Medikamentöse Therapie des Lungenkarzinoms 2017


Licht am Horizont?

Dr. med. Nikolaj Frost, Berlin

[Foto: privat]

Die Bedeutung von Lungenkrebs für die gesamtgesellschaftliche Morbidität und Mortalität kann kaum unterschätzt werden. So werden Tumorerkrankungen kardiovaskulär bedingte Todesfälle in Kürze von Platz eins der Sterbestatistik verdrängt haben und unter Ersteren nehmen Lungenkarzinome stabil den vorderen Rang an. Weltweit gesehen geht jeder vierte krebsbedingte Todesfall auf das Konto von pulmonalen bösartigen Neubildungen. Die damit einhergehende hohe Fallzahl an Neuerkrankungen, ein medianes Erkrankungsalter von 70 Jahren sowie häufige kardiovaskuläre Begleiterkrankungen oder eine fortgeschrittene COPD lassen Lungenkrebs zu einer gesellschaftlichen, diagnostischen und therapeutischen Herausforderung werden. Da bei Diagnosestellung über 50% der Patienten eine Metastasierung aufweisen, ist eine kurativ intendierte Behandlung oft nicht mehr möglich. Mit Platin-basierter Chemotherapie als Rückgrat lassen sich mediane Überlebenszeiten von rund einem Jahr erzielen. Die genannten epidemiologischen (nicht veränderbaren) Grundvoraussetzungen sowie der aktuelle therapeutische Stand sind die Basis zur Beurteilung neuer Behandlungsverfahren.

2014 hat die American Society of Clinical Oncology (ASCO) Zielkriterien für das nichtkleinzellige Lungenkarzinom (NSCLC), Kolorektal-, Mamma- und Pankreaskarzinom hinsichtlich Überlebenszuwachs (median overall survival, mOS) bzw. Verlängerung des progressionsfreien Überlebens unter Therapie (median progression free survival, mPFS) festgelegt [2]. Demnach ist beim NSCLC-Adenokarzinom (NSCLC/ADC) ein Zuwachs von 3,25 bis 4 Monaten beim Gesamtüberleben als klinisch bedeutsam anzusehen. Beim Plattenepithelkarzinom (NSCLC/SCC) liegt die Messlatte mit einem mOS-Zuwachs von 2,5 bis 3 Monaten etwas niedriger. Die europäische Krebsgesellschaft (ESMO) hat 2015 mit ihrer „Magnitude of clinical benefit“-Skala (ESMO-MCBS) ähnliche Anforderungen formuliert [1]. Eine Definition von Zielparametern wurde als überfällig angesehen, da (aus reiner Größe generierte) statistische Signifikanz eben nicht mit klinischer Relevanz einhergehen muss. Die ASCO ist mit einem umfassenden Bewertungsmaßstab für Krebstherapien aus Gesamtüberleben, Toxizitätsprofil, Effekten auf tumorassoziierte Beschwerden (Husten, Dyspnoe und Schmerzen) sowie therapiefreien Zeiten noch einen Schritt weiter gegangen [3].

Die Immuntherapie scheint die angesprochenen Kriterien für eine bislang jedoch unzureichend definierte Population zu erfüllen. Nachdem sowohl PD-1- als auch PD-L1-Inhibitoren in der Zweitlinie konsistente Verbesserungen gegenüber der Standardchemotherapie gezeigt haben, ist in der Erstlinientherapie eine genauere Charakterisierung derjenigen Patienten, die einen echten Zugewinn verzeichnen, vonnöten. Insbesondere die inkonsistenten Ergebnisse der Nivolumab- und Pembrolizumab-Studien werfen derzeit eher neue Fragen auf, als klare Antworten zu liefern. Wahrscheinlich profitieren insbesondere Patienten ohne Treibermutation, mit (höherer) PD-L1-Expression und gutem Allgemeinzustand von einer Immuntherapie.

Weiterhin wird es für Patienten mit Treibermutationen künftig oral verfügbare Therapiesequenzen geben. Bei EGFR-mutierten Patienten mit Progress durch eine T790M-Mutation hat Osimertinib verglichen mit Chemotherapie einen beeindruckenden Vorteil bewiesen. Die Substanz ist trotz Zulassung in Deutschland derzeit nur mit deutlichem Mehraufwand als Import zu beziehen.

Bei Vorliegen einer ALK-Translokation und Progress unter Crizotinib ist 2017 (neben dem bereits verfügbaren Ceritinib) mit der Zulassung von Alectinib zu rechnen; Drittgenerations-ALK-Tyrosinkinaseinhibitoren zur Behandlung eines neuerlichen Therapieversagens unter den genannten Substanzen befinden sich ebenfalls bereits in klinischer Prüfung.

Insgesamt besteht jedoch Aussicht darauf, geeignete Patienten zielgerichtet teils jahrelang behandeln zu können, ohne auf eine klassische Chemotherapie zurückgreifen zu müssen. Die andere Seite der Medaille besteht hier in künftig wiederholt nötigen Rebiopsien zur Therapiesteuerung. Inwiefern „liquid biopsies“ klassische Biopsien werden ersetzen können, kann derzeit noch nicht ausreichend bewertet werden.

Liebe Leserin, lieber Leser, dieser Artikel ist nur für Abonnenten der AMT zugänglich.

Sie haben noch keine Zugangsdaten, sind aber AMT-Abonnent?

Registrieren Sie sich jetzt:
Nach erfolgreicher Registrierung können Sie sich mit Ihrer E-Mail Adresse und Ihrem gewählten Passwort anmelden.

Jetzt registrieren