Dr. Maren Mundt, Duingen
Mutationen entstehen bei Philadelphia-Chromosom-positiven CML und ALL spontan aufgrund der genetischen Instabilität der Leukämiezellen. Klinisch relevante Mutationen, die zu Resistenzen gegen Tyrosinkinase-Inhibitoren (TKI) führen, befinden sich meist im Bereich der Breakpoint-Cluster-Region (BCR) des BCR/ABL-Kinase-Fusionsgens. Zellklone, die durch Mutation zufällig resistent gegen den aktuell verwendeten TKI sind, werden selektioniert.
Laut Prof. Dr. rer. nat. Simona Soverini, Bologna, sind die Hotspots der resistenzvermittelnden Mutationen in der Kinasedomäne des BCR-ABL-Gens inzwischen identifiziert. Je mehr dieser Mutationen auftreten, desto wahrscheinlicher entwickelt sich laut Soverini eine TKI-Resistenz. Für Imatinib sind mehr als 50 Mutations-Hotspots bekannt. Für Nilotinib, Dasatinib und Bosutinib, TKI der zweiten Generation, sind bis zu vier Hotspots bekannt. Bei nachgewiesener T315I-Mutation ist derzeit nur Ponatinib (Iclusig®) wirksam, ein TKI der dritten Generation.
Klonale Selektion durch Therapie
Die Auswertung klinischer Studien zeigt, dass der sukzessive Einsatz von TKI mit unvollständigem Wirkspektrum gegen BCR-ABL-Mutationen zur Selektion von Klonen mit vorab nicht vorhandenen Mutationen führt, die spezifisch für die eingesetzten TKI sind. Auch die T315I-Mutation wird auf diesem Wege selektiert. Die Mutationen können einzeln oder als Compound-Mutationen im selben Zellklon auftreten. Das Muster der Compound-Mutationen ist abhängig von den verschiedenen TKI und der Reihenfolge, in der sie eingesetzt wurden. Aufeinander folgende Therapien können zu kompletter Resistenz gegen TKI der ersten und zweiten Generation führen – insbesondere, wenn die Mutationen in Kombination mit der T315I-Mutation auftreten [2].
Mutationsanalyse bei CML
Über die Auswahl der TKI in den Therapielinien sollte individuell anhand der zuvor beim Patienten nachgewiesenen Mutationen entschieden werden, denn Zellen, die gegen als Zweit- oder Drittlinientherapie empfohlene TKI resistent sind, können schon in der Erstlinientherapie zugegen sein und in späteren Therapielinien selektiert werden. Deshalb sind sensitive Sequenzierungstechniken für die Wahl der TKI nach der Erstlinienbehandlung entscheidend.
Zur Mutationsanalyse wird noch immer die konventionelle DNA-Sequenzierung nach Sanger empfohlen. Deren Sensitivität ist für den Nachweis von Mutationen aber zu gering: 15% bis 20% der Zellen müssen die Mutation tragen.
Mit dem „Next Generation Sequencing“ (NGS) lassen sich auch Mutationen nachweisen, die nur in 1 bis 2% der Zellen vorhanden sind. Soverini et al. verglichen 33 mehrfach rezidivierte Patienten mit CML oder Philadelphia-Chromosom positiver ALL (Ph+-ALL), die eine oder mehr TKI-Resistenzmutationen hatten. Die Autoren zeigten, dass die Sequenzierung nach Sanger bei 55% der untersuchten Proben zu einer falschen Einschätzung des Mutationsstatus führte [1]. Mutationen, die in bis 15% der Zellen auftraten, wurden nur mit der NGS-Technik detektiert.
Mutationsanalyse bei Ph+-ALL
Auch bei der Ph+-ALL ist die Selektion von resistenten BCR-ABL-Mutationen unter TKI-Therapie die Hauptursache für Rezidive. Häufig tritt die T315I-Mutation auf, gegen die TKI der ersten und zweiten Generation unwirksam sind. Bei Imatinib-resistenten Patienten, die auf einen TKI der zweiten Generation ansprechen, ist die Response meist von kurzer Dauer. Das liegt wahrscheinlich an der genomischen Instabilität der ALL-Zellen, die weitere Mutationen begünstigt.
Patienten mit Ph+-ALL würden wahrscheinlich vom sensitiven BCR-ABL-Mutationsscreening mittels NGS profitieren. Zu Resistenzen führende Mutationen können mit dieser Technik früh nachgewiesen werden. Das erhöht die Chance, Rezidive zu vermeiden.
Medikamente wie Ponatinib können der Ausbreitung mutierter Zellklone entgegenwirken und so die Prognose der Patienten verbessern. Soverini geht davon aus, dass NGS bald Bestandteil des Monitorings von CML- und ALL-Patienten mit Resistenzmutationen sein wird.
Es stand in der AMT
Akute lymphatische Leukämie (ALL) – Ponatinib: Tyrosinkinase-Inhibitor der dritten Generation. Arzneimitteltherapie 2018;36:197.
Quelle
Prof Dr. rer. nat. Simona Soverini, Bologna, Fachpressekonferenz „Evolution of diagnostics in chronic myeloid leukaemia (CML) and clinical relevance in daily practice“ Frankfurt, 10. April 2018, veranstaltet von Incyte Biosciences Germany GmbH.
Literatur
1. Soverini S, et al. In chronic myeloid leukemia patients on second-line tyrosine kinase inhibitor therapy, deep sequencing of BCR-ABL1 at the time of warning may allow sensitive detection of emerging drug-resistant mutants. BMC Cancer 2016;16:572.
2. Zabriskie MS, et al. BCR-ABL1 compound mutations combining key kinase domain positions confer clinical resistance to ponatinib in Ph chromosome-positive leukemia. Cancer Cell 2014;8:428–42.
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Arzneimitteltherapie 2018; 36(06):229-233