Dr. Susanne Heinzl, Reutlingen
Das Enzym Poly(Adenosindiphosphat-Ribose)-Polymerase (PARP) ist für die Reparatur von Einzelstrangbrüchen der DNA im Zellkern verantwortlich. Wird PARP gehemmt, werden diese Einzelstrangbrüche nicht mehr repariert, bei der nächsten Zellteilung entstehen deshalb Doppelstrangbrüche. Bei Mutation des BRCA-Gens ist die Doppelstrangreparatur in den Zellen gestört. Deshalb werden beispielsweise bei Patientinnen mit BRCA-1/2-Mutationen, die einen PARP-Hemmer erhalten, die Strangbrüche nur noch fehlerhaft oder gar nicht mehr repariert, und die betroffenen Tumorzellen gehen in die Apoptose. Etwa 3% aller Mammakarzinome treten bei Frauen mit Mutationen im BRCA1- und BRCA2-Gen auf.
Olaparib (Lynparza®) ist in der EU seit Dezember 2014 als Monotherapie für die Erhaltungstherapie von erwachsenen Patientinnen mit einem Platin-sensitiven Rezidiv eines BRCA-mutierten (Keimbahn und/oder somatisch) high-grade serösen epithelialen Ovarialkarzinoms, Eileiterkarzinoms oder primären Peritonealkarzinoms zugelassen, die auf eine Platin-basierte Chemotherapie ansprechen (vollständiges oder partielles Ansprechen). Weitere in den USA für die Behandlung des Ovarialkarzinoms zugelassene PARP-Hemmer sind Rucaparib und Niraparib. Veliparib und Talazoparib werden derzeit bei metastasiertem Mammakarzinom mit BRCA-Mutationen in der Keimbahn geprüft.
OlympiAD – erste Phase-III-Studie bei Mammakarzinom
In die offene OlympiAD-Studie wurden Frauen mit metastasiertem Mammakarzinom aufgenommen, die HER2-negativ und hormonrezeptorpositiv oder dreifach negativ (HER, Estrogenrezeptor, Progesteronrezeptor) waren. HER2-positive Frauen wurden nicht eingeschlossen, weil für diese schon wirksame Therapien zur Verfügung stehen.
Sie waren zuvor mit bis zu zwei Anthracyclin- oder Taxan-haltigen Chemotherapien und bei positivem Hormonrezeptornachweis mit mindestens einer endokrinen Therapie behandelt worden. In 125 Zentren in 20 Ländern wurden 302 Patienten eingeschlossen. Im Verhältnis 2:1 randomisiert erhielten 205 Frauen Olaparib-Tabletten (zweimal täglich 300 mg), 97 Frauen eine Chemotherapie mit Capecitabin (n=41), Eribulin (n=34) oder Vinorelbin (n=16) nach Entscheidung des Arztes (Tab. 1). Die Olaparib-Dosis war mit 300 mg in Tablettenform zweimal täglich niedriger als die für die Behandlung des Ovarialkarzinoms zugelassene Dosis von 400 mg zweimal täglich in Hartkapseln.
Tab. 1. Studiendesign OlympiAD [ClinicalTrials.gov]
Erkrankung |
Metastasiertes Mammakarzinom |
Studienziel |
Wirksamkeit und Sicherheit einer Olaparib-Monotherapie im Vergleich zu Chemotherapie bei metastasiertem Brustkrebs mit BRCA1/2-Mutation |
Studientyp/ |
Intervention/Phase III |
Studiendesign |
Randomisiert, parallel, offen, multizentrisch |
Eingeschlossene Patienten |
302 |
Intervention |
|
Primärer Endpunkt |
Progressionsfreies Überleben |
Sponsor |
AstraZeneca |
Studienregister-Nr. |
NCT02000622 (ClinicalTrials.gov) |
BID: zweimal täglich
Primärer Endpunkt war das progressionsfreie Überleben (PFS), zu den sekundären Endpunkten gehörte die Zeit bis zur zweiten Progression oder bis zum Tod, das Gesamtüberleben (OS), die Ansprechrate (ORR) und die Erfassung der Lebensqualität.
Die Patienten waren im Median 44 Jahre alt, jeweils etwa die Hälfte war hormonrezeptorpositiv oder dreifach negativ.
Nach einer medianen Nachbeobachtungszeit von 14 Monaten lag das mediane PFS in der Olaparib-Gruppe bei 7 Monaten, in der Vergleichsgruppe bei 4,2 Monaten. Olaparib senkte also das Progressionsrisiko um 42% (HR 0,58; p=0,0009) (Abb. 1). Die Zeit von der Randomisierung bis zur zweiten Progression oder bis zum Tod wurde von 9,3 Monaten unter Chemotherapie auf 13,2 Monate durch Olaparib verlängert (HR 0,57; p=0,0033). Dies belegt, dass ein Tumor nach Ende der Olaparib-Therapie nicht aggressiver wieder auftritt als nach Chemotherapie. Das Gesamtüberleben unterschied sich nicht, die Studie war hierfür nicht ausreichend gepowert.

Abb. 1. Primärer Endpunkt progressionsfreies Überleben in der OlympiAD-Studie bei Patienten mit metastasiertem Mammakarzinom und BRCA-Mutation bei Behandlung mit Olaparib oder Chemotherapie [1, 2]. BID: zweimal täglich; PFS: progressionsfreies Überleben
Die Ansprechrate (ORR) lag in der Olaparib-Gruppe bei 60%, in der Chemotherapie-Gruppe bei 29%. Ein komplettes Ansprechen erreichten 9% beziehungsweise 2% der Patienten. Im Median dauerte es unter Olaparib 47 Tage, unter Chemotherapie 45 Tage bis zum Ansprechen. Das Ansprechen hielt bei PARP-Hemmer-Therapie 6,2 Monate und bei Chemotherapie 7,1 Monate an.
Subgruppenanalysen ergaben bei hormonrezeptorpositiven Patienten ein HR für das PFS von 0,82, bei dreifach negativen Patienten von 0,43, bei früherer Chemotherapie von 0,65 und ohne vorhergehende Chemotherapie von 0,56.
Unerwünschte Wirkungen vom Schweregrad 3 oder höher wurden bei 36,6% der Olaparib- und bei 50,5% der Chemotherapie-Patienten gesehen. Häufigste Nebenwirkungen unter Olaparib waren Übelkeit, Anämie und Erbrechen, unter Chemotherapie Neutropenie, Übelkeit, Anämie sowie Erhöhungen der Leberenzymwerte. Ein Therapieabbruch wegen Nebenwirkungen war bei 4,9% in der Olaparibgruppe und bei 7,7% in der Chemotherapie-Gruppe erforderlich. Die Therapie dauerte in der Olaparib-Gruppe mit 8,2 Monaten im Median mehr als doppelt so lang wie in der Chemotherapie-Gruppe mit 3,4 Monaten. In der Olaparib-Gruppe dauerte es länger als in der Chemotherapie-Gruppe, bis sich die Scores für die Lebensqualität verschlechterten (HR 0,44; p=0,0043).
Ergebnisse ändern Praxis
„Diese Ergebnisse werden die klinische Praxis ändern“, kommentierte Prof. Dr. Allison W. Kurian, Leiterin des Women’s Clinical Cancer Genetics Program, Stanford Universität, Stanford, Kalifornien, als Diskutantin in der Plenarsitzung. Nach Ansicht von Kurian muss nun der optimale Einsatz von PARP-Inhibitoren mit Hilfe klinischer Studien weiter definiert werden. So ist zu klären, für welche Patientengruppe und in welcher Therapielinie die Anwendung sinnvoll ist. Unklar ist bislang, ob eine Mono- oder eine Kombinationstherapie eingesetzt werden sollte. Eine Kombination wäre zum Beispiel mit Chemotherapeutika oder Immuntherapeutika denkbar. Essenziell für eine optimale Therapie ganz allgemein ist ihrer Meinung nach, dass möglichst viele Patienten genetisch getestet werden. Zu viele Patienten würden derzeit noch nicht entsprechend den Leitlinien getestet und behandelt.
Quelle
1. Robson ME, et al. OlympiAD: Phase III trial of olaparib monotherapy versus chemotherapy for patients with HER2-negative metastatic breast cancer and a germline BRCA mutation. ASCO Annual Meeting, Chicago 2. bis 6. Juni 2017. http://meetinglibrary.asco.org/record/153351/abstract.
2. Robson ME, et al. Olaparib for Metastatic Breast Cancer in Patients with a Germline BRCA Mutation. N Engl J Med 2017;377:523–33.
Arzneimitteltherapie 2017; 35(10)