Fortgeschrittenes Urothelkarzinom

Längeres progressionsfreies Überleben mit Ramucirumab


Dr. Annette Junker, Wermelskirchen

Ramucirumab plus Docetaxel führt bei Patienten mit fortgeschrittenen oder metastasierten Urothelkarzinomen, die nach einer Platin-haltigen Chemotherapie progredient geworden sind, zu einem längeren progressionsfreien Überleben als Docetaxel allein. Das konnte in der Phase-III-Studie RANGE gezeigt werden, die im September 2017 während des europäischen Krebskongresses (ESMO) vorgestellt und gleichzeitig in The Lancet publiziert wurde.

Urothelkarzinome treten in dem Übergangsgewebe auf, das die ableitenden Harnwege auskleidet. Dementsprechend kommen sie als Krebs des Nierenbeckens, der Harnleiter, der Harnröhre oder als Blasenkarzinome vor. Zunächst werden Urothelkarzinome meist mit einer Platin-haltigen Chemotherapie behandelt. Die Überlebenszeit nach einem Rückfall beträgt im Median ungefähr sieben Monate unter einer zytotoxischen Monotherapie. In den letzten 18 Monaten konnten einige Immuncheckpoint-Inhibitoren, die PD-1/PD-L1 (PD: programmed cell death protein) zum Ziel haben, ihre Wirksamkeit auch bei Urothelkarzinomen zeigen. Ansprechraten von 15 bis 21% wurden erreicht, mit Pembrolizumab (Keytruda®) zeigte sich ein Überlebensvorteil [1].

Ramucirumab (Cyramza®) ist ein humaner monoklonaler Antikörper, der als VEGFR-2-Antagonist wirkt. In einer Phase-II-Studie konnte Ramucirumab in Kombination mit Docetaxel im Vergleich zur Docetaxel-Monotherapie bei Platin-refraktären Urothelkarzinomen das progressionsfreie Überleben fast verdoppeln und höhere Ansprechraten erzielen [2]. Das war der Hintergrund für die Phase-III-Studie RANGE.

Die RANGE-Studie

In die randomisierte, doppelblinde Phase-III-Studie wurden 530 Patienten mit fortgeschrittenem oder metastasierten Urothelkarzinom eingeschlossen, die während oder nach einer Platin-haltigen Chemotherapie progredient geworden waren. Außerdem war die vorherige Therapie mit einem Checkpoint-Inhibitor erlaubt (Tab. 1). Sie wurden 1:1 randomisiert und erhielten Docetaxel 75 mg/m2 entweder mit

  • Ramucirumab 10 mg/kg (263 Patienten) oder
  • Placebo (267 Patienten)

am Tag 1 eines 21-tägigen Zyklusses. Primärer Endpunkt war das von den Forschern bestimmte progressionsfreie Überleben (PFS), zu den sekundären Endpunkten gehörten Gesamtüberleben (OS), objektive Gesamtansprechrate (ORR), Sicherheit und Lebensqualität. Alle sechs Wochen wurde eine radiologische Kontrolle durchgeführt [3, 4].

Tab. 1. Studiendesign von RANGE [nach Petrylak 2017 et al.]

Erkrankung

Fortgeschrittenes oder metastasiertes Urothelkarzinom

Studienziel

Wirksamkeit von Ramucirumab

Studientyp/Design

Randomisiert, doppelblind, Phase III

Patienten

530

Intervention

  • Ramucirumab
    10 mg/kg
  • Placebo

Primärer Endpunkt

Progressionsfreies Überleben

Sponsor

Eli Lilly

Studienregisternummer

NCT02426125
(ClinicalTrials.gov)

Studienergebnisse

Nach einer medianen Nachbeobachtungszeit – bezogen auf die gesamte Intention-to-treat(ITT)-Population – von 5,0 Monaten (interquartile range [IQR]: 2,3–8,9) war das von den Forschern ermittelte PFS im Ramucirumab+Docetaxel-Arm im Vergleich zu Placebo+Docetaxel signifikant verlängert (4,07 Monate vs. 2,76 Monate; Hazard-Ratio [HR] 0,757) (Abb. 1). Noch günstiger fielen die Ergebnisse bei der Analyse des unabhängigen Review-Komitees aus (4,04 vs. 2,46 Monate; HR 0,672). Diese PFS-Daten waren konsistent bei allen Patienten-Subgruppen. Die Rate an objektivem Ansprechen betrug 24,5% im Ramucirumab-Arm und nur 14,0% im Placebo-Arm. Die Daten zum Gesamtüberleben sind noch nicht reif.

Abb. 1. Von den Forscher ermitteltes progressionsfreies Überleben [nach Petrylak 2017 et al.]

Keine vermehrten Nebenwirkungen und gleichbleibende Lebensqualität

Die Toxizitäten waren in beiden Armen vergleichbar. Weniger Anämien der Grade ≥3 traten in der Ramucirumab-Gruppe auf (3% vs. 11%). Zu einem Behandlungsabbruch kam es hautsächlich aufgrund von Krankheitsprogression, und zwar bei 209 Patienten im Ramucirumab-Arm bzw. 229 Patienten im Placebo-Arm.

Jeweils vor jedem Behandlungszyklus wurde bei den Patienten die Lebensqualität mithilfe des Fragebogens QLQ-C30 (quality of life questionnaire) der EORTC (European organisation for research and treatment of cancer) erfasst. Im Laufe der Behandlung zeigte sich keine Verschlechterung der Lebensqualität und diesbezüglich zeigten sich auch keine Unterschiede zwischen den beiden Armen.

Fazit und Diskussion

RANGE ist die erste Phase-III-Studie, die einen signifikanten PFS-Vorteil gegenüber einer alleinigen Chemotherapie bei Platin-refraktären Patienten mit fortgeschrittenem oder metastasiertem Urothelkarzinom zeigen konnte. Außerdem war die Rate an objektivem Ansprechen im Ramucirumab-Arm fast doppelt so hoch wie im Vergleichsarm. Zwischen den beiden Armen gab es keine signifikanten Unterschiede in der Toxizität. Demnach sollte nach Meinung des leitenden Autors Petrylak die Ramucirumab-Kombination bei fortgeschrittenen/metastasierten Urothelkarzinomen in der Zweitlinientherapie zum neuen Therapiestandard werden. Dr. Richard Cathomas, stellvertretender Chefarzt Onkologie und Hämatologie, Graubünden, Schweiz, der die Studienergebnisse kommentierte, bestätigte zunächst, dass dies die erste Studie sei, die bei dieser Patientenklientel in der Zweitlinientherapie einen PFS-Vorteil im Vergleich zur alleinigen Chemotherapie gezeigt habe. Allerdings gab er zu bedenken, ob das klinisch relevant sei, zumal es sich nur um einen Unterschied von 1,3 Monaten handele. Seiner Meinung nach müsse man noch wissen, ob dieser PFS-Vorteil auch zu einem OS-Vorteil führe. Denn bei anderen Studien, in denen eine Chemotherapie mit Angiogenesehemmern kombiniert worden sei, habe man schon gesehen, dass kleine Vorteile im PFS nicht automatisch einen OS-Benefit bedeuten. Demnach ist es aus seiner Sicht aufgrund dieser Resultate noch zu früh, den Therapiestandard für die Zweitlinientherapie, der zurzeit noch aus Checkpoint-Inhibitoren bestehen würde, zu verändern. Aber da in der RANGE-Studie so deutliche Ansprechraten gezeigt werden konnten, sollten in der Zukunft Angiogenesehemmer durchaus Teil des therapeutischen Werkzeugs bei Urothelkarzinomen werden.

Literatur

1. Bellmunt J et al. Pembrolizumab as second-line therapy for advanced urothelial carcinoma. N Engl J Med 2017;376:1015–26.

2. Petrylak DP et al. Docetaxel as monotherapy or combined with ramucirumab or icrucumab in second-line treatment for locally advanced or metastatic urothelial carcinoma: an open-label, three-arm, randomized controlled phase II trial. J Clin Oncol 2016;34:1500–9.

3. Petrylak DP et al. Ramucirumab plus docetaxel versus placebo plus docetaxel in patients with locally advanced or metastatic urothelial carcinoma after platinum-based therapy (RANGE): a randomised, double-blind, phase-III-trial. Lancet 2017;390:2266–77.

4. Petrylak DP et al. RANGE: a randomized, double-blind, placebo-controlled phase-III-study of docetaxel with or without ramucirumab in platinum-refractory advanced or metastatic urothelial carcinoma. ESMO 2017, abstr. LBA4.

Arzneimitteltherapie 2018; 36(01):15-30