Dr. Miriam Sonnet, Rheinstetten
Arthrose ist weltweit die häufigste Gelenkerkrankung und mit Schmerzen sowie Funktionseinschränkungen verbunden. Die Lebensqualität der Betroffenen ist oft stark eingeschränkt. Zur Therapie stehen mehrere Medikamente wie Paracetamol, NSAIDs (nonsteroidal anti-inflammatory drugs) und Opioide zur Verfügung – das Management der Erkrankung gestaltet sich jedoch, gerade im Hinblick auf die Linderung chronischer Schmerzen, als schwierig.
Die zentral wirkenden Mittel Pregabalin und Duloxetin könnten weitere Optionen darstellen. Der Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer Duloxetin verbesserte in einer Untersuchung Schmerzen bei einer Kniearthrose [1] und auch Pregabalin zeigte sich bei dieser Erkrankung als effizient in der Schmerzreduktion [2]. Die Autoren einer neuen Studie untersuchten nun beide Präparate bei Patienten mit Handarthrose.
Randomisierung zu Duloxetin, Pregabalin oder Placebo
65 Patienten mit Handarthrose, die eine Standardmedikation (Paracetamol und/oder NSAIDs) bekamen und eine numerische Rating-Skala (NRS: 0–10) von mindestens fünf aufwiesen, wurden in die Studie eingeschlossen. Zur Evaluation der Schmerzen (primärer Endpunkt) wurden die NRS sowie der AUSCAN(australian and canadian hand osteoarthrithis)-Index herangezogen (Tab. 1).
Tab. 1. Studiendesign [nach Sofat et al. 2017]
Erkrankung |
Arthrose |
Studienziel |
Wirksamkeit von Duloxetin und Pregabalin hinsichtlich der Reduktion von Schmerzen |
Studientyp |
Interventionsstudie |
Studiendesign |
Randomisiert, Placebo-kontrolliert |
Eingeschlossene Patienten |
65 Probanden im Alter zwischen 40 und 75 Jahren mit einer NRS von mindestens 5 (Skala von 0–10) |
Intervention |
Eine Kapsel in der Nacht in Woche 1 à Dosiseskalation auf zwei Kapseln täglich ab Woche 2 à Dosisreduktion auf eine Kapsel pro Nacht ab Woche 11. In Woche 13: Beendigung der Studie, Datensammlung
|
Primäre Endpunkte |
Schmerzevaluation (NRS, AUSCAN) |
Sekundäre Endpunkte |
AUSCAN-Score für Steifigkeit und Funktion, HADS, Gehirn Neuroimaging |
Sponsor |
St George’s, University of London |
Studienregisternummer |
NCT02612233 (ClinicalTrials.gov) |
AUSCAN: Australian and Canadian hand osteoarthritis index; HADS: hospital anxiety and depression scale; NRS: numerical rating scale (0–10)
Alle 65 Teilnehmer (randomisiert zu Duloxetin, Pregabalin oder Placebo) wurden in die Intention-to-treat-Analyse (ITT) eingeschlossen. Insgesamt 52 Probanden beendeten die Studie nach 13 Wochen und wurden in die Per-Protocol-Analyse aufgenommen.
Effektive Schmerzreduktion
Die Teilnehmer aller Studienarme berichteten am Ende über eine Linderung der Schmerzen. Pregabalin war dem Placebo bezüglich der primären Endpunkte und auch beim sekundären Endpunkt Funktionsfähigkeit überlegen. Bei der Steifigkeit gab es jedoch keine signifikanten Unterschiede.
Zwischen Duloxetin und Placebo waren die Differenzen hinsichtlich Schmerzen, Funktion und Steifigkeit in der ITT-Analyse nicht signifikant unterschiedlich (Tab. 2).
Tab. 2. Primäre und sekundäre Endpunkte der ITT-Population [nach Sofat et al. 2017]
Endpunkt nach 13 Wochen |
Pregabalin (n=22) |
Duloxetin (n=21) |
Placebo (n=22) |
NRS |
|||
Beginn (95%-KI) |
6,1 (5,6–6,7) |
6,4 (5,7–7,1) |
6,4 (5,7–6,9) |
13 Wochen (95%-KI) |
3,4 (2,4–4,4) |
4,3 (2,6–5,9) |
5,4 (4,1–6,8) |
Mittlere Differenz (95%-KI) |
–2,7 (–3,5 bis –1,9) |
–2,3 (–3,8 bis –0,9) |
–0,9 (–2,0–0,2) |
p-Wert |
0,023 |
0,19 |
|
AUSCAN-Schmerz-Score |
|||
Beginn (95%-KI) |
317,0 (280,8–353,1) |
296,0 (248,2–343,9) |
320,3 (290,9–349,6) |
13 Wochen (95%-KI) |
176,5 (123,9–229,1) |
248,1 (162,3–333,9) |
273,5 (218,0–329,0) |
Mittlere Differenz (95%-KI) |
–132,1 (–181,1 bis –82,9) |
–35,8 (–119,7–48,2) |
–46,61 (–93,9–0,75) |
p-Wert |
0,008 |
0,59 |
|
AUSCAN Steifigkeit |
|||
Beginn (95%-KI) |
60,18 (51,7–68,7) |
60,95 (46,98–74,9) |
55,5 (45,2–65,8) |
13 Wochen (95%-KI) |
36,5 (23,0–49,9) |
48,25 (29,87–66,6) |
50,0 (36,0–64,0) |
Mittlere Differenz (95%-KI) |
–18,7 (–33,1 bis –4,3) |
–13,5 (–26,5 bis –0,6) |
–5,67 (–16,8–5,5) |
p-Wert |
0,22 |
0,96 |
|
AUSCAN Funktion |
|||
Beginn (95%-KI) |
576,2 (499,1–653,4) |
577,2 (478,0–676,4) |
582,3 (509,1–655,5) |
13 Wochen (95%-KI) |
362,2 (281,7–442,7) |
496,4 (342,4–650,5) |
508,7 (379,5–637,9) |
Mittlere Differenz (95%-KI) |
–246,4 (–341,7 bis –151,0) |
–101,8 (–248,4 bis –44,7) |
–67,3 (–156,4 bis –21,8) |
p-Wert |
0,009 |
>0,05 |
AUSCAN: Australian and Canadian hand osteoarthritis-index; HADS: hospital anxiety and depression sale; KI: Konfidenzintervall; NRS: numerical rating scale (0–10); ITT: intention-to-treat
Die Ergebnisse der Per-Protocol-Analyse waren vergleichbar. Allerdings gab es hier einen signifikanten Unterschied unter Duloxetin und Placebo bezüglich NRS-Schmerz-Scores (p=0,029).
Mittels PPT-(pain pressure threshold-)Analyse wurde die Schmerzsensibilisierung gemessen. Patienten mit Handarthrose hatten zu Beginn der Studie im Vergleich zu gesunden Probanden eine reduzierte Schmerzschwelle (p<0,0001) in allen Fingergelenken. Die PPT-Werte änderten sich nach dreimonatiger Behandlung nicht signifikant.
Die HADS-Scores waren zwischen den drei Gruppen nicht verschieden.
Sicherheit
Im Placebo-Arm gab es weniger Nebenwirkungen als in den Medikamenten-Gruppen. Mit Pregabalin kam es zu 55 unerwünschten Ereignissen. Die häufigsten waren psychische Störungen, Kopfschmerzen, Schläfrigkeit, Schwindel und ein trockener Mund. Fünf Teilnehmer dieser Gruppe beendeten die Studie vorzeitig. Unter Duloxetin-Therapie kam es zu 57 Nebenwirkungen. Auch hier gab es fünf Ausfälle vor Studienende.
Fazit
Pregabalin und Duloxetin können Schmerzen bei einer Handarthrose reduzieren. Der Effekt war für Pregabalin stärker als für Duloxetin und hielt nach Dosisreduktion an. Mehr als die Hälfte der Probanden der Studie erhielten bereits eine Standardmedikation mit Paracetamol, NSAIDs oder Codein. Die Autoren folgern daher, dass Pregabalin und Duloxetin sogar dann wirksam sind, wenn die Standardtherapie keinen Effekt mehr hat.
Insgesamt zeigt die Studie, dass mit Pregabalin oder Duloxetin eine geringfügige Besserung der Arthrose-Schmerzen erzielt werden kann, die jedoch mit vielen unerwünschten Wirkungen einhergeht.
Kommentar
Bei den Arthrosen im Bereich der Hände ist die häufigste Lokalisation an den Fingern I-IV, die sogenannte Polyarthrose, bei der im Gegensatz zur rheumatoiden Arthritis keine erheblichen Deformierungen mit Funktionsverlust der Hände droht. Die distalen Gelenkverdickungen sind kosmetisch unerfreulich und häufig müssen Fingerringe erweitert werden. Schubweise können Schmerzen auftreten, die jedoch in der Regel mit üblichen Antiphlogistika gut zu beherrschen sind. Die vor allem bei Frauen häufige Sonderform Rhizarthrose manifestiert sich am Daumen-Sattelgelenk und ist meist funktionell beeinträchtigender und schmerzhafter. Arthrosen im Bereich der Handwurzelknochen sind selten.
Eine genaue Definition, was für Fälle in diese Studie einbezogen wurden und wie ausgeprägt die sogenannten Handarthrosen waren, erscheint sehr wichtig.
In der vorliegenden Vergleichsstudie mit den Analgetika Pregabalin und Duloxetin wird nur von Handarthrose der 65 Patienten gesprochen und das Befallsmuster an den Händen nicht näher definiert. Der Vergleich erfolgte gegenüber Placebo, ein 4. Therapiearm mit Paracetamol oder einem herkömmlichen NSAID fehlt.
Aus der Publikation ist leider nicht ersichtlich, in welchem Umfang NSAIDs in den einzelnen Armen während der Studie eingesetzt wurden.
Quelle
Sofat N, et al. The effect of pregabalin or duloxetine on arthritis pain: a clinical and mechanistic study in people with hand osteoarthritis. J Pain Res 2017;10:2437–49.
Literatur
1. Chappell AS, et al. Duloxetine, a centrally acting analgesic in the treatment of patients with osteoarthritis knee pain: a 13 week, randomized, placebo-controlled trial. Pain 2009;146:253–60.
2. Ohtori S, et al. Efficacy of combination of meloxicam and pregabalin for pain in knee osteoarthritis. Yonsei Med J 2013;54:1253–8.
Arzneimitteltherapie 2018; 36(04):139-149