Langzeitprophylaxe der episodischen Migräne

Verträglichkeit und Wirksamkeit des CGRP-Rezeptor-Antikörpers Erenumab


Veröffentlicht am: 28.11.2019

Prof. Dr. Hans-Christoph Diener, Essen

Mit einem Kommentar des Autors
Eine offene Langzeitstudie mit Erenumab bei Patienten mit episodischer Migräne zeigt eine langanhaltende gute Wirkung bei einem hervorragenden Verträglichkeitsprofil.

Etwa 30% alle Migränepatienten haben sehr häufige und schwere Migräneattacken, sodass eine prophylaktische Behandlung notwendig wird. Diese kann mit Betablockern, Antikonvulsiva wie Topiramat oder Valproinsäure, Flunarizin oder Amitriptylin erfolgen. Leider ist die Adhärenz und Compliance mit der medikamentösen Prophylaxe schlecht, was an der begrenzten Wirksamkeit und an der Vielzahl von unerwünschten Arzneimittelwirkungen liegt. Deswegen war es dringend notwendig, eine spezifische Migräneprophylaxe zu entwickeln, die bei zumindest identischer Wirksamkeit wie bei den klassischen Substanzen weniger Nebenwirkungen hat und bei der die Compliance und Adhärenz gewährleistet werden kann. Aus diesem Grund wurden monoklonale Antikörper gegen Calcitonin Gene Related Peptide (CGRP) oder den CGRP-Rezeptor entwickelt. CGRP wird während akuter Migräneattacken vermehrt ausgeschüttert. CGRP-Antikörper haben Phase-II- und Phase-III-Studien bei episodischer und chronischer Migräne durchlaufen. In der vorliegenden Publikation werden die Langzeitergebnisse einer Migräneprophylaxe mit Erenumab (AMG334) berichtet.

Studiendesign

Die Patienten wurden ursprünglich in eine 12-wöchige doppelblinde Placebo-kontrollierte Studie eingeschlossen, in der sie entweder mit 10 mg, 21 mg oder 70 mg Erenumab verglichen mit Placebo behandelt wurden (Tab. 1). Erenumab wurde alle vier Wochen subkutan appliziert. Nach dem Ende der doppelblinden Phase [1] wurden die Patienten in eine offene Extensionsphase überführt, in der sie 70 mg Erenumab alle vier Wochen erhielten. Im Rahmen einer Interimsanalyse wurden die Daten für alle Patienten ausgewertet, die mindestens über ein Jahr behandelt worden waren. Die Änderung der Migränetage pro Monat sowie eine Reduktion der Migränehäufigkeit von >50%, >75% und 100% wurden erfasst. Als Lebensqualitätskriterien wurden der Headache Impact Test (HIT), der Migraine-Specific-Quality-of-Life-Fragebogen, der Migraine-Disability-Assessment-Test (MIDAS) und Nebenwirkungen sowie schwerwiegende unerwünschte Arzneimittelwirkungen erfasst.

Tab. 1. Studiendesign der Extensionsphase [nach Ashina et al 2017]

Erkrankung

Episodische Migräne

Studienziel

Wirksamkeit von Verträglichkeit von Erenumab in der Langzeitprophylaxe

Studientyp/Design

Open-Label, Phase II

Patienten

383

Intervention

70 mg Erenumab alle vier Wochen

Endpunkte

  • Monatliche Migränetage
  • Migränehäufigkeit
  • Headache Impact Test (HIT)
  • Migraine-Specific-Quality-of-Life-Fragebogen
  • Migraine-Disability-Assessment-Test (MIDAS)
  • Nebenwirkungen

Sponsor

Amgen

Studienregisternummer

NCT01952574 (ClinicalTrials.gov)

Studienergebnisse

An der Studie nahmen ursprünglich 472 Patienten in einem mittleren Alter von 41 Jahren teil. 80% der Teilnehmer waren Frauen. An der Langzeitstudie nahmen 383 Patienten teil, die über einen medianen Zeitraum von 575 Tagen behandelt wurden. Die mittlere Zahl der Migränetage betrug 8,8 Tage bei Eintritt in die Studie, 6,3 Tage am Ende der doppelblinden Phase und 3,7 Tage nach 64 Wochen.

Nach 64 Wochen betrug die Responder-Rate 65% (>50%ige Reduktion) beziehungsweise 42% (>75%ige Reduktion). Migränefrei waren 26% der Patienten. Bei allen Lebensqualitätsinstrumenten kam es zu einer signifikanten Reduktion in der doppelblinden Behandlungsphase gegenüber Placebo, die bis zur Woche 64 anhielten. Es traten keine unerwarteten und unerwünschten Arzneimittelwirkungen auf und es gab keine Sicherheitsprobleme. Die zwei vaskuläre Ereignisse (ein vaskulärer Todesfall und ein Myokardinfarkt) waren nicht mit der Studienmedikation assoziiert.

Kommentar

Bei allen neuen Medikamenten ist es wünschenswert und notwendig, dass nach der meist kurzen doppelblinden Behandlungsphase eine Langzeittherapie erfolgt, um zu sehen, ob die Therapieeffekte anhalten und ob es auf längere Sicht Probleme mit der Verträglichkeit oder Sicherheit gibt. Die offenen Beobachtungsstudie von 338 Patienten, die 70 mg Erenumab alle vier Wochen subkutan erhielten, gab jedoch keinen Anlass für solche Bedenken: Die Reduktion der Migräneattacken und Migränetage pro Monat wurde im Beobachtungszeitraum besser. Die Lebensqualität verbesserte sich anhaltend. Besonders wichtig war, dass keine unerwünschten Arzneimittelwirkungen beobachtet wurden. Dies ist der wichtigste Vorteil der neuen Substanzen zur Migräneprophylaxe. Da Erenumab subkutan appliziert wird, sind auch Adhärenz und Compliance gewährleistet. Es bleibt jetzt abzuwarten, ob bei der Gabe anderer CGRP-Antagonisten ähnliche Langzeitergebnisse publiziert werden können.

Quelle

Ashina M, et al. Erenumab (AMG 334) in episodic migraine: Interim analysis of an ongoing open-label study. Neurology 2017;89:1237–43.

Literatur

1. Tepper S, et al. Safety and efficacy of erenumab for preventive treatment of chronic migraine: a randomised, double-blind, placebo-controlled phase-II-trial. Lancet Neurol 2017;16:425–34.

Arzneimitteltherapie 2018; 36(01):15-30