Dr. Peter Stiefelhagen, Hachenburg
Mit einer Prävalenz von 1 bis 3% gehört die Gicht zu den häufigsten Stoffwechselerkrankungen, und die Gicht-Arthritis ist die häufigste Gelenkentzündung überhaupt. Dabei handelt es sich um eine durch Harnsäurekristalle ausgelöste autoinflammatorische Erkrankung. Der wichtigste Mediator ist Interleukin 1. Der Goldstandard bei der Diagnosestellung ist die Gelenkpunktion mit Nachweis von Harnsäurekristallen.
Pathogenese der Hyperurikämie
Der Harnsäurespiegel wird von der endogenen Produktion, beispielsweise durch Zellzerfall oder Stoffwechselerkrankungen, und von der exogenen Zufuhr beeinflusst. Die Harnsäure ist ein Produkt des Purinstoffwechsels. Die exogenen Purinquellen, die täglich rund 100 mg Harnsäure liefern, sind vornehmlich Fleisch und Fisch. Heute ist der wichtigste Harnsäuretreiber aber die Fructose als Folge des vermehrten Genusses von Softgetränken. Auch endogen wird Harnsäure in einer Menge von 600 mg täglich gebildet und zwar über den Nukleinsäureabbau und eine De-novo-Synthese. Dies erklärt, warum der Einfluss des Lebensstils und der Ernährung auf erhöhte Harnsäurewerte begrenzt ist. Bei Gesunden besteht ein steady state: Die täglich anfallende Harnsäure wird vollständig ausgeschieden, zu 30% über den Darm und zu 70% über die Nieren. Die Regulation des Harnsäurespiegels erfolgt über Urat-Transporter im proximalen Tubulus der Niere. Somit kommt der renalen Ausscheidung im Hinblick auf den Harnsäurespiegel eine besondere Bedeutung zu. Die tubuläre Harnsäureausscheidung ist genetisch determiniert und wird durch Alkoholexzesse, aber auch durch Medikamente wie Diuretika, Acetylsalicylsäure (ASS) und Ciclosporin gehemmt.
Antientzündliche Therapie plus Harnsäuresenkung
Für die Therapie des akuten Gichtanfalls stehen nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR), Colchicin, injizierbare Steroide und systemisches Prednison zur Verfügung. Bei Colchicin empfiehlt sich eine kurze, niedrig dosierte Gabe, nämlich zunächst 1 mg und eine Stunde später 0,5 mg, ab dem 2. Tag 2-mal 0,5 mg. Bei einer Niereninsuffizienz beziehungsweise einer Leberfunktionsstörung ist eine Dosisanpassung erforderlich.
Um Gichtrezidive zu verhindern, sollte auch eine Harnsäure-senkende Medikation eingeleitet werden, mit dem Ziel, den Harnsäure-Wert auf <360 µmol/l beziehungsweise <6 mg/dl zu senken und somit neue Schübe zu verhindern. Eine Diät zur Senkung der Harnsäure ist nur bei Patienten mit erhöhter Purinzufuhr sinnvoll. Als wirksame Medikamente stehen die Xanthinoxidase-Inhibitoren Allopurinol und Febuxostat (Adenuric®) und die Ausscheidung erhöhende Substanzen (Probenecid und Benzbromaron) zur Verfügung.
Bei Gabe von Allopurinol sollte man mit 100 bis 300 mg täglich beginnen und, wenn erforderlich, die Dosis auf maximal 900 mg täglich steigern. Bei Patienten mit einer chronischen Niereninsuffizienz besteht ein erhöhtes Risiko für Hautreaktionen, deshalb sollte man mit 1,5 mg pro ml glomeruläre Filtrationsrate (GFR) beginnen. Febuxostat hat den Vorteil, dass es renal und hepatisch eliminiert wird, sodass bei einer Niereninsuffizienz keine Dosisanpassung erforderlich ist.
Grundsätzlich empfiehlt es sich, die Harnsäure nicht im akuten Schub zu bestimmen, da dann die Werte falsch niedrig sein können. Eine vorbestehende Therapie mit einem Xanthinoxidase-Inhibitor sollte man im Schub nicht absetzen. Allerdings kann eine Harnsäureabsenkung auch Schübe auslösen. Mit der Harnsäure-senkenden Medikation sollte sofort nach Abklingen des Schubs begonnen werden. Bei einer asymptomatischen Hyperurikämie besteht bisher nach den offiziellen Empfehlungen keine Indikation für eine Harnsäurespiegel-senkende Therapie.
Erhöhter Harnsäurewert begünstigt metabolisches Syndrom
Gicht als Folge eines erhöhten Harnsäurespiegels ist assoziiert mit allen Facetten des metabolischen Syndroms, also mit Hypertonie, Diabetes mellitus, Nieren- und kardiovaskulären Erkrankungen. Die entscheidende Frage jedoch ist, ob die Hyperurikämie die Kausalitätskriterien erfüllt und deshalb auch als therapeutisches Target angesehen werden sollte.
Vieles spricht allerdings dafür, dass die Hyperurikämie auch ein unabhängiger Risikofaktor für die Hypertonie und den Diabetes darstellt. So führt eine Harnsäuresenkung zu einer Blutdrucksenkung. Diskutiert wird, inwieweit eine Hyperurikämie insbesondere bei jugendlichen Hypertonikern als auslösender Faktor eine Rolle spielt. Dafür sprechen Untersuchungen, die zeigen, dass eine Senkung des Harnsäurespiegels mit Allopurinol in dieser Altersgruppe den Blutdruck senkt.
Nicht nur die Blutdruckwerte, sondern auch die Insulinresistenz werden durch die Hyperurikämie verstärkt. Gerade die Fructose-induzierte Hyperurikämie führt zu einer Störung des Glucose-Metabolismus und begünstigt somit die Manifestation eines metabolischen Syndroms. Erhöhte Harnsäurewerte sind ein unabhängiger Risikofaktor für die Entstehung der Hypertonie, des Diabetes mellitus und der chronischen Niereninsuffizienz.
Erhöhtes kardiovaskuläres Risiko
Die Hyperurikämie entfaltet eine atherogene Wirkung nicht nur indirekt über die vaskulären Risikofaktoren. Vielmehr zeigte sich in tierexperimentellen Untersuchungen auch ein direkter ungünstiger Effekt auf die Gefäßwand: Die Hyperurikämie verursacht ein small-vessel disease im Sinne einer Arteriolosklerose.
Die Therapie der Wahl zur Senkung erhöhter Harnsäurewerte ist ein Xanthinoxidase-Hemmer wie Allopurinol oder Febuxostat. Bisher gibt es zwar keine Ergebnisse von prospektiven Interventionsstudien, um eine Wirkung dieser Substanzen auf harte klinische Endpunkte belegen zu können. Verlaufsbeobachtungen haben jedoch gezeigt, dass die Hemmung der Xanthinoxidase bei Patienten mit einer chronischen Niereninsuffizienz sowohl den GFR-Verlust bremst als auch kardiovaskuläre Ereignisse verhindert.
Fazit
Die Hyperurikämie ist der Auslöser der Gicht. Deren Behandlung erfordert neben einer akuten antiphlogistischen Therapie die Gabe eines Xanthinoxidase-Inhibitors, wobei Febuxostat in Vergleich zu Allopurinol bei Patienten mit einer chronischen Niereninsuffizienz vorteilhaft ist. Darüber hinaus spricht vieles dafür, dass ein erhöhter Harnsäurespiegel bei der Pathogenese des metabolischen Syndroms und der Arteriosklerose eine wichtige Rolle spielt.
Quelle
Dr. Anne-Kathrin Tausche, Dresden, Prof. Dr. Jan T. Kielstein, Braunschweig; Vortragssession veranstaltet von Berlin-Chemie MENARINI im Rahmen der Gicht-Akademie „Fokus 2016 – Fortschritte in der Diagnose und der Therapie der Arthritis urica“, Berlin, 12. März 2016.
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Arzneimitteltherapie 2017; 35(03)