Jahren fünf weitere Frakturen aufgetreten (21 von 3325; 0,6%). In der Placebo-Denosumab-Gruppe waren 25 hinzugekommen, sodass insgesamt 84 von 3327 Frauen (2,5%) einen Wirbelbruch erlitten hatten. Dies entspricht einer Risikoreduktion von 75% (RR 0,25; 95%-KI 0,16–0,40; p<0,001) nach zwei Jahren Therapie. Uneindeutig war das Bild bei den nichtvertebralen Frakturen. Hier hatten nach zwei Jahren 96 von 3589 Patientinnen (2,7%) in der Romosozumab-Denosumab-Gruppe eine Fraktur erlitten. In der Placebo-Denosumab-Gruppe waren es 129 von 3591 (3,6%) Frauen. Diese Differenz war nicht signifikant (p=0,06).

Zunahme der Knochendichte

Die positiven Ergebnisse der Phase-II-Studie bezüglich der Knochendichte konnten in FRAME bestätigt werden. In der Romosozumab-Gruppe stieg die Knochendichte im ersten Therapiejahr in den Wirbeln um 13,3% (95%-KI 11,9–14,7; p<0,001), in der Hüfte um 6,9% (95%-KI 5,6–8,1; p<0,001) und im Oberschenkelhals um 5,9% (95%-KI 4,3–7,4; p<0,001). Im zweiten Therapiejahr nahmen diese Werte unter Denosumab weiter zu.

Knochennekrosen an Kiefer und Femur

In der Therapiegruppe gab es keine Hinweise, dass Romosozumab Osteoarthritiden, Hyperostosen, Tumorerkrankungen oder kardiovaskuläre Erkrankungen gegenüber Placebo begünstigte. Lediglich lokale Reaktionen an der Injektionsstelle traten unter Romosozumab häufiger auf (5,2% vs. 2,9%). Allerdings erlitten zwei Patientinnen der Verum-Gruppe eine Osteonekrose des Kiefers. Bei einer Patientin war zuvor ein Zahn gezogen worden, die andere Patientin hatte eine schlechtsitzende Zahnprothese. Zudem trat eine atypische Femurnekrose auf. Im Editorial zur Studie [2] warnen die Autoren, dass unklar ist, wie häufig solche für die Osteoporose-Therapie typischen Nebenwirkungen bei einer breiten Anwendung des Arzneimittels auftreten werden.

Fazit

Mit Romosozumab steht erstmals eine in einer Phase-III-Studie getestete Substanz zur Verfügung, die an Sklerostin bindet und damit einer Hemmung von Osteoblasten entgegenwirkt. In der sequenziellen Kombination mit Denosumab könnten diese zwei monoklonalen Antikörper in der Sekundärprävention der Osteoporose einen neuen Therapieansatz darstellen.

Kommentar

Romosozumab – Beginn eines Paradigmenwechsels in der Osteoporosetherapie?

Bei der direkt in den Knochenumbau eingreifenden spezifischen Osteoporosetherapie stehen seit Jahren die antiresorptiven Substanzen im Vordergrund, das heißt Osteoklasten-hemmer wie selektive Estrogenrezeptormodulatoren, Bisphosphonate und Denosumab. Eine osteoanabole Therapie mit primärer Stimulation der Osteoblasten ist grundsätzlich der interessantere Behandlungsansatz.

Entsprechend wirksame Fluoridpräparate wurden vor etwa zehn Jahren wegen diskrepanter Wirksamkeitsdaten weitgehend aufgegeben. Osteoblasten stimulierende PTH-Peptide erreichten wegen hoher Kosten und der Notwendigkeit täglicher s.c. Injektionen keine breite Anwendung.

Romosozumab steigert durch Hemmung von Sklerostin hochspezifisch die Knochenneubildung der Osteoblasten. Für diesen neuen monoklonalen Antikörper wurden signifikant höhere Zuwachsraten an Knochendichte nachgewiesen als für das ebenfalls anabol wirksame PTH-Peptid Teriparatid und das rein antiresorptiv wirkende Referenz-Bisphosphonat Alendronat. Bei Letzterem ist zu bedenken, dass ein Anstieg der Knochendichte gemessen mit DXA-Technik nicht ein Zuwachs an Knochensubstanz bedeutet, sondern bei Hemmung weiteren Knochenabbaus eine stärkere Mineralisation der verbliebenen Substanz.

Die kürzlich im New England Journal of Medicine erschienene FRAME-Studie bestätigt die hohe anabole Potenz von Romosozumab, das somit – falls der Preis mit dem herkömmlicher Substanzen vergleichbar ist – das Osteoporose-Medikament der ersten Wahl mit mehrjähriger Anwendung werden könnte [1]. In dieser neuen Studie wurde interessanterweise ein seit vielen Jahren diskutiertes Konzept der Osteoporosebehandlung realisiert: eine Sequenztherapie. Im ersten Jahr anabol mit Romosozumab und im zweiten Jahr antiresorptiv mit Denosumab. Wir hatten bereits im Jahr 2005 über positive Ergebnisse einer im Prinzip entsprechenden intermittierenden Therapie mit anabolem Fluorid und dem Resorptionshemmer Etidronat berichtet [4]. Die FRAME-Studie belegt eindeutig die hohe Potenz einer derartigen Therapiesequenz. Die im ersten Jahr unter Romosozumab an drei Messorten signifikant gestiegenen Knochendichten werden im zweiten Jahr nicht nur gehalten, sondern steigen linear weiter an; die Inzidenz vertebraler, klinischer und nichtvertebraler Frakturen wird im ersten und zweiten Jahr konsekutiv gesenkt.

Wir halten dieses intermittierende Therapiekonzept für sehr vielversprechend. Praxis-Studien für die nachfolgenden Jahre, Studien mit unterschiedlichen Intervallen und auch bei der Glucocorticoid-induzierten Osteoporose und bei Männern sind von großem Interesse.

Quellen

1. Cosman F, et al. Romosozumab treatment in postmenopausal women with osteoporosis. N Engl J Med 2016;375:1532–43.

2. Rosen CF, Ingelfinger JR. Building better bones with biologics – A new approach to osteoporosis? N Engl J Med 2016;375:1583–4.

3. McClung MR, et al. Romosozumab in postmenopausal women with low bone mineral density. N Engl J Med 2014;370:412–20.

4. Ringe JD, et al. Efficacy of etidronate and sequential monofluorophosphate in severe postmenopausal osteoporosis: a pilot study. Rheumatol Int 2005;25:296–300.

Arzneimitteltherapie 2017; 35(03)