Dr. Maja M. Christ, Stuttgart
Atezolizumab (Tecentriq®) ist ein humanisierter, monoklonaler, gegen PD-L1 gerichteter Antikörper. Er reaktiviert die T-Zell-Antwort, blockiert im Tumor den PD-1- und B7.1-Signalweg und verstärkt in den Lymphknoten die Bildung zytotoxischer T-Zellen. Gleichzeitig bleibt die Interaktion von PD-1 mit PD-L2 erhalten. Sie spielt eine wichtige Rolle für die Immunhomöostase.
Atezolizumab bei Urothelkarzinom
Das Urothelkarzinom ist ein sehr immunogener Tumor. Es weist in der Regel eine hohe Mutationslast auf. Atezolizumab wurde zugelassen als Monotherapie bei Erwachsenen mit lokal fortgeschrittenem oder metastasiertem Urothelkarzinom nach vorheriger Platin-haltiger Chemotherapie oder wenn eine Behandlung mit Cisplatin als ungeeignet angesehen wird [1].
Wirksamkeit und Sicherheit von Atezolizumab (1200 mg i.v. alle drei Wochen) wurden im IMvigor-Studienprogramm untersucht. Die einarmige Studie IMvigor210 umfasste zwei Kohorten. In Kohorte 1 mit 119 Cisplatin-ungeeigneten Patienten in der Erstlinie ergab sich ein medianes Gesamtüberleben (OS) von 15,9 Monaten. 23% der Patienten in der Intent-to-treat(ITT)-Population sprachen auf Atezolizumab an. Insgesamt zeigte sich die Monotherapie gut verträglich. 25% aller Patienten erhielten Glucocorticoide wegen eines immunvermittelten unerwünschten Ereignisses.
In Kohorte 2 waren 310 Platin-vorbehandelte Patienten mit fortschreitender Erkrankung. Nach etwa zweijähriger medianer Nachbeobachtung war die mediane Ansprechdauer noch nicht erreicht. In allen PD-L1-Subgruppen wurde ein Ansprechen auf Atezolizumab beobachtet.
In der randomisierten, Open-Label-Phase-III-Studie IMvigor211 mit 931 Platin-vorbehandelten Patienten ergab sich in der ITT-Population ein medianes OS (primärer Wirksamkeitsendpunkt) von 8,6 Monaten unter Atezolizumab (n=467) versus 8,0 Monate unter Chemotherapie (Vinflunin, Docetaxel oder Paclitaxel gemäß Ermessen des Prüfarztes, n=464). Der Unterschied zwischen den beiden Behandlungsarmen war jedoch nicht signifikant (Hazard-Ratio [HR] 0,85; 95%-Konfidenzintervall [KI] 0,73–0,99; p=0,038). In Subgruppenanalysen zeigte sich:
- Gegenüber Vinflunin ergab sich keine Überlegenheit von Atezolizumab (HR 0,97; 95%-KI 0,78–1,19).
- Gegenüber einer Behandlung mit Taxan-haltigen Chemotherapien konnte ein verbessertes OS beobachtet werden (HR 0,73; 95%-KI 0,58–0,92).
Atezolizumab bei fortgeschrittenem, vorbehandeltem NSCLC
Beim NSCLC wurde Atezolizumab zugelassen zur Behandlung nach vorheriger Chemotherapie. Zulassungsrelevant war die internationale, randomisierte Open-Label-Phase-III-Studie OAK mit insgesamt 1225 vorbehandelten Patienten. Sie erhielten 1:1 randomisiert entweder Atezolizumab oder Docetaxel. Für die Auswertung des primären Endpunkts OS wurden die ersten 850 Patienten einbezogen. Es zeigte sich ein signifikanter Vorteil unter Atezolizumab (13,8 vs. 9,6 Monate; HR 0,73; p=0,0003). Der Unterschied im sekundären Endpunkt progressionsfreies Überleben (PFS) war nicht signifikant.
Auftretende Nebenwirkungen ließen sich im Allgemeinen gut behandeln. Häufigste Nebenwirkung unter Atezolizumab war Fatigue. Therapiebedingte Nebenwirkungen vom Grad 3–4 traten bei 15% der Patienten auf versus 43% unter Docetaxel. Immunvermittelte Nebenwirkungen waren selten: Eine Pneumonitis Grad 3–4 erlitten 0,7% der Patienten.
Im Gegensatz zu den Untersuchungen bei Patienten mit Urothelkarzinom hatte der PD-L1-Expressionsstatus einen Einfluss auf die Wirksamkeit des Checkpoint-Inhibitors.
Patienten mit aktivierenden EGFR-Mutationen oder ALK-positiven Tumormutationen sollten vor der Therapie mit Atezolizumab bereits eine auf diese Mutationen zielgerichtete Therapie erhalten haben [1].
Fazit
Die Hemmung von PD-L1 ist ein interessantes neues Wirkprinzip. Bei den nächsten Aktualisierungen der Behandlungsleitlinien wird Atezolizumab sicher eine Rolle spielen.
Quelle
Prof. Dr. Axel Merseburger, Lübeck, Dr. med. Nikolaj Frost, Berlin, Prof. Dr. Hagen Pfundner, Dr. med. Stefan Frings, Grenzach-Wyhlen; Launch-Pressekonferenz „Zulassung für Tecentriq – Die nächste Generation der Krebsimmuntherapie“, veranstaltet von Roche, Frankfurt, 4. Oktober 2017.
Literatur
1. Fachinformation Tecentriq®. Stand September 2017.
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Arzneimitteltherapie 2018; 36(01):41-53