Dr. Petra Jungmayr, Esslingen
Seit dem 14. Oktober 2016 ist der Topoisomerase-I-Inhibitor Irinotecan in einer pegylierten liposomalen Arzneiform (Onivyde®) in der EU zugelassen. Das Arzneimittel soll in Kombination mit Folinsäure (FA) und Fluorouracil (FU) bei Erwachsenen mit einem metastasierten Pankreaskarzinom, deren Erkrankung unter einer Gemcitabin-basierten Therapie fortgeschritten ist, angewendet werden. Onivyde® besitzt einen Orphan-Drug-Status.
Liposomales Irinotecan enthält den Wirkstoff Irinotecan Sucrosofat (Sucroseoctasulfat) in pegylierten liposomalen Nanopartikeln, das sind kleine unilamellare Bilayer-Fettvesikel mit einem Durchmesser von etwa 100 nm. Dadurch wird Irinotecan in der Zirkulation gehalten und verzögert in seinen aktiven Metaboliten SN-38 umgewandelt. In der Folge werden die intratumoralen Spiegel erhöht und länger aufrechterhalten. Das zeigt sich in fünf- bis sechsfach erhöhten Spiegeln von SN-38 im Tumor im Vergleich mit Plasmawerten nach 72 Stunden. Dies lässt auf eine in Tumor-assoziierten Makrophagen stattfindende Aktivierung von Irinotecan zu SN-38 schließen. Irinotecan und sein aktiver Metabolit SN-38 binden reversibel an den Topoisomerase-I-DNA-Komplex und induzieren Einzelstrang-DNA-Brüche, die die Replikationsgabel der DNA blockieren und für die Zytotoxizität verantwortlich sind.
Zulassungsstudie Napoli-1
Die Zulassung von liposomalem Irinotecan beruht auf den Daten der Napoli-1-Studie. Dabei handelt es sich um eine randomisierte, open-Label-Phase-III-Studie an 76 Zentren in 14 Ländern. Eingeschlossen wurden 417 Patienten mit einem metastasierten duktalen Adenokarzinom des Pankreas, die bereits eine Gemcitabin-basierte Therapie bekommen hatten. Die Patienten erhielten eines der folgenden Therapieregime:
- Liposomales Irinotecan (80 mg/m²) in Kombination mit FA/FU (FA 400 mg/m2 gefolgt von FU 2400 mg/m2 während 46 Stunden) alle zwei Wochen
- Liposomales Irinotecan als Monotherapie (120 mg/m²) in dreiwöchentlicher Gabe
- 200 mg/m² FA gefolgt von 2000 mg/m² FU als 24-Stunden-Dauerinfusion wöchentlich die ersten vier Wochen eines sechswöchigen Therapiezyklus (Kontrollgruppe)
Der primäre Studienendpunkt war das Gesamtüberleben. Sekundäre Endpunkte umfassten unter anderem das progressionsfreie Überleben, die objektive Ansprechrate sowie die Sicherheit der Therapie. Die Kombination aus liposomalem Irinotecan mit FA/FU war dem FA/FU-Regime überlegen. Dies zeigte sich im Gesamtüberleben (6,1 Monate vs. 4,2 Monate; Hazard-Ratio [HR] 0,67; 95%-Konfidenzintervall [KI] 0,49–0,92; p=0,012; Abb. 1), beim medianen progressionsfreien Überleben (3,1 Monate vs. 1,5 Monate; HR 0,56; 95%-KI 0,41–0,75; p=0,0001) und bei der objektiven Ansprechrate (16,2% vs. 0,8%; 95%-KI 8,5–22,3; p<0,0001). Der Vorteil einer Kombinationstherapie mit liposomalem Irinotecan zeigte sich in allen Subgruppen. Die alleinige Gabe von liposomalem Irinotecan führte im Vergleich mit FA/FU nicht zu einem signifikant verlängerten Gesamtüberleben (4,9 Monate vs. 4,2 Monate).

Abb. 1. 6,1 Monate Gesamtüberleben unter Onivyde® für Gemcitabin-vorbehandelte Patienten FA: Folinsäure; FU: Fluorouracil
Dosierung
Liposomales Irinotecan wird nur in Kombination (nicht als Monosubstanz) nach folgendem Schema eingesetzt: 80 mg/m2 liposomales Irinotecan in NaCl oder Glucose 5% (Gesamtvolumen 500 ml) intravenös über 90 Minuten, gefolgt von Folinsäure 400 mg/m2 intravenös über 30 Minuten und danach FU 2400 mg/m2 intravenös über 46 Stunden; Wiederholung nach 14 Tagen. Dosisanpassungen sind für bestimmte Patientengruppen sowie bei Auftreten von Toxizitäten vorgesehen und in der Fachinformation explizit aufgeführt. Als Prämedikation werden Standarddosen von Dexamethason in Kombination mit einem 5-HT3-Antagonisten empfohlen. Treten cholinerge Reaktionen ein (früh einsetzende Diarrhö), sollte Atropin eingesetzt werden. Cave: Liposomales Irinotecan darf nicht gegen Irinotecan ausgetauscht werden.
Unerwünschte Wirkungen und Wechselwirkungen
Zu den häufigsten schweren Nebenwirkungen gehören Diarrhö, Erbrechen, febrile Neutropenie, Übelkeit, Fieber, Sepsis, Dehydratation, septischer Schock, Pneumonie, akutes Nierenversagen und Thrombozytopenie. Hervorzuheben sind die geringe Inzidenz einer Neurotoxizität und nur geringer Haarausfall.
Liposomales Irinotecan sollte weder mit starken CYP3A4-Induktoren noch mit starken CYP3A4-Inhibitoren oder starken UGT1A1-Inhibitoren zusammen gegeben werden.
Derzeitige Einschätzung von Onivyde®
In einem Kommentar zur Veröffentlichung der Napoli-1-Studie gehen die Autoren auf die Unzulänglichkeit einer chemotherapeutischen Behandlung des Pankreaskarzinoms ein, da dieses generell schlecht auf Zytostatika anspricht. Die ersten Fortschritte nach Gemcitabin wurden mit an Albumin gebundenem Paclitaxel (nab-Pac; Abraxane®) erzielt. Analog dazu wurden mit liposomalem Irinotecan Verbesserungen erreicht. Somit stehen nun nach ungenügendem Ansprechen einer Gemcitabin-Therapie mehrere Optionen zu Verfügung: Nach Versagen des neurotoxischen nab-Pac/Gemcitabin-Regimes kann eine Therapie mit liposomalem Irinotecan plus FA/FU eingesetzt werden, die nur eine geringe Neurotoxizität aufweist. In der Drittlinien-Therapie kann dann die Gabe von Oxaliplatin plus FA/FU erwogen werden, die wiederum mit Neurotoxizitäten verbunden ist – so die Einschätzung der Kommentatoren.
In der ESMO(European society of clinical oncology)-Leitlinie zum Pankreaskarzinom von 2015 wird in der Zweitlinientherapie unter Berücksichtigung von Nutzen und Risiko für liposomales Irinotecan eine Empfehlung ausgesprochen („may be the best opinion“; Empfehlung II B, was einer schwachen Empfehlung bei moderater Evidenzlage entspricht).
Quelle
Prof. Dr. med. Hanno Riess, Berlin, Prof. Dr. med. Thomas Seufferlein, Ulm; Launch-Pressekonferenz „Onivyde® – Neue Perspektive für Patienten mit fortgeschrittenem Pankreaskarzinom“, Berlin, 18. November 2016; veranstaltet von Shire.
Literatur
Ducreux M, Cuhna A, Caramella C, et al. Cancer of the pancreas: ESMO clinical practice guidelines for diagnosis, treatment and follow-up. Ann Oncol 2015;26:56–68.
Fachinformation Onivyde; Stand Oktober 2016.
Oettle H, et al. Gemcitabine-resistant pancreatic cancer: a second-line opinion. Lancet 2016; 387:507–8.
Wang-Gillam A, et al. Nanoliposomal irinotecan with fluorouracil and folinic acid in metastatic pancreatic cancer after previous gemcitabine-based therapy (NAPOLI-1): a global, randomised, open-label, phase 3 trial. Lancet 2016;387:545–57.
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Arzneimitteltherapie 2017; 35(03)