Schmerz- und Palliativtag

Naloxegol wirksam gegen quälende Opioid-induzierte Obstipation


Simone Reisdorf, Erfurt

Das Tabuthema Obstipation stand im Mittelpunkt eines Symposiums beim Schmerz- und Palliativtag in Frankfurt. Die Ursachen einer chronischen Obstipation können vielfältig sein; oft ist die Darmentleerungsstörung aber iatrogen bedingt, etwa durch eine Opioid-Therapie. Konventionelle Laxanzien versagen hier regelmäßig. Dagegen kann der frühzeitige Einsatz des peripheren Opioid-Rezeptorantagonisten Naloxegol hilfreich sein.

Eine Stuhlfrequenz von weniger als dreimal pro Woche über mindestens drei Monate – oder das Vorliegen anderer Symptome wie harter, klumpiger Stuhl, starkes Pressen, unvollständige Darmentleerung – gilt als chronische Obstipation.

Neben Flüssigkeits- und Bewegungsmangel, Ernährungsdefizit und reduziertem Allgemeinzustand, Elektrolytverschiebungen, Obstruktion und/oder Tumorinfiltration kommen vor allem Arzneimittelnebenwirkungen als Auslöser einer chronischen Obstipation infrage. Dabei spielen unter anderem die starken Opioide (WHO-Stufenschema Klasse 3) eine wichtige Rolle. Die Opioid-induzierte Obstipation (OIC) ist die häufigste unerwünschte Arzneimittelwirkung bei Patienten mit chronischen Nicht-Tumor-Schmerzen [3].

Oft wird die OIC von weiteren Symptomen begleitet, etwa Inappetenz, Übelkeit, Anorexie, Völlegefühl, Schmerzen/Spasmen, Flatulenz und Hämorrhoidalblutungen. Eine Gewöhnung an die Therapie tritt auch über längere Zeit nicht ein, die Beschwerden lassen also auch nach längerer Opioid-Gabe nicht nach. Viele Patienten beenden letztlich deshalb die Schmerztherapie.

OIC gilt als eigenständige Krankheit

Der Nebenwirkung OIC wird heute ein eigenständiger Krankheitswert zugemessen, und sie ist keineswegs selten. So zeigen Patienten unter Analgetika der WHO-Stufe 3 im „Praxisregister Schmerz“ die mit Abstand schlechtesten Werte im Bowel Function Index (BFI, siehe Kasten).

Infokasten: Der Bowel-Function-Index

Ein einfaches Instrument zur Beurteilung der Darmentleerungen aus Patientensicht ist der Bowel-Function-Index (BFI). Er wird mithilfe der visuellen Analogskala mit Werten von 0 bis 100 mm ermittelt (100 mm VAS =größte Beeinträchtigung). Der BFI umfasst drei Kategorien: die Leichtigkeit der Defäkation, das Gefühl der inkompletten Entleerung und die persönliche Gesamteinschätzung der Obstipation. Der Mittelwert aller drei Zahlen sollte unter 28,8 (von maximal 100) mm VAS liegen. Ist er höher, so liegt eine behandlungsbedürftige Obstipation vor.

Auch Laxanzien helfen diesen Patienten so gut wie gar nicht, wie eine noch unveröffentlichte Auswertung der Registerdaten verdeutlicht. Dies gilt für Patienten unter Analgetika der WHO-Stufe 3 sowie unter einigen Analgetika der WHO-Stufe 2 (Codein und Dihydrocodein). Die betroffenen Patienten leiden unter einer deutlich eingeschränkten Lebensqualität. Auch körperliche Faktoren wie Bewegungs- oder Flüssigkeitsmangel haben bei ihnen kaum Einfluss auf die Obstipation.

Rasche Linderung bei unzureichender Laxanzienwirkung

Die Zusatztherapie mit Naloxegol (Moventig®), einem oralen peripheren μ-Opioid-Rezeptorantagonisten (PAMORA), kann indes vielen OIC-Betroffenen helfen. Naloxegol ist ein pegyliertes Derivat des Opioid-Rezeptorantagonisten Naloxon. Es reduziert die obstipierende Wirkung von Opioiden, ohne dabei die opioidvermittelten analgetischen Wirkungen im Zentralnervensystem zu beeinträchtigen, da es die Blut-Hirn-Schranke nur in sehr geringem Ausmaß passieren kann [2].

In den doppelblinden, randomisierten Phase-III-Studien KODIAC-4 und KODIAC-5 wurde nachgewiesen, dass die meisten Patienten mit der Naloxegol-Therapie bereits am ersten Tag Stuhlgang hatten: Bei OIC-Patienten mit unzureichendem Ansprechen auf Laxanzien betrug die mediane Zeit bis zum ersten Stuhlgang nach Einnahme von Naloxegol 7,6 Stunden, unter Placebo dagegen 41,1 Stunden. In KODIAC-4 betrug die Ansprechrate unter 25 mg Naloxegol 44,4%, unter Placebo 29,4%. Und auch in KODIAC-5 war die Ansprechrate mit 39,7% unter Naloxegol signifikant höher als im Vergleichsarm mit nur 29,3%. Die Ergebnisse waren konsistent über die verschiedenen Subgruppen hinsichtlich Alter, Geschlecht, Körpergewicht und Opioid-Dosis hinweg [1].

Die Verträglichkeit von Naloxegol wurde bis zu einem Jahr beobachtet. Die häufigsten unerwünschten Wirkungen sind abdominale Schmerzen, Diarrhö, Übelkeit, Kopfschmerzen und Flatulenz. Die gastrointestinalen Nebenwirkungen werden im Allgemeinen als leicht bis mittelschwer empfunden; sie treten vor allem zu Therapiebeginn auf und klingen dann meist wieder ab [1, 2].

Fazit

Studien- und Registerdaten sprechen für einen frühzeitigen Einsatz des PAMORA Naloxegol bei Patienten mit OIC, die auf konventionelle Laxanzien nicht ausreichend ansprechen.

Quelle

Priv.-Doz. Dr. Stefan Wirz, Bad Honnef, Priv.-Doz. Dr. Michael Überall, Nürnberg, Dr. Jan-Peter Jansen, Berlin, Symposium „Bedeutung der Opioid-induzierten Obstipation (OIC) im schmerzmedizinischen Alltag“, veranstaltet von Kyowa Kirin im Rahmen des Schmerz- und Palliativtags 2018, Frankfurt, 8. März 2018.

Literatur

1. Chey WD, et al., Naloxegol for opioid-induced constipation in patients with noncancer pain. N Engl J Med 2014;370:2387–96.

2. Fachinformation Moventig®, Stand: Januar 2018.

3. Kalso E, et al. Opioids in chronic non-cancer pain: systematic review of efficacy and safety. Pain 2004;112:372–80.

Arzneimitteltherapie 2018; 36(06):213-223