Dr. med. Peter Stiefelhagen, Starnberg
Die Einführung der NOAK hat die Antikoagulation sowohl bei Patienten mit Vorhofflimmern als auch bei solchen mit einer venösen Thromboembolie im Vergleich mit einem Vitamin-K-Antagonisten (VKA) einfacher und sicherer gemacht. In der ROCKET-AF-Studie konnte der Faktor-Xa-Inhibitor Rivaroxaban (Xarelto®) Wirksamkeit und Sicherheit unter Beweis stellen.
Real-World-Daten
Um beurteilen zu können, ob das, was in randomisierten Studien gezeigt werden konnte, sich auch im klinischen Alltag bewährt, sind Real-Life-Daten unverzichtbar. Dazu dient das globale Studienprogramm XANTUS pooled, in dem die Daten von drei nichtinterventionellen Studien bei mehr als 11 000 Patienten mit Vorhofflimmern prospektiv ausgewertet wurden. Die Analyse bestätigt die Ergebnisse der Zulassungsstudie im Praxisalltag. So lag die Rate an Schlaganfällen und systemischen Embolien in der ROCKET-AF-Studie bei 2,1 % pro Jahr, in der XANTUS-pooled-Analyse bei 1,0 % pro Jahr, bei der Rate an intrakraniellen Blutungen waren es 0,4 % in XANTUS pooled versus 0,5 % in ROCKET AF [3].
Risikofaktor Niereninsuffizienz
Jeder dritte Patient mit Vorhofflimmern leidet gleichzeitig an einer chronischen Niereninsuffizienz. Eine solche ist ein wesentlicher Risikofaktor sowohl für einen Schlaganfall als auch für eine Blutungskomplikation unter der Antikoagulation. Deshalb ist eine Dosisanpassung erforderlich. Für Rivaroxaban gilt dabei ein einfaches Dosierungsschema: Bei einer Creatinin-Clearance von 15 bis 49 ml/min sollte die Dosis auf 15 mg einmal täglich herabgesetzt werden. Andere Faktoren wie Alter und Körpergewicht müssen nicht berücksichtigt werden. Die Dosis des NOAK sollte aber nur dann reduziert werden, wenn dies indiziert ist [4, 5]. Doch eine Unterdosierung ohne renale Indikation verschlechtert weder die Wirksamkeit noch die Sicherheit [6].
Die vorliegenden Daten zeigen, dass die Wirksamkeit und die Sicherheit von Rivaroxaban auch bei Patienten mit leichter bis mittelschwerer Niereninsuffizienz erhalten bleiben. Eine retrospektive Datenbankanalyse ergab sogar einen günstigen Einfluss von Rivaroxaban im Vergleich zu einem Vitamin-K-Antagonisten auf die Nierenfunktionsparameter wie ≥ 30 % Abnahme der eGFR, Verdoppelung des Serumcreatinins und Auftreten eines akuten Nierenversagens [7]. Diese Daten sprechen dafür, dass die Niereninsuffizienz unter einem VKA schneller voranschreitet.
Eine weitere sehr vulnerable Gruppe sind Patienten über 80 Jahre. Eine retrospektive Fallanalyse weist auch bei solchen Patienten für Rivaroxaban ein günstiges Nutzen-Risiko-Profil nach. Im Vergleich mit einem VKA sank die Rate an Schlaganfällen/systemischen Embolien um relativ 39 %, das Risiko für einen ischämischen Schlaganfall um relativ 41 % und auch die Rate an hämorrhagischen Schlaganfällen und intrakraniellen Blutungen war niedriger [1].
Krebs-assoziierte Thrombosen
Thromboembolien sind eine häufige Komplikation bei Malignom-Patienten. Sie verschlechtern die Überlebensprognose: Das Sterberisiko ist im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung um das 47-Fache erhöht. Jeder fünfte Krebspatient entwickelt ein thromboembolisches Ereignis, wobei das Risiko von der Lokalisation, der Histologie, dem Grading und dem Stadium wesentlich bestimmt wird. Das größte Risiko tragen Patienten mit einem Pankreaskarzinom, einem Gehirntumor, gastrointestinalen Tumoren und einer akuten myeloischen Leukämie. Aber nicht nur die Sterberate, sondern auch das Rezidivrisiko und das Blutungsrisiko unter einer Antikoagulation ist bei Tumorpatienten deutlich erhöht. Bisher wird bei der Manifestation einer Krebs-assoziierten Thrombose eine Antikoagulation mit einem niedermolekularen Heparin (NMH) über sechs Monate empfohlen. Im Vergleich mit einem VKA führt das NMH zu einer 50 %igen Reduktion der Rezidivrate. Die Adhärenz ist jedoch wegen der s. c. Applikation niedrig.
NOAK können deshalb eine interessante Alternative für das NMH sein. Gepoolte Daten aus randomisierten kontrollierten Studien mit Rivaroxaban (EINSTEIN DVT und EINSTEIN PE) sprechen dafür, dass VTE-Patienten unter 20 mg Rivaroxaban ein tendenziell niedrigeres VTE-Rezidivrisiko und auch ein geringeres Risiko für schwere Blutungen im Vergleich zu einem VKA haben [2].
SELECT-D-Studie
Im Rahmen einer prospektiven, randomisierten, offenen Pilot-Studie (SELECT-D) wurde jetzt erstmals die Wirksamkeit und Sicherheit von Rivaroxaban bei 203 Patienten mit einer aktiven Krebserkrankung, die eine symptomatische TVT und/oder LE entwickelt hatten, mit dem NMH Dalteparin verglichen. Der primäre Endpunkt war die Rezidivrate nach sechs Monaten. Diese lag bei 4 % unter Rivaroxaban im Vergleich zu 11 % unter Dalteparin und dies bei einer vergleichbaren Rate an schweren Blutungen (6 % vs. 4 %). Diese Ergebnisse sprechen dafür, dass Rivaroxaban bei Patienten mit einer Krebs-assoziierten Thrombose ähnlich wirksam und sicher ist wie das NMH Dalteparin [8].
Fazit
Daten aus dem Versorgungsalltag zeigen, dass der Faktor-Xa-Inhibitor Rivaroxaban im praktischen Alltag das gleiche Wirksamkeits- und Sicherheitsprofil zeigt wie in der Zulassungsstudie ROCKET AF. Auch bei Problempatienten mit hohem Alter und/oder milder bis moderater Niereninsuffizienz ist Rivaroxaban dem VKA hinsichtlich Wirksamkeit und Sicherheit überlegen. Für Patienten mit einer Krebs-assoziierten Thrombose ist Rivaroxaban nach den Ergebnissen einer ersten Pilotstudie eine gleichwertige Alternative zu einem NMH.
Quelle
Dr. Gunther Claus, Melsungen, Prof. Dr. Hanno Riess, Berlin, 11. Xarelto® Kloster-Presseworkshop 2018 „Xarelto® im Fokus – Sichere Therapiestrategien und aktuelle Entwicklungen“, Eltville, 16. bis 17. Mai 2018, veranstaltet von Bayer Vital.
Literatur
1. Coleman CI, et al. Effectiveness and safety of rivaroxaban versus warfarin in patients 80+ years-of-age with nonvalvular atrial fibrillation. Eur Heart J 2017; doi:10.1083/ehjqccol/qcx044.
2. Khorana AA, et al. Current practice patterns and patient persistence with anticoagulant treatments for cancer-associated thrombosis. Res Pract Thromb Haemost 2017;1:14–22.
3. Kirchhof P, et al. Safety analysis of rivaroxaban: a pooled analysis of the global XANTUS programme (real-world, prospective, observational studies for stroke prevention in patients with atrial fibrillation. ESC 2017;P3592.
4. Olesen JB, et al. Stroke and bleeding in atrial fibrillation with chronic kidney disease. N Engl J Med 2012;367:625–35.
5. Xarelto® Fachinformation; Stand Oktober 2017.
6. Yao X, et al. J Am Coll Cardiol 2017;70:2779–90.
7. Yao X, et al. Renal outcomes in anticoagulated patients with atrial fibrillation. Non-vitamin K antagonist oral anticoagulant dosing in patients with atrial fibrillation and renal dysfunction. J Am Coll Cardiol 2017;70:2621–32.
8. Young AM, et al. Comparison of an oral factor Xa inhibitor with low molecular weight heparin in patients with cancer with venous thromboembolism: results of a randomized trial (SELECT-D). J Clin Oncol 2018;36:2017–23.
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Arzneimitteltherapie 2018; 36(10):376-377