Dr. Susanne Heinzl, Reutlingen
Der A1-AT-Mangel ist eine genetisch bedingte Stoffwechselerkrankung, die durch einen Mangel oder das vollständige Fehlen von Alpha-1-Antitrypsin (A1-AT) gekennzeichnet ist. A1-AT schützt in der Lunge das Gewebe vor dem körpereigenen Enzym Neutrophilen-Elastase, einem proteolytisch wirkenden Enzym, das neben bakteriellen Proteinen auch körpereigenes Elastin abbauen kann. Bei einem A1-AT-Mangel zerstört die Neutrophilen-Elastase das Lungengewebe.
Bei Erwachsenen manifestiert sich der A1-AT-Mangel vor allem an der Lunge, häufige Symptome sind Dyspnoe, Stenoseatmung und Husten. Etwa 85% der Betroffenen entwickeln vor allem bei gleichzeitigem Tabakkonsum ein progressives schweres Lungenemphysem. Die durchschnittliche Lebenserwartung von Rauchern mit A1-AT-Mangel liegt bei 48 bis 52 Jahren, von Nichtrauchern bei 60 bis 68 Jahren.
Der A1-AT-Mangel gehört zu den seltenen Erkrankungen. Unter diesen ist er jedoch eine der häufigsten potenziell lebensverkürzenden, chronischen angeborenen Störungen. Nach Schätzungen sind in Deutschland 8000 bis 16000 Menschen von einem schweren A1-AT-Mangel betroffen, behandlungsbedürftig sollen etwa 3500 Personen sein. Tatsächlich therapiert werden etwa 1200 Patienten, sodass davon auszugehen ist, dass die Erkrankung häufig nicht richtig erkannt wird.
Alle COPD-Patienten testen
Die nationale COPD-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie empfiehlt bei allen COPD-Patienten einmal den A1-AT-Serumspiegel zu bestimmen. Falls erforderlich, können sich dann weiterführende genetische Untersuchungen sowie Untersuchungen der Familienmitglieder anschließen.
Zur Therapie empfiehlt die COPD-Leitlinie eine wöchentliche Substitution mit Alpha-1-Antitrypsin (60 mg/kg Körpergewicht) bei homozygotem AT-1-AT-Mangel bei Patienten, deren A1-AT-Serumspiegel mindestens 35% unter dem Normwert von 80 bis 200 mg/dl liegt mit mittelgradiger Funktionseinschränkung der Lunge (FEV1<50% vom Sollwert) und/oder einem ausgeprägtem jährlichen Verlust der FEV1>50 ml. Je früher die Therapie beginnt, umso größer sind die Überlebenschancen der Patienten.
Wirksamkeitsnachweis in Phase-III-Studie
In der RAPID-Studie konnte gezeigt werden, dass sich bei Behandlung mit Respreeza® über 24 Monate (n=93) der Rückgang der Lungendichte im CT bei maximaler Inspiration [TLC]um im Mittel 34% pro Jahr im Vergleich zu Placebo (n=87) verringerte (p=0,03) [1]. Damit konnte erstmals ein signifikanter Vorteil für die Substitutionstherapie nachgewiesen werden. Alle Teilnehmer wurden anschließend in der RAPID-Extension-Studie für weitere 24 Monate mit Respreeza® behandelt [2]. Es gab damit eine Frühstarter-und eine Spätstarter-Gruppe mit einer Behandlungsdauer von insgesamt 48 (n=76) bzw. 24 Monaten (n=74).
Bei den Patienten, die die Extension-Studie vollständig durchliefen, nahm die Lungendichte mit 1,44 bzw. 1,27 g/l pro Jahr („Frühstarter“ vs. „Spätstarter“) ebenfalls geringfügig ab. Die „Frühstarter“-Patienten konnten also von der Substitutionsbehandlung weiter profitieren. Vor allem aber verlangsamte sich der Abbau von Lungengewebe nun ebenso deutlich auch bei den Patienten, die in den ersten 24 Monaten Placebo erhalten hatten. Den in der ersten Phase erlittenen Verlust an Lungengewebe konnten die „Spätstarter“ allerdings nicht mehr aufholen. Die Studiendaten sprechen deshalb für einen möglichst frühen Therapiestart.
Sport und Singen zur Therapie
Zu den nicht medikamentösen Therapieverfahren gehören körperliches Training wie Ausdauer- und Krafttraining. Zum Ausdauertraining eignet sich beispielsweise Radfahren, das auch bei eingeschränkter Gehfähigkeit machbar ist und bei starker Dyspnoe von den Patienten dennoch toleriert wird. Alltagsnah ist das Gehtraining, das insgesamt die Koordination verbessert und im Prinzip jederzeit einsetzbar ist. Kraft kann in Form von Hypertrophie-Training zwei bis drei Tage/Woche trainiert werden. Mit dem Training der unteren Extremitäten wird die Mobilität gefördert, während das Training der Arme eine größere Bedeutung für Alltagsfähigkeiten hat. Ein Kraftausdauer-Training muss vier- bis fünfmal pro Woche erfolgen.
Wenn Sport nicht möglich ist (oder auch nach dem Sport), sollen die Patienten singen. Durch eine Stunde Singen pro Woche verbessern sich bei COPD nach 4 und 12 Monaten die FEV1 und die 6-Minuten-Gehstrecke signifikant [3].
Quelle
Prof. Dr. Claus Vogelmeier, Marburg, Prof. Dr.Felix Herth, Heidelberg, Prof. Dr. Andreas Rembert Koczulla, Marburg; „Aktenzeichen COPD: klarer Sachverhalt oder Verdacht auf A1-AT-Mangel?“, Satellitensymposium beim 58. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin, Stuttgart, 22. März 2017, Veranstalter: CSL Behring.
Literatur
1. Chapman KR et al. Intravenous augmentation treatment and lung density in severe alpha 1 deficiency (RAPID): a randomised, double-blind, placebo-controlled trial. Lancet 2015;386:360–68.
2. McElvaney NG, et al. Long-term efficacy and safety of alpha 1 proteinase inhibitor treatment for emphysema caused by severe alpha 1 antitrypsin deficiency: an open-label extension trial (RAPID-OLE). Lancet Resp Med. 2017;5:51–60.
3. McNaughton A, et al. Sing Your Lungs Out: a qualitative study of a community singing group for people with chronic obstructive pulmonary disease (COPD). ). BMJ Open 2016;6:e012521. doi:10.1136/bmjopen-2016–012521.
Arzneimitteltherapie 2017; 35(06)