Migräneprophylaxe

Erenumab als erster Antikörper gegen CGRP-Rezeptor zugelasssen


Veröffentlicht am: 28.11.2019

Prof. Dr. Hans-Christoph Diener, Essen

Mit einem Kommentar des Autors
Der humanisierte Antikörper gegen den CGRP-Rezeptor Erenumab reduziert bei Patienten mit episodischer Migräne die Anzahl der Migränetage pro Monat signifikant effektiver als Placebo. Das ergab die ARISE-Studie. Anfang August wurde Erenumab in der EU zur Migräneprophylaxe zugelassen.

Das Neuropeptid CGRP (Calcitonin gene-related peptide) spielt eine wichtige Rolle in der Pathophysiologie der Migräne. So wird während einer Migräneattacke CGRP ausgeschüttet und ist dann im venösen Blut der Vena jugularis nachweisbar. Wird die Migräneattacke erfolgreich mit Sumatriptan subkutan behandelt, normalisieren sich die erhöhten CGRP-Spiegel. Zur präventiven Behandlung der Migräne wurde eine Reihe humaner, monoklonaler Antikörper entweder gegen CGRP direkt oder den CGRP-Rezeptor entwickelt (siehe auch S. 305 und 306). Alle diese Substanzen waren in Phase-II-Studien in der Migräneprophylaxe wirksam und einer Behandlung mit Placebo überlegen. Bei der ARISE-Studie handelt es sich um die Phase-III-Studie, die für die Zulassung von Erenumab bei der episodischen Migräne notwendig war.

Studiendesign

Es handelte sich um eine randomisierte, doppelblinde, Placebo-kontrollierte Studie, in die 577 Patienten mit episodischer Migräne eingeschlossen wurden (Tab. 1). Die Patienten erhielten entweder alle vier Wochen 70 mg Erenumab subkutan oder Placebo. Der primäre Endpunkt war die Abnahme der Migränetage pro Monat. Sekundäre Endpunkte waren die 50%-Responserate für Migränetage, die Veränderung der Tage, an denen eine migränespezifische symptomatische Akutmedikation (z. B. Triptane) eingenommen wurde und eine Verbesserung um fünf oder mehr Punkte im Physical Impairment and Impact on Everyday Activities Domain Score. Alle Endpunkte wurden am Ende der dreimonatigen Behandlungsphase erfasst. Die Patienten waren im Mittel 42 Jahre alt, 85 % waren Frauen. Die Migräne bestand im Mittel seit 33 Jahren. Etwa die Hälfte der Patienten hatte eine Migräne mit Aura. 60 % der Patienten nahmen spezifische Migränemittel wie Triptane ein. Ungefähr die Hälfte der Patienten hatte bisher keine Migräneprophylaxe erhalten. Die Zahl der Migränetage pro Monat betrug bei Studienbeginn im Mittel 8,2 Tage.

Tab. 1. Studiendesign von ARISE

Erkrankung

Migräne

Studienziel

Wirksamkeit und Verträglichkeit von Erenumab

Studientyp/ Studiendesign

Randomisierte, Placebo-kontrollierte, doppelblinde Phase-III-Studie

Eingeschlossene Patienten

577 Patienten

Intervention

Alle vier Wochen

  • 70 mg Erenumab
  • Placebo

Primärer Endpunkt

Anzahl der Migränetage pro Monat

Sponsor

Amgen

Studienregisternummer

NCT02483585

Studienergebnisse

Unter Erenumab kam es innerhalb von drei Monaten zu einer Abnahme um 2,9 Migränetage pro Monat verglichen mit 1,8 Tagen unter Placebo (p < 0,001). Die 50%-Responserate für die Migränetage betrug 39,7 % für Erenumab und 29,5 % für Placebo (Odds-Ratio 1,9; 95%-Konfidenzintervall 1,12–2,27; p = 0,010). Die Anzahl der Tage, an denen spezifische Migränemedikamente eingenommen wurden, reduzierte sich um 1,2 Tage unter Erenumab und 0,6 Tage unter Placebo (p = 0,002). Erenumab hatte ein ähnliches Nebenwirkungsprofil wie Placebo. Gelegentlich kam es zu Infektionen der oberen Atemwege. Einige Patienten beklagten Schmerzen an der Injektionsstelle. Nur fünf Patienten brachen in der Erenumab-Gruppe die Behandlung wegen Nebenwirkungen ab.

Kommentar

Die ARISE-Studie zeigt, dass der monoklonale Antikörper gegen den CGRP-Rezeptor Erenumab in der Prophylaxe der Migräne wirksam ist. Auf den ersten Blick ist natürlich eine Reduktion um einen Migränetag pro Monat im Vergleich zu Placebo nicht sehr eindrucksvoll. Das wichtigste Ergebnis dieser Studie ist allerdings die gute Verträglichkeit von Erenumab. Es brachen nur ganz wenige Patienten die Behandlung wegen Nebenwirkungen ab, wobei hier die Erfahrung mit den üblichen oralen Migräneprophylaktika wie Betablockern, Topiramat oder Valproinsäure eine andere ist. Bei diesen Substanzen brechen bis zu 30 % der Patienten innerhalb der ersten drei Monate die Behandlung aufgrund von Nebenwirkungen ab. Ein weiterer Vorteil ist die Gewährleistung der Compliance, da das Medikament subkutan injiziert wird.

Die Ergebnisse dieser Phase-III-Studie waren ausreichend für eine Zulassung in Europa. Ob Erenumab zur Behandlung der episodischen Migräne durch den gemeinsamen Bundesausschuss zur Erstattung empfohlen wird, ist im Moment noch nicht abzusehen.

Quelle

Dodick DW, et al. ARISE: A phase 3 randomized trial of erenumab for episodic migraine. Cephalalgia 2018;38:1026–37.

Arzneimitteltherapie 2018; 36(09):303-304