HIV-Infektion

Erstes Proteaseinhibitor-basiertes Single-Tablet-Regime zugelassen


Andrea Warpakowski, Itzstedt

Seit September 2017 kann erstmals eine gesamte HIV-Therapie in einer Tablette (Single-Tablet-Regime) eingesetzt werden, die einen Proteaseinhibitor enthält: Der Proteaseinhibitor Darunavir in Kombination mit dem Booster Cobicistat und den beiden nukleosidischen Reverse-Transkriptase-Inhibitoren Emtricitabin und Tenofovir-Alafenamid 800 mg/150 mg/200 mg/10 mg (Symtuza®) ist zugelassen zur Behandlung von HIV-1-infizierten Erwachsenen und Jugendlichen ab 12 Jahren und mit einem Körpergewicht von mindestens 40 kg.

Die einzelnen Bestandteile des neuen Single-Tablet-Regimes (STR) sind bereits allein (Darunavir) oder in Fixkombinationen (Emtricitabin/Tenofovir-Alafenamid, FTC/TAF) seit längerem für die HIV-Therapie zugelassen [3, 4]. Das neue STR beinhaltet den Proteaseinhibitors (PI) Darunavir, der neben einer hohen antiviralen Potenz eine hohe Resistenzbarriere aufweist [1]. Zudem enthält das STR die beiden nukleosidischen Reverse-Transkriptase-Inhibitoren (NRTI) FTC/TAF: Im Vergleich zum älteren Tenofovir-Prodrug Tenofovir-Disoproxilfumarat (TDF) ist das weiter entwickelte Tenofovir-Prodrug TAF verträglicher, da es im Vergleich zu TDF langfristig ein geringeres Risiko für Nierenschäden und verringerter Knochendichte hat [4].

Umstellung auf DRV/c/FTC/TAF erfolgreich

Basis für die Zulassung von Darunavir/Cobicistat/FTC/TAF (DRV/c/FTC/TAF) war eine Bioäquivalenzstudie [2]. Dass DRV/c/FTC/TAF einem Standardregime eines geboosterten PIs plus FTC/TDF nicht unterlegen war, zeigten die 24-Wochen-Daten der offenen, randomisierten Phase-III-Studie EMERALD [6] (Tab. 1). In dieser Studie wurden 1141 HIV-Patienten eingeschlossen, die unter einem Standardregime eines mit Ritonavir (r) geboosterten PIs (PI/r) plus FTC/TDF eine stabil supprimierte Viruslast unter der Nachweisgrenze von <50 HIV-RNA-Kopien/ml seit mindestens zwei Monaten aufwiesen. Bei 763 Patienten wurde diese Therapie umgestellt auf DRV/c/FTC/TAF, bei 378 Patienten wurde die Therapie mit dem PI/r plus FTC/TDF weitergeführt.

Tab. 1. Studiendesign EMERALD

Erkrankung

HIV-1-Infektion

Studienziel

Nichtunterlegenheit der Umstellung der HIV-Medikation auf DRV/c/FTC/TAF

Studientyp/Design

Randomisiert, open Label, Phase III

Intervention

  • DRV/c/FTC/TAF
  • PI (geboostert) plus FTC/TDF

Primärer Endpunkt

Wiederanstieg der Viruslast ≥50 HIV-RNA-Kopien/ml

Sponsor

Janssen

Studienregisternummer

NCT02269917
(ClinicalTrials.gov)

DRV: Darunarvir; FTC: Emtricitabin; PI: Proteaseinhibitor; TAF: Tenofovir-Disoproxilfumarat; TDF: Tenofovir-Alafenamid

Nach 24 Wochen (primärer Endpunkt) war der virologische Erfolg beider Therapieregimes vergleichbar: Die Viruslast war bei 96,3% der Patienten unter DRV/c/FTC/TAF und bei 95,5% unter PI/r plus FTC/TDF nach wie vor nicht nachweisbar.

Mittlerweile liegen auch die 48-Wochen-Daten der EMERALD-Studie vor, die die Nichtunterlegenheit der Umstellung auf DRV/c/FTC/TAF bestätigen [7]. Nach 48 Wochen war die Rate des Wiederanstiegs der Viruslast, definiert als ≥50 HIV-RNA-Kopien/ml, unter DRV/c/FTC/TAF der unter einem geboosterten PI plus FTC/TDF nicht unterlegen (2,5% [n=19] vs. 2,1% [n=8]; p<0,0001) (Abb. 1).

Abb. 1. EMERALD-Studie 48-Wochen-Daten: Wiederanstieg der Viruslast >50 Kopien/ml (a) und Anzahl der Patienten mit nicht nachweisbarer Viruslast <50 Kopien/ml (b) unter DRV/c/FTC/TAF versus PI/r plus FTC/TDF (mod. nach [7])

Kein Patient brach die Studie aufgrund eines virologischen Versagens ab. Resistenz-assoziierte Mutationen traten nicht auf. Aufgrund eines unerwünschten Ereignisses brachen die Studie in beiden Studienarmen nur jeweils 1% der Patienten vorzeitig ab. Die Rate der unerwünschten Ereignisse war in beiden Armen vergleichbar, die häufigsten waren Nasopharyngitis (11% Studienmedikament vs. 10% Kontrollgruppe), oberer Atemwegsinfekt (11% vs. 10%), und Diarrhö (8% vs. 4%).

Hohe Resistenzbarriere bestätigt

Unter geboostertem Darunavir können sich nur sehr schwer resistente Viren entwickeln. Verantwortlich dafür ist die hohe antiretrovirale Potenz (Unterdrückung der Viruslast) gepaart mit einer hohen genetischen Resistenzbarriere (Anzahl der Mutationen, die für ein virologisches Versagen notwendig sind) [5]. Darunavir zeigte im Vergleich zu allen anderen untersuchten Substanzen die höchste Resistenzbarriere.

Das bestätigte erneut eine aktuelle Metaanalyse der Daten aus sieben Studien mit 2328 Patienten, von denen 1686 eine Darunavir-basierte Therapie erhielten: Nur bei vier (0,2%) der Darunavir-Patienten wurden Resistenz-assoziierte Mutationen (RAMs) gegenüber Darunavir festgestellt und bei einem Patienten (<0,1%) trat ein virologisches Versagen auf (nach vorherigem virologischen Versagen unter Lopinavir/r).

Quelle

Prof. Dr. Matthias Stoll, Hannover, Pressekonferenz „Neue Option in der HIV-Therapie“, Köln, 4. Oktober 2017, veranstaltet von Janssen-Cilag GmbH.

Literatur

1. Clutter DS, et al. HIV-1 drug resistance and resistance testing.Genetics and Evolution 2016;46:292–307.

2. Crauwels H, et al. Bioequivalence of a darunavir-based single-tablet complete HIV-1 regimen compared to the separate agents. IAS 2017;MOPEB0335.

3. Fachinformation Descovy® (FTC/TAF).

4. Fachinformation Prezista® (Darunavir).

5. Lathouvers MJ, et al. Prevalence of darunavir resistance in the United States (2010–2015). IAS 2017;TUPEB0372.

6. Molina JM, et al. Efficacy and safety of switching from boosted-protease inhibitor plus emtricitabine/tenofovir disoproxil fumarate regimens to the single-tablet regimen of darunavir/cobicistat/emtricitabine/tenofovir alafenamide (D/C/F/TAF) in virologically-suppressed, HIV-1-infected adults through 24 weeks: EMERALD study. IAS 2017;TUAB0101.

7. Orkin C, et al. Lancet HIV 2017. Efficacy and safety of switching from boosted protease inhibitors plus emtricitabine and tenofovir disoproxil fumarate regimens to single-tablet darunavir, cobicistat, emtricitabine, and tenofovir alafenamide at 48 weeks in adults with virologically suppressed HIV-1 (EMERALD): a phase 3, randomised, non-inferiority trial. Published online; http://dx.doi.org/10.1016/S2352–3018(17)30179–0 .


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Arzneimitteltherapie 2017; 35(12):508-519