Chronisch-obstruktive Bronchitis

Broncholytika top – Corticoide eher hopp


Dr. Susanne Heinzl, Reutlingen

Mit einem Kommentar von Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. Claus Kroegel, Jena
Zwei große Studien haben die Empfehlungen zur medikamentösen Therapie der chronisch-obstruktiven Bronchitis maßgeblich beeinflusst. Die SUMMIT-Studie ergab, dass eine Inhalationstherapie mit Fluticason oder Vilanterol in Mono- oder in Kombinationsbehandlung bei COPD-Patienten mit erhöhtem kardiovaskulärem Risiko die kardiovaskuläre Sterblichkeit nicht beeinflusst. Die FLAME-Studie unterstrich den Nutzen der Bronchodilatation für alle COPD-Schweregrade und relativierte die Bedeutung inhalativer Glucocorticoide.

SUMMIT: Effekt der Therapie auf die kardiovaskuläre Sterblichkeit

Chronisch-obstruktive Lungenerkrankungen (COPD) sind häufig mit kardiovaskulärer Morbidität und Letalität assoziiert. Mehr COPD-Patienten sterben an kardiovaskulären Erkrankungen und Lungenkrebs als an den COPD-bedingten Funktionsstörungen. Um die Lebenserwartung dieser Patienten zu verlängern, muss also die kardiovaskuläre Sterblichkeit gesenkt werden. Daher wurde in der SUMMIT (study to understand mortality and morbidity) untersucht, welchen Effekt die COPD-Behandlung auf die kardiovaskuläre Letalität hat [7].

Die prospektive, doppelblinde, Placebo-kontrollierte Parallelgruppenstudie wurde in 1368 Zentren in 43 Ländern durchgeführt. Eingeschlossen wurden Patienten mit mäßig schwerer bis schwerer COPD und entweder einer diagnostizierten kardiovaskulären Erkrankung oder – bei über 60-Jährigen – einem hohen kardiovaskulären Risiko. Randomisiert inhalierten die Patienten

  • einmal täglich Placebo (n=4111),
  • das Glucocorticoid Fluticasonfuroat (n=4135),
  • den langwirkenden Beta2-Agonisten Vilanterol (n=4118) oder
  • die Kombination aus Fluticason plus Vilanterol (n=4121).

Die Studie war Endpunkt-gesteuert, sie dauerte so lange, bis 1000 Patienten gestorben waren. Primärer Endpunkt war die Zeit bis zum Tod. Sekundäre Endpunkte waren z.B. Abfall des FEV1 (forcierten exspiratorischen Volumens) und ein aus kardiovaskulären Ereignissen zusammengesetzter Endpunkt.

Der primäre Endpunkt war negativ: Das Sterberisiko unterschied sich zwischen den Gruppen nicht signifikant (Abb. 1). Im Vergleich zu Placebo reduzierte die Kombinationstherapie die Gesamtsterblichkeit um relativ 12% (p=0,137), Fluticason allein um 9% (p=0,284) und Vilanterol allein um 4% (p=0,655). Auch der zusammengesetzte sekundäre Endpunkt mit kardiovaskulären Ereignissen war zwischen den Therapiegruppen und Placebo nicht unterschiedlich. Der Abfall der FEV1 wurde durch die Kombinations- und die Fluticason-Therapie signifikant verringert, nicht jedoch durch Vilanterol allein. Mäßig schwere und schwere Exazerbationen nahmen in allen drei Behandlungsgruppen ab.

Abb. 1. Primärer Endpunkt der SUMMIT-Studie: Sterberisiko von COPD-Patienten bei Behandlung mit Fluticason, Vilanterol oder Fluticason plus Vilanterol [7] Die Fehlerbalken stellen das 95%-Konfidenzintervall dar.

Studie mit starker Power

Im begleitenden Editorial [1] wird darauf hingewiesen, dass die Studie aufgrund des Designs und der großen Patientenzahl eine starke Power hat. Weitere Stärken sind der spezifische Einschluss von Patienten mit kardiovaskulären Komorbiditäten und die unabhängige Beurteilung der Todesursachen. Als Schwäche sieht der Editorialist an, dass in der Studie die Anwendung lang wirkender Muscarin-Antagonisten nicht erlaubt war, obwohl sie die Therapie der ersten Wahl bei dieser Patientenklientel sind. Nur bei Exazerbationen konnte Tiotropium zusätzlich gegeben werden. Ferner bemängelt er die zu kurze Dauer der Studie, die keine aussagekräftigen Schlussfolgerungen zu Krankheitsprogression erlaubten. Weil die Anwendung von Fluticason allein oder in Kombination mit einer erhöhten Pneumonieinzidenz assoziiert waren, blieben entsprechend den GOLD-Leitlinien lang wirkende Bronchodilatatoren die Therapie der Wahl bei Patienten mit COPD GOLD B unabhängig vom Vorliegen kardiovaskulärer Komorbiditäten.

FLAME: Glucocorticoide versus Bronchodilatatoren

In der randomisierten, doppelblinden FLAME-Studie wurde mit 1680 Patienten über 52 Wochen die Wirksamkeit

  • der Kombination aus dem lang wirkenden Beta-Agonisten (LABA) Indacaterol plus dem lang wirkenden Muscarin-Antagonisten (LAMA) Glycopyrronium im Vergleich zu
  • der Kombination aus dem LABA Salmeterol und dem inhalativen Glucocorticoid (ICS) Fluticason untersucht [9].

Die Studie war auf Nichtunterlegenheit angelegt. Primärer Endpunkt war die jährliche Rate an Exazerbationen in der Per-Protokoll-Gruppe. Hier erwies sich die LABA/LAMA-Kombination als nicht unterlegen im Vergleich zur LABA/ICS-Kombination, sie zeigte sogar mit 11%weniger Exazerbationen eine signifikante Überlegenheit (3,59 versus 4,03 Exazerbationen/Jahr, p=0,003). Mit 71 Tagen dauerte es in der LABA/LAMA-Gruppe auch länger bis zur ersten Exazerbation als in der Vergleichsgruppe mit 51 Tagen (p<0,001). Die Rate mäßig schwerer bis schwerer Exazerbationen war unter LABA/LAMA um 17% ebenfalls signifikant geringer als mit LABA/ICS.

Die Inzidenz von Nebenwirkungen war in beiden Gruppen ähnlich. Pneumonien traten unter LABA/LAMA in 3,2% der Fälle, unter LABA/ICS in 4,8% auf.

Kommentar

Die SUMMIT-Studie beschäftigte sich mit der grundsätzlichen Frage, ob eine Therapie mit inhalativen Glucocorticoiden (ICS) und einem LABA die Sterblichkeit der COPD beeinflussen kann. Ähnlich wie bei der TORCH-Studie aus dem Jahr 2007 [2] zeigte sich zwar ein Trend zu einer verminderten Sterblichkeit, jedoch erreichen die Ergebnisse nicht die angestrebte Signifikanz. Damit bleiben auch die günstigen Effekte der Kombination mit Fluticason und Vilanterol auf die sekundären Endpunkte, wie das postbronchodilatatorische FEV1 und die Häufigkeit moderater oder schwerer Exazerbationen, nicht interpretierbar. In Anbetracht der hohen Patientenzahl der Studie dürfte somit das Überleben zumindest bei Patienten mit schwerer COPD und kardiovaskulärer Komorbidität nicht grundsätzlich zu beeinflussen sein.

Ein zweiter Aspekt der Ergebnisse der SUMMIT-Studie bezieht sich auf das Verständnis der COPD als Systemerkrankung. Bislang gilt die Auffassung, dass die mit der COPD assoziierte Entzündung in der Lunge gleichzeitig auch zu einer systemischen Entzündung führt („spill over“), die ihrerseits für die extrapulmonalen Manifestationen der COPD, einschließlich Arteriosklerose, Schlaganfall oder anderen kardiovaskulären Erkrankungen verantwortlich ist. Der fehlende Effekt der antientzündlichen Behandlung auf die kardiovaskuläre Komplikationen der COPD legt nahe, dass die inhalative Therapie keinen Einfluss auf COPD-assoziierte systemische Vorgänge hat oder dass ein inhalatives Glucocorticoid nicht die geeignete antientzündliche Substanzklasse darstellt. Eine andere Erklärung wäre, dass sich die systemische und pulmonale Entzündung unabhängig voneinander entwickeln oder beide nicht ursächlich im Zusammenhang stehen.

Im Gegensatz zur SUMMIT-Studie adressiert die FLAME-Studie die Frage, ob eine Glucocorticoid-haltige (ICS/LABA) oder eine rein bronchodilatatorische (LAMA/LABA) inhalative Therapie eine vergleichbare Wirkung bei COPD besitzen [9]. Die damals aktuellen Empfehlungen wiesen eine Bronchodilatation entweder mit LABA oder mit LAMA oder beide als Basistherapie bei allen Schweregraden der COPD aus. Die zusätzliche Gabe von ICS, insbesondere in der fixen Kombination ICS/LABA, wurde nur für symptomatische COPD-Patienten mit einem hohen Risiko für häufige Exazerbationen und/bei schwerer Atemflusslimitation (FEV1 <50% des Sollwertes) und/oder und häufigen Infekten in den vorausgegangenen Jahren (>2/Jahr) empfohlen [8]. Im klinischen Alltag wurden und werden allerdings ICS außerhalb der Empfehlungen oft auch bei Patienten mit besserer Lungenfunktion und wenigen Exazerbationen eingesetzt [6]. Diese Überbehandlung ist jedoch nicht belanglos, sondern erhöht beispielweise das Risiko einer Pneumonie [2].

Nach der FLAME-Studie reduziert die LABA/LAMA-Kombination die Zahl der Exazerbationen signifikant deutlicher als die LABA/ICS-Kombination. Die Rate aller Exazerbationen als primärer Endpunkt von leicht bis schwer wurde um 11%, von moderaten bis schweren Exazerbationen sogar um 17% gesenkt und zugleich die Latenz bis zur ersten moderaten und schweren Exazerbation verlängert. Von der LABA/LAMA-Kombinationstherapie profitierten alle Patienten-Gruppen gleichmäßig und zwar unabhängig von Alter und Geschlecht, vom Schweregrad der Erkrankung oder der Atemwegsobstruktion, der Vorbehandlung oder der vorausgegangenen Exazerbationshäufigkeit und dem Raucherstatus.

Die FLAME-Studie unterstreicht damit die Bedeutung der Bronchodilatation für alle Schweregrade der COPD und relativiert ebenso wie die vorausgegangenen Studien WISDOM [4] und OPTIMO [5] die Bedeutung der ICS bei der COPD-Behandlung gegenüber der alleinigen Bronchodilatation, zumindest im Hinblick auf die Zahl der Exazerbationen. Die Studien sollten Ärzte ermutigen, bei COPD-Patienten unter ICS ein Auslassversuch zu erwägen.

GOLD-Empfehlungen 2017

In der vereinfachten Vierfeldertafel der aktuellen Empfehlungen der Global Initiative for Chronic Obstructive Lung Disease (GOLD) (Abb. 2) werden nur noch die Exazerbationen und der Symptomgrad berücksichtigt. Die medikamentöse Behandlung richtet sich nicht mehr nach der Einschränkung der Lungenfunktion (FEV1).

  • Bei hoher Exazerbationsrate (≥2 oder Krankenhauseinweisung) erfolgt die Zuordnung zu den Feldern C oder D; bei niedriger Exazerbationsrate zu A und B.
  • Bei starker Symptomatik (Modified British Medical Research Council [mMRC] ≥2; COPD Assessment Test [CAT] ≥10) erfolgt die Behandlung über die Felder B oder D; bei weniger starken Symptomen über A oder C.

Abb. 2. Pharmakologische Behandlungsalgorithmen nach GOLD-Einteilung (grüne Pfeile zeigen die bevorzugten Strategien) [3] FEV1: forciertes exspiratorisches Volumen; ICS: inhalatives Glucocorticoid; LABA: lang wirksamer Beta-Agonist; LAMA: lang wirksamer Muscarin-Antagonist.

Inhalative Glucocorticoide spielen bei der Erhaltungstherapie nur noch in den Gruppen C und D eine Rolle. In der Gruppe C wird die Kombination LAMA/LABA als primäre Option vorgeschlagen. Auch in Gruppe D wird empfohlen, die Therapie mit LAMA/LABA zu beginnen. ICS sind Teil einer Eskalationsstrategie. Eine Initialtherapie mit LABA/ICS ist nur bei einem Asthma-COPD-Overlap-Syndrom eine Option. Patienten mit hohen Eosinophilenzahlen könnten aber vielleicht mehr von ICS profitieren.

Bei weiteren Exazerbationen unter LABA/LAMA/ICS sollte in Betracht gezogen werden, das ICS wieder abzusetzen.

Literatur

1. Brusselle G. Vilanterol fl uticasone and mortality in comorbid COPD GOLD B. Lancet 2016,387:1791–2.

2. Calverley PM, et al. TORCH investigators. Salmeterol and fluticasone propionate and survival in chronic obstructive pulmonary disease. N Engl J Med. 2007;356:775–89.

3. Global Initiative for Chronic Obstructive Lung Disease (GOLD): Global strategy for the diagnosis, management, and prevention of chronic obstructive pulmonary disease (2017 report). http://goldcopd.org/gold-2017-global-strategy-diagnosis-management-prevention-copd/ .

4. Magnussen H, et al. Stepwise withdrawal of inhaled corticosteroids in COPD patients receiving dual bronchodilation: WISDOM study design and rationale. Respir Med. 2014;108:593–99.

5. Rossi A, et al. Withdrawal of inhaled corticosteroids can be safe in COPD patients at low risk of exacerbation: a real-life study on the appropriateness of treatment in moderate COPD patients (OPTIMO). Respir Res. 2014;15:77–89.

6. Seaman J, et al. Health care utilization history, GOLD guidelines, and respiratory medication prescriptions in patients with COPD. Int J COPD 2010;5:89–97.

7. Vestbo J, et al. Fluticasone furoate and vilanterol and survival in chronic obstructive pulmonary disease with heightened cardiovascular risk (SUMMIT): a double-blind randomised controlled trial. Lancet 2016;387:1817–26.

8. Vestbo J, et al. Global strategy for the diagnosis, management, and prevention of chronic obstructive pulmonary disease. Am J Respir Crit Care Med 2013;187:347–65.

9. Wedzicha JA, et al. Indacaterol-glycopyrronium versus salmeterol-fluticasone for COPD. N Engl J Med. 2016;374:2222–34.

Arzneimitteltherapie 2017; 35(11)